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17.10.2001
Philharmonie Köln
Konzertante Urauffürung


Siegfried Wagner
Die Heilige Linde op.15 (1927)
Oper in 3 Akten

WDR Rundfunkchor Köln, Einstudierung: Godfried Ritter
WDR Sinfonieorchester Köln
Leitung: Werner Andreas Albert

Endlich uraufgeführt nach fast 75 Jahren!
Siegfried Wagners Heilige Linde in einer konzertanten Aufführung

Von Ralf Jochen Ehresmann


Am 17.10 kam es in der Kölner Philharmonie zur konzertanten Uraufführung der Heiligen Linde op.15 von Siegfried Wagner, deren Wiederholung am 19.10 von WDR3 sogar live übertragen wurde. Die Herausgabe auf CD bei cpo ist ebenfalls vorgesehen.

Die Handlung nimmt ihren Ausgang mit einer alten Linde, deren Fall symptomatisch das ganze folgende Elend vorwegnimmt. Auch hier streiten Kulturen miteinander, vorrangig die heidnisch-germanische mit der römischen, beispielhaft auch mit der früh-christlichen. König Arbogast vertritt hierbei eindeutig rationale Prinzipien, so dass ihm die Beseitigung alter Kulte und ein Bündnis mit Rom als Inbegriff gesellschaftlichen Fortschrittes erscheinen. Der römische Legat Philo verbirgt seine betrügerischen Absichten kaum und hat so leichtes Spiel, Arbogast in dunkle Verstrickungen zu verwickeln, die ihn zuletzt in einen aussichtslosen Krieg ziehen lassen. Seine Gattin Hildegard wirkt mit ihrem konservativen Festhalten am Gehabten zugleich als Sachwalterin der Staatsraison, kann aber nach Arbogasts Fall mit der Pflanzung einer neuen jungen Linde letztlich nur das Werk der Gegenaufklärung fortsetzen. Die Hoffnung ruht am ehesten auf dem Markomannenprinzen Fritigern, der an Arbogasts Hof erschien, als er eigentlich um Sigrun werben wollte, seine Zuwendung dann aber auf Hildegard umschwenkte, der er anlässlich der Rettung einer Christin aus der römischen Arena von deren Mitleids-Glauben erzählte und ihr damit einen Ausweg wies, der zugleich aus politischer Intrige á la Rom und auch aus der Unbarmherzigkeit germanischer Gottesopfer hinausführen könnte.

So gesehen behält die musikalisch grandiose Apotheose eine bittere Note, bleiben doch viele Fragen unbeantwortet. Genau darin ist die Oper aber auch getreuer Spiegel ihrer Entstehungsumstände. Wie sich die braune Bewegung durch Winifreds Forcierung bereits frühzeitig des Grünen Hügels bemächtigte, erhoffte sie sich auch vom Sohn des Meisters eine deutsche Nationaloper in eindeutig politischer Machart. Diesem Anspruch entzieht sich Siegfried Wagner, indem er ihn kritisch bedient. Das Bäumchen, Symbolträger der germanischen Fraktion und immerhin im Operntitel als heilig verehrt, wird zwar neugepflanzt, und während der Scheiterhaufen noch schwelt, der des südländisch-orientierten Arbogast Leichnam vertilgt, kommt am Rande bereits die neue Verbindung zustande, von der man wohl neue Nerthusfeste mit Sklavenopfern und eine gewisse Orientierung auf den Schutz des deutschen Waldes, doch weniger Eignung zur Lenkung der Geschicke des Landes erwarten darf. "Als Nationaloper aber war ein Bühnenwerk, das die Unterlegenheit des Deutschtums aufzeigt, nicht zu gebrauchen. Diese weder unbeabsichtigte noch unzutreffende Erkenntnis des Komponisten schützte sein Werk vor der Vereinnahmung" (PPPachl im Programmheft) der nazistischen Kulturfunktionäre, so dass trotz mancher Siegfried Wagner-Aufführung bis 1939 Die Heilige Linde weiter ungespielt blieb.

Das musikalische Material ist in seiner Modernität weit weniger radikal als das des Vaters oder der Zeitgenossen um Strauss und Schreker. Doch bei keinem findet sich eine derartige Dichte an thematischer Verwobenheit, die nicht nur werkinterne Leitmotive betrifft sondern gleichsam sein gesamtes Schaffen inklusive der sinfonischen oder der Klavierwerke durchzieht. So hört man beispielsweise überdeutlich bei Autonoes Freudengesang (III,4) über die neue Ehrlichkeit, zu welcher ihre Jugendliebe Antenor sie zurückwerben konnte, in der Ansprache an Licht und Sonne das Hauptmotiv aus Wittichs Sonnengesang aus "Banadietrich". Die Kategorie des Gesamtkunstwerkes erhält dadurch eine erheblich erweiterte Bedeutung, die dennoch der Geschlossenheit keinen Abbruch tut.

Den SängerInnen gilt durchweg höchstes Lob. Für die Gestaltung ihrer Partien hatten sie keinerlei Vorbilder und leisteten damit allesamt Pionierarbeit. Voller Einsatz und mit überspringender Begeisterung legten sie sich inszeug, was umso nötiger war, als ihnen die Anordnung des Philharmoniepodiums keinen schützenden Orchestergraben bieten konnte. Glücklicherweise kam es auch dort zu keinen nennenswerten Unterschieden der Einzelleistungen, obschon doch einzelne Gestalten wie Gundelind oder Autonoe häufig kurz auftreten, andererseits Antenors einzige Arie zugleich der längste Einzelgesang der ganzen Oper ist. Die DarstellerInnen geizten nicht daran, jene Möglichkeiten auszukosten, durch Blicke oder kleinere Bewegungen der konzertanten Aufführung einen Bühnenhauch zu verschaffen. Hervorzuheben ist hier unbedingt Volker Horns Philo, dem er geradezu idealtypisch Züge des genialen Intriganten verleihen konnte, wie sie auch jedem Loge gut anstehen möchten. Die hohe Identifikation mit dieser Produktion wurde wiederum expressis verbis deutlich, als sich am Samstag Vormittag zur Abschlussveranstaltung des die Aufführungen begleitenden Symposions der Internationalen Siegfried-Wagner Gesellschaft (ISWG) fast alle SolistInnen wieder einfanden, um neben Aspekten des Werkes auch ihre persönliche Motivation bezüglich Siegfried Wagners darzulegen. Auch das Dirigat Werner Andreas Alberts, des amtierenden Präsidenten der ISWG, war bestens geeignet, die zahlreichen Facetten des Werkes aufzuschließen und einem breiteren Publikum in die Herzen einzuspielen.

Bleibt zu hoffen, dass solche Veranstaltungen die Rückkehr seiner Werke auf die Bühne beschleunigen, war doch im 1.Jahrzehnt des XX.Jahrhunderts sein op.1 "Der Bärenhäuter" die meistgespielte Oper überhaupt. Unter PPPachls Chefdramaturgie hat das Theater Hagen bereits mehrfach deren Bühnentauglichkeit erwiesen.

70 Jahre nach dem Tod des Komponisten sind die Rechte nun frei, und so bleibt zu hoffen, dass die Blockade aus Bayreuth endgültig bricht, von wo aus man bis zuletzt versucht hat, das Unterfangen juristisch zu bedrängen - gottlob ohne Erfolg!


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