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Überzeugende Aufführung von Haydns Oratorium
Von Kilian Vollmer
Die Jahreszeiten von Joseph Haydn erfuhren vergangene Woche in der Berliner Philharmonie eine erstklassige Aufführung durch die Berliner Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Sir Simon Rattle sowie dem RIAS-Kammerchor und herausragenden Gesangssolisten.
In diesen Tagen werden viele, wenn nicht alle Konzertbesucher mit den Gedanken beim begonnenen Irak-Krieg sein und so wandte sich Sir Simon, wie der neue Chef der Berliner Philharmoniker von Musikern und Publikum liebevoll genannt wird, am Donnerstag Abend auch vor Beginn der Aufführung an das Publikum und sagte (sinngemäß und in Auszügen): Die Jahreszeiten standen und stehen wohl immer noch, wenn man einen Blick auf die Rezeptionsgeschichte wirft, im Schatten der bekannteren und öfters aufgeführten und auf CD gebannten Schöpfung. Es lassen sich allerdings einige Bezüge aufzeigen und Gottfried van Swieten plante das Werk darüber hinaus als zweiten Teil eines Tryptichons, dessen dritter Teil die Darstellung des Jüngsten Gerichts werden sollte. Gemeinsamkeiten haben beide Oratorien schon in der Entstehungsgeschichte:
Die zwei Werke entstanden kurz hintereinander, im Auftrag derselben Mäzene, hatten denselben Librettisten und erlebten ihre ersten Aufführungen im gleichen Rahmen.
Dennoch sind "Die Jahreszeiten" keine zweite Schöpfung, wie Haydn selbst betont, den "in dem einen sind die Personen Engel, in dem anderen sind sie Bauern."
Die Solisten der Jahreszeiten treten aber nicht als handelnde Personen auf, sondern als Betrachter, die als Kommentatoren den Blick lenken auf den Menschen im Verhältnis zu einer Natur, in der überall Gott zum Ausdruck kommt.
Das Orchester spielte neben der gewohnten und erwarteten Präzision mit einer auch sichtbaren Lust, die das Zuhören wirklich zum Genuss machte. Man hat wirklich selten die Möglichkeit, so leuchtende Streicher, butterweiche Holzbläser (Extralob von Rattle auch an Solo-Oboist Albrecht Mayer) und kraftvolle Blechbläser zu erleben.
Großes Lob auch an die hochkarätigen Solisten. Durchweg überzeugend ihre warmen, runden und leuchtenden Stimmen mit einem jeweils sehr angenehmen und der Szene angepassten Timbre. Wenn Haydn die Sänger auch nicht als handelnde Personen agieren lässt, so hatte man als Zuhörer doch immer den Eindruck, dass es sich um individuelle Persönlichkeiten handelt.
Als ein Beispiel für viele sei nur die Arie des Simon kurz vor Schluss erwähnt, in der der Pächter auf sein Leben zurückblickt und so der Jahreskreis der Natur zum Sinnbild des menschlichen Lebens wird. Wenn dies dann von Thomas Quasthoff mit seinem fülligen, kräftigen Bariton, der völlig mühelos den ganzen Saal zum Klingen bringt, vorgetragen wird, dann muss dem Zuhörer ein kalter Schauer über den Rücken laufen.
Sehr überzeugt haben aber auch Ian Bostridge als Tenor und Christiane Oelze als Sopran.
Der smarte Engländer verkörperte die Rolle des Lukas sehr treffend mit makellos weicher Stimme, wenn man auch den Eindruck haben konnte, dass ihm die letztjährige Rolle als Evangelist in der Bachschen Johannespassion noch etwas besser lag.
Nach Claudio Abbado, der im Blick auf die Ausrichtung und das Selbstverständnis des Orchesters schon einige Neuerungen durchgesetzt hatte, scheint Deutschlands Spitzen-Ensemble mit seinem neuen künstlerischen Leiter weiter auf einem Reformweg zu schreiten, der die Musiker zu immer neuen Zielen führt.
So konnte Sir Simon einmal mehr mit seiner enorm vielfältigen künstlerischen Kompetenz überzeugen. Sein unglaublich starkes Charisma scheint auf Musiker wie Publikum gleichermaßen elektrisierend zu wirken.
Es wurde intensiv und mit Freude musiziert, so dass man den Eindruck haben musste, es könnte gar nicht anders, geschweige denn besser sein.
Alles in allem lässt sich sagen, dass das Berliner Publikum eine perfekte Aufführung der Jahreszeiten erleben durfte. Alle Beteiligten hatten für sich schon Weltklasse-Niveau, wurden durch Sir Simon nochmals animiert und so ging dessen eingangs geäußerter Wunsch in Erfüllung, die Zuhörer mögen den Alltag für eine Weile vergessen und den Frieden, den die Jahreszeiten ausstrahlen, spüren.
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Programm:Joseph HaydnDie Jahreszeiten Oratorium für drei Solostimmen, Chor und Orchester Hob. XXI:3 Text: Gottfried van Swieten nach The Seasons von James Thomson Christiane Oelze, Sopran Ian Bostridge, Tenor Thomas Quasthoff, Bariton RIAS-Kammerchor, Einstudierung Morten Schuldt-Jensen Berliner Philharmoniker Leitung: Sir Simon Rattle
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