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Konzerthaus Dortmund
18. Januar 2003

Bochumer Symphoniker


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Menschliche Abgründe

Herzog Blaubarts Burg im Konzerthaus Dortmund

Von Monika Jäger


Das zweite Gastkonzert der Bochumer Symphoniker im Konzerthaus Dortmund widmete sich zwei ungarischen Werken, deren Atmosphäre gegensätzlicher kaum sein könnte, die in ihrer plakativen Ausdruckskraft jedoch aus demselben Fundus musikalischer Tradition schöpfen.
Mit der Ouvertüre und Suite Háry János von Zoltán Kodály begann der Abend heiter. Kurzweilige Episoden schildern die Abenteuer der ungarischen 'Münchhausen'-Figur und überzeichnen deren volkstümliche Charaktere. Diese Karikierungen, in musikalischen Gesten und tänzerischem Rhythmus von der ungarischen Sprache geprägt, blieben jedoch recht konturenlos. Bei der akkuraten, doch steifen Interpretation des Orchesters unter Steven Sloane konnte auch das volksmusikalische Kolorit des Cimbalon nicht darüber hinweg täuschen, dass das Ruhrgebiet nicht in Ungarn liegt. Das blieb den Zuhörenden während der zweiten Konzerthälfte auch sprachlich allzu bewusst, da die wenigsten Dortmunder des Ungarischen mächtig sind und das Konzerthaus im Gegensatz zum Opernhaus leider nicht über den Luxus simultaner Untertitelung verfügt.

Das Drama von Herzog Blaubarts Burg erschloss sich jedoch auch ohne Textverständnis und szenische Handlung über die eindeutige musikalische Programmatik Béla Bartóks wie über die ausdrucksstarke Körpersprache Jane Henschels als Judith.
In der Sage vom blaubärtigen Herzog münden Liebe, Schuld und besessene Wahrheitssuche in den menschlichen Abgrund. Die zahlreichen Adaptionen des Stoffes lassen ahnen, dass dieser symbolträchtige Gang durch die siebenfach verschlossene Seele nicht nur Béla Bartók persönlich berührt hat.

Herzog Blaubart führt Judith auf seine Burg, Sinnbild für die Festung seiner Seele, deren undurchdringliche Mauern ihr zur Falle werden. Sehenden Auges hat sie sich verführen lassen, vom Verlobten getrennt, denn sie liebt Blaubart wirklich. Er kann nicht lieben, was sie nicht wahrhaben will und in ihrer emotionalen Selbstüberschätzung zu ändern trachtet. Seine eigenen Warnungen stacheln nur ihren Eifer an und sie drängt in sein Reich. Doch seine Welt ist nicht nur fremd, sondern auch kalt. So kommt es wie es kommen muss, und verleitet von Sehnsucht, Vertrauen und Neugier öffnet Judith Tür um Tür auf dem Weg in die Wahrheit, der sie immer weniger gewachsen ist.
Blaubarts furchterregender Vergangenheit setzt sie die Euphorie eines Neuanfangs entgegen. Doch als er sich schließlich mitreißen lässt und ihr nach seinen Abgründen auch seine Reichtümer offenbart, wird ihr Entsetzen unüberbrückbar. Was er für Schätze hält, ist von Verwesung gekennzeichnet, die er selbst nicht sieht. Eine schmale Insel von Gemeinsamkeit findet sich alleine im Tränensee.
Judiths Angst kommt zu spät, ihr Aufbäumen verhallt ungehört. Während sie sich noch an den Hoffnungsschimmer eines realen Daseins klammert, hat Blaubart sie längst in dem Verlies seiner Erinnerung versenkt, gefangen in den Reihen früherer Frauen und gekrönt dadurch, dass er sie und das Geschehene verklärt. Judith zerbricht, einsam und erkaltet bleibt Blaubart zurück.

All das erzählt der Einakter komprimiert und ohne Umschweife, mit der Unaufhaltsamkeit, die diese Handlung treibt. Die Dichte der Komposition greift zweifach auf traditionelle Landesspezifika zurück: Zum einen in der Verarbeitung der musikalischen Folklore in ihrer "Gedrängtheit des Ausdrucks" (Bartók), zum anderen in der Entwicklung eines Rezitativ-Stils, der sich an Betonung und Phrasierung der ungarischen Sprache orientiert. Leitmotivik, melodische Konzentration in unisono-Passagen und markante rhythmische Strukturen geben der musikalischen Dramaturgie eine klare Linienführung.
Die Charaktere und Handlungsstränge erschließen sich außerdem über die deutliche Semantik der musikalischen Bausteine, die in der Interpretation des Abends von ausdrucksstarker Qualität war. Die Bochumer Symphoniker zielten auf maximale Aussagekraft, z.B. in der Schärfe der Dissonanzen als Ausdruck seelischer Zustände, in der Ausdifferenzierung gegensätzlicher Artikulationsweisen oder im Extrem des strahlend-schneidenden Orgel- und Orchesterklangs als Hoffnung Blaubarts auf Erlösung.
Integriert in diese Klangdichte verkörperten Jane Henschel und Tom Fox die Zerrissenheit und Entschiedenheit der beiden Charaktere sängerisch und mimisch eindrucksvoll. Die rein konzertante Aufführung bedeutete daher keinen Verlust an Intensität, sondern lenkte hingegen weg vom reduzierten Blick auf die Antagonisten hin zu der offenen Symbolhaftigkeit, auf die bereits der Prolog des Stückes zielt: "Auftaucht das alte Haus. Muss ich es nennen? Ihr werdet's tief in euch erkennen."


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Programm

Zoltán Kodály
Suite Háry János (1927)

Béla Bartók
Herzog Blaubarts Burg
Oper in einem Akt (1918)
Konzertante Aufführung
in ungarischer Sprache
Libretto: Béla Balázs



Jane Henschel, Judith
Tom Fox, Blaubart

Bochumer Symphoniker

Leitung: Steven Sloane







Da capo al Fine

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