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Brilliante Zweite Wiener Schule
Von Ralf Jochen Ehresmann
Das diesjährige Beethovenfest bietet in seinen 54 Veranstaltungen auch neun Orchesterkonzerte, die auch wieder den Schwerpunkt der Berichterstattung im Online Musik Magazin definieren. Unter diesen bot das Philharmonische Staatsorchester Hamburg sicherlich das mutigste Programm, da es das Motto dieser Festspielrunde "Beethoven und die Zweite Wiener Schule" ernst nimmt, dabei aber nicht "nur Beethoven" bringt, überhaupt auf altbewährte Zugnummern ganz verzichtet und stattdessen "nur" den anderen thematischen Schwerpunkt bedient, indem jedem der drei Vertreter des Neuen Wien je ein Programmteil gewidmet ist. Zunächst erklangen Weberns Sechs Stücke op.6 in einer unerhört zarten Aufführung, wogegen die anfängliche Unschärfe der Trompeten entschuldbar bleibt. Das schließt die immense Klimax in Stück IV ausdrücklich ein, die nur daher so organisch sich auftürmen konnte, ohne falsch und aufgesetzt zu wirken, weil vor- und hinterher der Rahmen stimmte. Hier wurde idealtypisch vorgeführt, welch ein misterioso entstehen kann, wenn ein großer Apparat tutti ppp spielt und dabei selbst der Gong so leise mitklingt, dass man sich fragen möchte, ob er wohl angehaucht oder -gestreichelt worden sein mag. Danach ergriff Dirigent Ingo Metzmacher das Mikrophon und gab die verheißene Werkeinführung, in deren Zusammenhang er auf das "geheime Programm" Bezug nahm, das Webern Schönberg einst übermittelt hat. Und da das Ganze in all seiner flüchtigen Hauchigkeit zusammen keine Viertelstunde gedauert hat, gaben Metzmacher und seine Hamburger ihre Zugabe gleich hier und wiederholten Weberns op.6 unmittelbar. Nach einer weiteren Einführung folgten Alban Bergs Bruchstücke aus Wozzeck, wo Berg einmal mehr seine "Fortsetzung der Romantik mit anderen Mitteln" betreibt. Konkret ging es um die Propagierung der neuen Oper noch vor deren Uraufführung auf dem Umweg über den Konzertsaal, welches Verfahren so ungewöhnlich nicht war. Der besondere lyrische Ton, ohnehin Bergs persönliches Merkmal innerhalb seiner Gruppe, schlägt auch hier wieder deutlich durch, und schon das 1.Bruchstück spielt souverän mit der Nähe heterogener Klangerzeugungen, denn das Umtata der Militärcapelle prägt, deren rhythmischer Schwung auch im Gesang vernehmbar bleibt und damit die Nähe zu den parallel entstehenden Schöpfungen des deutschen Musiktheaters - viel näher als beispielsweise zu Schönbergs Moses und Aaron - veranschaulicht. Allen 3 Meistern gemein: die Verweigerung der geschlossenen Form als Vorwegnahme der späteren Kritik am Werkbegriff führt zu offenen Schlüssen, deren Finalcharakter nach Abhandenkommen einer Schlusstonika ohnehin anderweitig herzustellen wäre, wofür Berg besonders gerne jenes unsagbar zarte Verklingen wählt, welches auch diesen Satz beenden durfte. Schönbergs Erwartung op.17, das er selbst als Monodram bezeichnet und dessen szenische Realisierung kaum anders als mit filmischen Mitteln denkbar scheint, wurde von Metzmacher als das erste komplett abstrakte Werk eingeführt, wie es am Klavier gar nicht komponierbar wäre, zumal die Farbigkeit der Orchesterklänge hier nicht mehr bloß variatives Stilmittel und somit rein akzidentell ist, sondern quasi als Vorwegnahme der Prinzipien seiner späteren Erben in der seriellen Schule ihrerseits mitzugestaltendes Parameter auf der Bedeutungsebene des Werkes selbst geworden ist. Fazit:
Von solchen Konzerten müsste es mehr geben, wollte man ernst machen mit dem Vorsatz, breitere Kreise an jene Musik heranzuführen, die "so fürchterlich neu", also noch nicht mal 100 Jahre alt ist.
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ProgrammAnton von WebernSechs Stücke op.6 Alban Berg Drei Bruchstücke aus Wozzeck Arnold Schönberg Erwartung op.17 Kristine Ziesinski, Sopran Philh.Staatsorchester Hamburg Leitung: Ingo Metzmacher
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