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Totenklagen und Hoffnungsschimmer Von Corinna Steinbach / Fotos: Wilfried Hösl & PR November - der Monat der Requiem-Aufführungen und Gedenkfeiern. Passend zur Jahreszeit hatten auch die Philharmoniker ihr Programm gewählt: Brittens Sinfonia da Requiem und Schostakowitschs 8. Sinfonie, beides Werke, die um die Thematik von Trauer und Leid, von Bedrohung durch Krieg und Terror kreisen. Nicht gerade eingängige Literatur, aber angesichts weltweiten Säbelrasselns hochaktuell. Schon die ersten Paukenschläge von Brittens Sinfonia machen dem Zuhörer eindringlich klar: Das wird kein gemütlicher Abend, an dem man sich in seinen Sessel zurücklehnt und zum Feierabend berieseln lässt. Bedrohlich klingen sie, unerbittlich in ihrem starren Rhythmus. Und weder die schmerzvoll-expressiven Passagen des Lacrymosa, noch die orgiastischen Ausbrüche im Totentanz des Dies-irae lassen locker in ihrem düsteren Ausdruck. Erst wenn am Ende im "Requiem aeternam" die Flöten ihr Thema bringen, schimmern Hoffnung und Verheißung durch. Britten schrieb die "Sinfonia da Requiem" zu Beginn des 2. Weltkrieges. Er lebte damals in den USA, als bekennender Pazifist war er freiwillig in die Emigration gegangen. Anlass zu diesem Werk war eine Aufforderung des japanischen Hofes an die großen Komponisten der Zeit, ein großes Orchesterwerk zur Feier des 2600jährigen Bestehens des Kaiserreichs zu schreiben. Was Britten im Juni 1940 allerdings ablieferte, entsprach so gar nicht den Vorstellungen der Japaner. Zu melancholich, zu wenig festlich, zu christlich war ihnen diese Musik und wohl auch ein zu starkes Plädoyer gegen den Krieg. Das Werk wurde abgelehnt und erst 1941 in New York uraufgeführt. Aus der gleichen Zeit stammt Schostakowitschs 8. Sinfonie - ein wenig gespieltes, monumentales Werk von über einer Stunde Länge. Es erzählt von Tod und Gewalt, aber auch von Hoffnung und Trost. Moralische Erbauung, die die Stalinisten eigentlich für die Zuhörer der Uraufführung am 4. November 1943 erwartet hatten, bietet diese Sinfonie mit Sicherheit nicht. Ähnlich wie Britten beginnt Schostakowitsch seine Werk mit der Schilderung grenzenlosen Leids, das bald übertönt wird vom grellen Geschrei der Blechbläser, von knallenden Trommeleinwürfen, von gigantischen, ins Nichts führenden Crescendi. Erst mit der langen Klage des Englischhorns am Ende des ersten Satzes findet die Musik wieder zur Besinnung - der Eindruck von Hoffnungslosigkeit aber legt sich nicht. Sarkastisch-groteske Überzeichnung durchzieht das scheinbar leichtere erste Scherzo, ein Rondo über den deutschen Foxtrott "Rosamunde". Lächerlich und schrill wirkt dieser Satz, wie das verzerrte Bild einer Spaßgesellschaft. Beklemmend auch das zweite Scherzo mit seiner banalen, stumpfsinnig-gestaltlos wirkenden Melodik, dem fast panischen Gerenne der Stimmen. Ruhiger, nachdenklicher der vierte Satz, eine Passcaglia über ein Bassthema, mit weit außeinander klaffenden Klangräumen, die in einen überraschenden C-Dur-Klang zu Beginn des letzten Satzes mündet. Wie Britten bietet Schostakowitsch nach all dem Düsteren endlich musikalischen Trost mit heiteren, weichen Themen und weist hoffnungsvoll in die Zukunft. Dass auch die nicht ungetrübt sein dürfte, deutet er mit einem Rückgriff auf das erste Motiv des Kopfsatzes an.
Schwere Kost, diese beiden Werke an einem Abend. Vor allem Schostakowitschs Sinfonie geht immer wieder an die Grenzen - an die technischen Grenzen der Musiker wie auch der akustischen Toleranz der Zuhörer. Die Münchner Philharmoniker, allen voran die hervorragenden Bläser, waren den Werken offenbar mühelos gewachsen.
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