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Altes und neues Pathos Matthias Pintscher im Konzerthaus Dortmund
Von Gordon Kampe
Den Auftakt für ein furioses Konzert machte Rossinis unverwüstliche Ouvertüre zur Oper "Wilhelm Tell". In ihr wird der sprühende Witz des Meisters noch immer deutlich und entlockte, gefördert durch die quirlige Wiedergabe des Orchesters, dem Publikum ein kollektives Schmunzeln. Beeindruckend nicht nur der warme Klang der Solisten im ruhigen Einleitungsteil (Celli und Englischhorn - zauberhaft!), wahnwitzig die Präzision im abschließenden Geschwind-Marsch. So mancher Posaunist wird durch die berüchtigte Probespielstelle des Finales dem Wahnsinn mehrere Schritte nähergekommen sein - doch das Blech des DSO hielt tapfer durch! Ähnlich schwere Blech-Geschütze auch in der Sinfonischer Dichtung "Les Préludes" von Franz Liszt. Ein Stück, das durch die von den Nazis missbrauchten Fanfare der letzten Minuten zu trauriger Berühmtheit gelangte. Der ungeheure Pathos eignete sich "hervorragend" um Sondermeldungen von der Front im Rundfunk einzuleiten. Kent Nagano verstand es durch zügige Tempi und präzise Phrasierung den Pathos zu zügeln und das Stück so wieder ohne Bauchschmerzen hörbar zu machen. Ungebremstes Pathos begegnete dem Hörer allerdings in der Erstaufführung des jungen Komponisten Matthias Pintscher, der in dieser Saison Composer in Residence des Dortmunder Konzerthauses ist. "With lilies white - eine Fantasie für Orchester mit Stimmen" ist ein Requiem. Pintscher verwendet einerseits Texte des englischen Künstlers Derek Jarman, der 1994 an AIDS starb und sich künstlerisch offensiv mit der Krankheit auseinandersetzte. Im zweiten Teil des in Dortmund als europäische Erstaufführung erklungenen Stückes benutzt Pintscher ein Lied des englischen Renaissancemeisters William Byrd. Dessen Melodie setzt er für Solo-Celli und Knabensopran und versucht sie durch eigentümliche Instrumentation in die Gegenwart zu transformieren. Einen viel frischeren und mutigeren, ja jüngeren Eindruck hinterließ dagegen Ludwig van Beethovens Siebte Sinfonie A-Dur. Trotz eines groß besetzten Orchesters schuf Kent Nagano eine erstaunliche Flexibilität und Durchsichtigkeit des Gesamtklangs. Gerade im exzessiven Finale kamen die verschiedenen Schichten der Komposition wunderbar zur Geltung. Bei aller kühl-analytischen Transparenz fehlte niemals der enorme Schwung, der dem gesamten Stück innewohnt. Dieser Schwung ließ Nagano am Ende sogar seinen Taktstock, niemals aber die Zügel verlieren. |
ProgrammGioacchino RossiniGuglielmo Tell ("Wilhelm Tell") Ouvertüre Franz Liszt Les Préludes Sinfonische Dichtung nach Lamartine Matthias Pintscher with lilies white - fantasy for orchestra with voices (2001) (Europäische Uraufführung) Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 Deutsches Sinfonieorchester Kent Nagano, Dirigent
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