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Klassik auf dem Akkordeon Janne Rättyä und Taneli Turunen brillierten im Kammermusiksaal Von Nancy Chapple Ein Debüt-Konzert für Akkordeon u. Cello, live im DeutschlandRadio übertragen, zwei junge finnische Musiker, Bach und Musik vom Anfang und Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Interessante Zutaten - aber wie wird das Ganze? Es wurde ein wunderschöner Abend mit einem für Deutschlands Konzertsäle (noch) ungewöhnlichen Instrument mit einer neuen musikalischen Persönlichkeit. Es war raffiniert, mit dem kurzen De Profundis von Sofia Gubaidulina anzufangen: Die Zuhörer konnten sich zunächst an die Klangmöglichkeiten des Akkordeons gewöhnen. Atmosphärische Klänge, vibrierende Toncluster, durchdringend pathetische Töne, erste polyphone Stellen. Nach dieser Eingewöhnung waren die Ohren offen für eine Interpretation der ersten Hälfte der Goldberg-Variationen auf Akkordeon , ohne sie gleich mit bekannten Aufnahmen auf Klavier oder Cembalo zu vergleichen. Die Aria spielte Rättyä ziemlich schnell. Man begann, auf die besonderen Möglichkeiten des Instruments zu achten: Gleichzeitiges Legato- und Non-Legato-Spiel, ganz verschiedene Klangfarben in zwei Stimmen. Die schnellen Variationen spielte Rättyä in virtuos geschwinden Tempi mit gelegentlichem leichten Klappern der Tasten. Haltebögen nahmen auf einmal eine ganz neue Bedeutung an: Bei langen Tönen stirbt der Ton nicht einfach ab, sondern vibriert bis zum notierten Ende. Vereinzelt waren Notenpassagen ungleich, mit kleinen Verzögerungen oder überschnellen Tonfolgen. Wunderbar klar waren die Kanons mit abgesetzten Einsätzen, insbesondere Variation 12, der Kanon alla quarta. Die langsamen Variationen spielte er oft in einem eher schreitenden Andante als in einem Largo, vielleicht weil wir Hörer sehr langsame Tempi auf diesem Instrument unwillkürlich mit kitschiger, gesüßter Volksmusik verbinden. In der zweiten Hälfte gesellte sich der Cellist Taneli Turunen hinzu. Er spielt mit perfekter Intonation und einem wunderschönen Ton. Rättyä erwies sich als ebenso überzeugender Kammermusiker wie als Solist. Die Komposition XTC von Uljas Pulkkis, vom Akkordeonisten in Auftrag gegeben, war besonders spannend durch das perfekte Zusammenspiel. Die bekannten Bartók-Tänze "funktionierten" bei diesem Instrumentenpaar sehr gut : Oft bot das Akkordeon eine besonders elastisch harmonische Grundlage, auf der das Cello Melodien frei ausspann. Im Gürteltanz zum Beispiel wurde das Flageolett im Cello von einem ätherischen, schwer faßbaren Klang des Akkordeons begleitet. Die gerollten Akkorde Arvo Pärts Fratres erinnern an der Musik von Philip Glass. Der Klang schwebt oft in der Luft und auf schöne Weise schien das Stück nie zu einem Ende kommen zu wollen. Durch den Abend hindurch spielte Rättyä souverän und zum größten Teil auswendig. Die zwei Stücke mit Tango-Bezug, insbesondere Le Grand Tango von Piazzola mit seinen melancholischen Harmonien zu den schwungvollen schnellen Passagen, wusste das Publikum sehr zu schätzen. Es entspannte sich regelrecht bei diesen mitreißenden Stücken und belohnte die begabten Künstler mit ungebändigtem Applaus. Diese bedankten sich mit einem weiteren kurzen Tango.
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