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Festspielhaus Baden-Baden
20.6.2003

Münchner Philharmoniker


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Philharmonische Tänze

Von Christoph Wurzel


Es hätte fast ein Geburtstagskonzert werden können, denn James Levine, Chefdirigent der Münchner Philharmoniker seit 1999, wurde am 23. Juni sechzig Jahre alt. Doch wegen schwerer Rückenprobleme musste er die Konzerttournee mit dem Orchester absagen, dem er nunmehr noch ein Jahr vorstehen wird. Der finnische Dirigent Osmo Vänskä sprang kurzfristig ein und dirigierte das Konzert in Baden - Baden mit unverändertem Programm.
Väskä ist bisher in Deutschland wenig bekannt, kann aber gleichwohl auf eine internationale Karriere verweisen: In Großbritannien und den USA nahm er Chefpositionen bei namhaften Orchestern ein und dirigierte zahlreiche Gastkonzerte bei allerersten Klangkörpern. Für Plattenaufnahmen erhielt er zahlreiche Preise. In der kommenden Spielzeit wird er auf Einladung Simon Rattles erstmals die Berliner Philharmoniker dirigieren. Obwohl schon zur mittleren Generation gehörend, wird er von der PR als shooting star hochgejubelt. Das weckt hohe Erwartungen, die sich so überschwänglich nicht erfüllten. Es gab eine solide Dirigierleistung zu erleben, doch ein zündender Funke mochte nicht überspringen.

Ein auf den ersten Blick beliebig zusammengewürfeltes Programm war für diesen Abend gewählt worden, beim genauen Hinhören jedoch eines von Werken, bei denen ein innerer Zusammenhang nicht zu verkennen ist. Allen drei Werken liegt an zentralen Stellen eine kunstvoll vorgespiegelte gewisse Natürlichkeit in der Form von hoch virtuosen Tanzsätzen zu Grunde. In Smetanas Ouvertüre sind es die dem böhmischen Volksleben nachempfundenen Polkarhythmen. Mendelssohns Produkt seiner italienischen Reise, die vierte Sinfonie in A - Dur ( die in der Reihenfolge der Entstehung eigentlich seine dritte ist) schließt mit dem brillanten Saltarello ab, den er in der volkstümlichen Form bei seiner Italienreise kennen gelernt haben mag. Und dem inneren Programm von Berlioz` Symphonie fantastique folgend löst sich im zweiten Satz der Liebeswahnsinn des (unverkennbar autobiografischen) Künstlers durch die Wiederbegegnung mit seiner Angebeteten auf einem Ball zumindest zeitweise in schwungvolle Walzerseligkeit auf.
Und noch ein biografisches Detail verleiht mindestens dem Werk Mendelssohns und dem von Berlioz eine interessante Parallele: Beide Komponisten, der Deutsche um sechs Jahre jünger als der Franzose, lernten sich in Rom kennen - im März 1831, wo der erstere aus einer von Goethe angesteckten Sehnsucht nach dem idealen Arkadien, der zweite aber eher widerstrebend und um ein Stipendium anzutreten in der Ewigen Stadt weilten. Mendelssohn lernte bei dieser Gelegenheit den römischen Karneval kennen und soll sich begeistert in das bunte Treiben gemengt haben. Der Schlusssatz der " Italienischen" und auch die "Erste Walpurgisnacht" atmen diesen Geist der Lebenslust. Berlioz dagegen geriet ein Jahr später in den römischen Karnevalstrubel und hat sich später in seinen Memoiren darüber nur abgestoßen geäußert. Das Volksfest erschien ihm als "Überfluss an groben Beleidigungen". Im letzten Satz der schon 1830 uraufgeführten Symphonie fantastique, dem ins Groteske verzerrten Hexensabbat, scheinen solche Eindrücke bereits vorweg genommen. Zwei Seelen also in der Brust von romantischen Komponisten - und zwei sehr unterschiedliche Ausdrucksweisen - eine reizvolle Paarung also für einen Konzertabend.

Bereits die Smetana - Ouverture verriet, dass die Münchner Philharmoniker in rhythmischer Präzision und farbiger Artikulation bestens disponiert waren. Dem von Vänskä mit viel Körpereinsatz angeschlagenen atemberaubenden Tempo folgten sie mühelos. Kein Zweifel: die Streicher schnurrten virtuos, das Blech strahlte hell, doch mit allzu polierter Oberfläche und ohne die auch schon in der Ouvertüre angedeuteten Untiefen dieser "Komischen Oper" genügend hörbar zu machen, trieb Vänskä diese Musik vor sich her.
Die Klassizität Mendelssohns schien im ersten Satz der "Italienischen" durchaus durchzogen von einem romantischen Sehnsuchtsdrang, der im Andante dann stellenweise sogar schubertsche Schwermütigkeit anzunehmen schien. Das filigrane Stimmengeflecht wurde transparent aufgefächert, die Holzbläser zeigten höchste Spielkultur. Der dritte Satz geriet sehr weich und erinnerte nur noch entfernt an die auch noch von Mendelssohn intendierte Scherzoform. Wieder im furiosen Tempo klang die Sinfonie im Saltarello aus. Ein guter Dienst am Werk waren die unterschiedlichen schön gemalten Klangfarben und Stimmungen: Die reine Eleganz also - aber es fehlte dem Ganzen an einer dramatischen Innenspannung. Dies gelang bei Berlioz überzeugender. Auch hier steigerten sich die virtuosen Stimmen zur Hochform, besonders die Bläser zeigten sich in vorzüglicher Form. Schön wurde die pastorale Stimmung des 3. Satzes durch die entfernt postierte Oboe im Dialog mit dem Englischhorn gemalt. Im letzten Satz zogen die Musiker alle Ausdrucksregister. Der Vehemenz dieser Partitur sich zu entziehen, dürfte unmöglich sein und so geriet dieser Konzertabschluss zu einer wirkungsvollen Hommage an den bei uns noch immer zu wenig gespielten Franzosen in seinem 200. Geburtsjahr.
Der Beifall war herzlich, aber kurz.


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Programm:


Bedrich Smetana
Ouvertüre zur Oper Die verkaufte Braut

Felix Mendelssohn Bartholdy
Sinfonie Nr. 4 A - Dur op. 90 Italienische

Hector Berlioz
Symphonie fantastique op. 14



Münchner Philharmoniker
Leitung: Osmo Vänskä





Da capo al Fine

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