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Konzerthaus Dortmund
25. Januar 2003

Deutsches Sinfonieorchester Berlin


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Altes und neues Pathos

Matthias Pintscher im Konzerthaus Dortmund

Von Gordon Kampe


Den Auftakt für ein furioses Konzert machte Rossinis unverwüstliche Ouvertüre zur Oper "Wilhelm Tell". In ihr wird der sprühende Witz des Meisters noch immer deutlich und entlockte, gefördert durch die quirlige Wiedergabe des Orchesters, dem Publikum ein kollektives Schmunzeln. Beeindruckend nicht nur der warme Klang der Solisten im ruhigen Einleitungsteil (Celli und Englischhorn - zauberhaft!), wahnwitzig die Präzision im abschließenden Geschwind-Marsch. So mancher Posaunist wird durch die berüchtigte Probespielstelle des Finales dem Wahnsinn mehrere Schritte nähergekommen sein - doch das Blech des DSO hielt tapfer durch!

Ähnlich schwere Blech-Geschütze auch in der Sinfonischer Dichtung "Les Préludes" von Franz Liszt. Ein Stück, das durch die von den Nazis missbrauchten Fanfare der letzten Minuten zu trauriger Berühmtheit gelangte. Der ungeheure Pathos eignete sich "hervorragend" um Sondermeldungen von der Front im Rundfunk einzuleiten. Kent Nagano verstand es durch zügige Tempi und präzise Phrasierung den Pathos zu zügeln und das Stück so wieder ohne Bauchschmerzen hörbar zu machen.

Ungebremstes Pathos begegnete dem Hörer allerdings in der Erstaufführung des jungen Komponisten Matthias Pintscher, der in dieser Saison Composer in Residence des Dortmunder Konzerthauses ist. "With lilies white - eine Fantasie für Orchester mit Stimmen" ist ein Requiem. Pintscher verwendet einerseits Texte des englischen Künstlers Derek Jarman, der 1994 an AIDS starb und sich künstlerisch offensiv mit der Krankheit auseinandersetzte. Im zweiten Teil des in Dortmund als europäische Erstaufführung erklungenen Stückes benutzt Pintscher ein Lied des englischen Renaissancemeisters William Byrd. Dessen Melodie setzt er für Solo-Celli und Knabensopran und versucht sie durch eigentümliche Instrumentation in die Gegenwart zu transformieren.
Pintscher, von vielen Seiten als Hoffnungsträger der Neuen Musik bezeichnet, war schon vor einigen Jahren ein Meister des breiten Pinselstrichs. Er weiß mit der häufig trägen Masse eines Orchesters fabelhaft umzugehen, Effekte zu setzen und scharfe Kontraste zu formulieren. Doch Pintschers geschliffenes Pathos ist im Ausdruck noch immer der Romantik verschrieben, und das scheinbar ohne Brüche. Der Einsatz der reinen, engelshaften Knabenstimme zum Ende des Stückes, das Wort "forever" aushauchend - ein derberer Allgemeinplatz ist schwer denkbar.
Pintscher beschreibt musikalische Räume, die er versucht zu komponieren. Inhalt dieser Räume in allen seinen Orchesterwerken ist immer wieder der gleiche Ausdruck von Klage, Schmerz und Traurigkeit - hervorgerufen aber durch uralte und gewohnte Affekte.

Einen viel frischeren und mutigeren, ja jüngeren Eindruck hinterließ dagegen Ludwig van Beethovens Siebte Sinfonie A-Dur. Trotz eines groß besetzten Orchesters schuf Kent Nagano eine erstaunliche Flexibilität und Durchsichtigkeit des Gesamtklangs. Gerade im exzessiven Finale kamen die verschiedenen Schichten der Komposition wunderbar zur Geltung. Bei aller kühl-analytischen Transparenz fehlte niemals der enorme Schwung, der dem gesamten Stück innewohnt. Dieser Schwung ließ Nagano am Ende sogar seinen Taktstock, niemals aber die Zügel verlieren.


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Programm

Gioacchino Rossini
Guglielmo Tell ("Wilhelm Tell")
Ouvertüre

Franz Liszt
Les Préludes
Sinfonische Dichtung
nach Lamartine


Matthias Pintscher
with lilies white -
fantasy for orchestra
with voices (2001)
(Europäische Uraufführung)


Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92


Deutsches Sinfonieorchester
Berlin

Kent Nagano, Dirigent







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