Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Zur OMM-Homepage Konzert-Rezensionen-Startseite E-Mail Impressum



Festspielhaus Baden - Baden
6.12.2002 / 7.12.2002

h-moll-Messe / Der Messias


Veranstalter-Homepage

Musik aus höheren Sphären

Von Christoph Wurzel


Mit zwei Gestirnen barocker Chormusik neigte sich im Festspielhaus Baden-Baden ein hochkarätiges und facettenreiches Jahresprogramm seinem Ende entgegen. Und mit Bachs h-moll Messe und Händels Messias standen zugleich zwei Höhepunkte der geistlichen Musik am Beginn der Vorweihnachtszeit. Auch die Interpreten beider Konzerte blieben den hochgesteckten Erwartungen nichts schuldig. So waren die Abende wieder Konzertereignisse von allerhöchstem Rang.

Das Balthasar-Neumann-Ensemble mit Chor und Solisten hatte unter der Leitung von Thomas Hengelbrock bereits im Oktober mit der wunderschönen Aufführung von Monteverdis Orfeo unter Beweis gestellt, wie leicht und unakademisch eine historisch orientierte Aufführung barocker Musik sein kann, durch die kein Abstand zwischen den rund 300 Jahren seit der Komposition entsteht, sondern uns Heutigen die Musik so lebendig und unmittelbar erzählt wird, wie wir selber empfinden. Auf´s Schönste wurde dies auch in der h-moll-Messe verwirklicht, dem musikalischen Vermächtnis Bachs.
Nicht äußerlicher Glanz stand im Zentrum, sondern der fromme Blick nach innen, die Zwiesprache der menschlichen Seele mit ihrem Gott, wie sie inniger und intimer als im Agnus Dei von Bernhard Landauer gesungen kaum denkbar war.
Bis zur Erstarrung steigerte sich im Credo der musikalische Gestus im bewegenden passus duriusculus, der Erinnerung an den Kreuzestod Jesu, um dann triumphierend sich aufzuschwingen zum fünfstimmigen Auferstehungsjubel des Chores. Die Erwartung der Auferstehung der Toten wurde untermalt mit nuanciert abgestuften harmonischen Farbgebungen. In der gesamten Aufführung "umkreiste die Musik unsere Themen, unsere Einsamkeit, Verzweiflung, Freude und Glückseligkeit"- ganz wie es Thomas Hengelbrock im Programmheft als Anspruch formuliert hatte.

Auswendig sang der Chor seinen Part - wohl einer der schwierigsten der klassischen Chorliteratur. Die Sängerinnen und Sänger traten für ihre Soli aus dem Chor heraus und integrierten sich wieder. So entstand ein musikalischer Fluss der dem Ganzen diente. Die obligaten Begleitinstrumente erwiesen sich als sensible Partner und musizierten mit exzellentem Klang. Die Balance zwischen dem Chor und dem Orchester war jederzeit optimal. Nicht immer treten so hervorragende Künstler so uneitel auf. Hier war er zu spüren, der Ensemblegedanke im Dienste des Werks.
Langes Schweigen nach der Bitte um Frieden am Schluss:
Ein sichtlich ergriffenes Publikum respektierte die Wirkung der Musik. Bach hat zum höheren Ruhme Gottes komponiert, das nahm ihm nach dieser Aufführung selbst der Ungläubigste ab.

Gleichsam das Gegenteil unserer heutigen historischen Aufführungspraxis hat Mozart mit seiner Bearbeitung des Händelschen Messias vorgehabt. Obwohl noch nicht einmal 50 Jahre zwischen der Uraufführung des Oratoriums und Mozarts Fassung liegen, empfand er wohl die Musik als zu wenig modern für die musikalischen Akademien des Barons van Swieten, bei denen übrigens auch Haydns Oratorien uraufgeführt wurden. Heutige Ohren, die "historisch" zu hören gewohnt sind, mögen Gewöhnungsbedarf an den überaus weichen und klassisch vollen Klang der Mozartschen Fassung haben. Auch von einer Aufführung in der Originalsprache scheint man damals nicht viel gehalten zu haben (schließlich ist sie nicht italienisch). So wurde der englische Text von Christoph Daniel Ebeling übersetzt und von Klopstock überarbeitet, der selbst ein Verspoem "Der Messias" verfasst hatte.

In dieser Fassung also präsentierten die Gächinger Kantorei und das Bach - Kollegium Stuttgart unter Helmut Rilling das Werk, ausgewiesene Experten der geistlichen Musik, ob aus Barock, Klassik, Romantik oder Moderne.
Vorwiegend sanft fließend, statt stark akzentuierte Rhythmik und statt separierter Instrumentalstimmen nun ein volles und klassisch geebnetes Klangbild: dies ist der Eindruck, der sich schon in der Ouvertüre einstellte. Mozarts Eingriffe in die musikalische Struktur mögen gering gewesen sein, der Höreindruck ließ einen veränderten und zugleich verwandten Geist erkennen. Es war verblüffend, wie sehr sich Mozart offenbar das Händelsche Material anverwandelt hat und wie nahe umgekehrt doch auch die eigenen Kompositionen plötzlich der Musiksprache Händels rückten. Besonders in den Sopranarien waren die von Innigkeit erfüllten Mozartschen Pamina- oder Susanna - Partien durchzuhören. Sybilla Rubens sang sie zudem in einer makellosen Reinheit, die schon engelgleiche Entrückung war.

Den Part des zweiten Soprans hatte der Countertenor Gunther Schmid mit sehr zarter, knabengleicher Stimme übernommen, die nicht kräftig, dafür aber besonders empfindsam klang. Mit hellem Timbre, sicher in allen Lagen und, wie alle Solisten mit hervorragender Textverständlichkeit sang James Taylor die Tenorarien. István Kovacs war ein kraftvoller, entschiedener Bass. Die Sänger hörten genau auf einander und fügten sich in den wenigen Ensemblestellen hervorragend zusammen.

Mit schlankem Gestus und in großer Einheitlichkeit meisterte der Chor seinen Part und gab dem Halleluja, vor dessen Berühmtheit einem ja Angst werden könnte, seine Würde zurück. Die Bach-Akademie musizierte mit viel Feingefühl für Klangfarben und Stimmungen. Dass Helmut Rilling, ausgezeichnet mit dem Grammy Award für die beste Choraufnahme, der überaus gute Geist auch dieser Aufführung war, versteht sich von selbst.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Programm:

6. Dezember:

Johann Sebastian Bach:
Missa h - moll

Solistinnen und Solisten des
Balthasar-Neumann-Chores

Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Ensemble

Leitung: Thomas Hengelbrock



7. Dezember:

Georg Friedrich Händel:
Der Messias

Sibylla Rubens, Sopran
Matthias Rexroth, Altus
James Taylor, Tenor
István Kovacs,Bass

Gächinger Kantorei
Bach-Kollegium Stuttgart

Leitung: Helmuth Rilling







Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Konzert-Rezensionen-Startseite E-Mail Impressum

© 2002 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
Email: konzerte@omm.de

- Fine -