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Starke
Stimmen, doch stärkeres Orchester Konzertante Aufführung im Konzerthaus Dortmund
Von Martin Rohr
Anlässlich des 80. Geburtstages des Dirigenten Siegfried Köhler präsentierte das Konzerthaus Dortmund eine konzertante Aufführung von Richard Strauss´ Oper Elektra. Wie bereits in der zuvor entstandenen Oper Salome eine biblische, so steht hier eine antike Frauengestalt im Zentrum des Geschehens, die den Verlauf der Tragödie durch eine zwanghafte Fixierung bestimmt. Der antike Mythos über die Rache für den ermordeten Vater nach der Vorlage von Sophokles wird in der Textdichtung Hugo von Hofmannsthals zu einer tiefenpsychologischen Studie über wechselseitige Abhängigkeiten. Jegliche Aktion wird verschwiegen bzw. passiert im außerhalb der Bühne (die einzige wirkliche Aktion ist ja der Doppelmord Orests an Klythämnestra und
Aegisth). Das eigentliche Geschehen vollzieht sich nicht in sichtbaren Bühnenaktionen, sondern bezieht sich auf die persönlichen Verstrickungen der Charaktere. Diese Verstrickungen schlagen sich im dichten thematischen Geflecht des Orchestersatzes nieder, so dass das Orchester zu einer eigenständigen Größe im dramatischen Geschehen wird. Die nun in Dortmunder realisierte Aufführung allerdings konnte in dieser Beschränkung nicht restlos überzeugen. Sängerinnen und Sänger agierten auf einem schmalen Steg zwischen Orchester und Chorempore, sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand. Durch den begrenzten Rahmen beschränkte sich der Bewegungsspielraum auf eine schmale Querachse - man konnte sich des Eindrucks von im Käfig eingesperrten, immer am Gitter hin und her laufenden Raubtieren nicht erwehren. Soweit diese räumliche Beschränkung die psychische Situation der Charaktere widerspiegelt, die unentrinnbar in ein verhängnisvolles Beziehungsgeflecht gefangen sind, erscheint eine solche Bühnenanordnung schlüssig. Doch gerade durch diese eigentlich un-szenische Anordnung gelang es den Charaktere kaum, enger in Beziehungen zu treten. Das Beziehungsdrama vollzog sich in der Distanz zwischen den Darstellern, entsprechend richtet sich die Aufmerksamkeit weniger auf deren Interaktion als vielmehr auf die Ausdruckskraft der einzelnen Darsteller. So sind alle drei Hauptcharaktere (Elektra, Klythämnestra und
Chrysothemis) gewissermaßen in ihrer eigenen Welt gefangen. Dass diese Konzentration auf die einzelnen, isolierten Charaktere teilweise gelang, ist um so erstaunlicher, als gleich zwei Hauptrollen krankheitsbedingt ersetzt werden mussten. Siegmund Nimsgern wurde in der Rolle des Orest von Oskar Hillebrandt würdig vertreten. Für Luana DeVol übernahm die amerikanische Sopranistin Nadine Secunde den Part der Elektra. Gerade diese Besetzung wurde zum Glücksfall, da die zwanghafte Fixierung Elektras auf den Vater und ihr einziger damit verbundenen Lebenszweck - die Rache - durch ein entsprechend sparsames und gezielt eingesetztes Ausdrucksrepertoire deutlich wurde. Ein herausragendes Beispiel war die Geste, mit der Elektra dem Aegisth den Weg in diejenigen Gemächer wies, in denen er erschlagen werden sollte. In den stockenden Bewegungen offenbarte sich die unterdrückte Vorfreude auf den hinterhältigen Mord, der in der verzerrten Wahrnehmung Elektras als gerechte Rache erscheint. Äußerst ungünstig war die räumliche Anordnung vor allem aus sängerischer Sicht. Das stimmlich hervorragend besetzte Ensemble war in den lauteren Passagen oft gegen ein Orchester machtlos, das sich auf die besondere Tragfähigkeit des Orchesterklangs in diesem Raum scheinbar nicht eingestellt hatte. In der Konzentration auf einen großen, homogenen Gesamtklang sowie auf subtile Bewegungen im Orchestersatz gelang es Siegfried Köhler oft nicht, die nötige dynamische Disziplin einzufordern. Um so spannender war es, die dramatischen Entwicklung jenseits der Bühne im Orchester zu verfolgen. Viel klarer, als es für gewöhnlich im Orchestergraben zu hören ist, traten Widersprüche zwischen vordergründig Schönem und subtilen Abgründen hervor. Wenn zu Beginn des Dramas davon berichtet wird, wie Elektra geschlagen worden ist, so waren diese Schläge im Orchester auch ein visuelles Erlebnis. Unter der starken Präsenz des Orchesters hatte vor allem die Textverständlichkeit zu leiden. Dennoch bewiesen die Sängerinnen und Sänger große stimmliche Ausdruckskraft. Neben Nadine Secunde war es vor allem Reinhild Runkel in der Rolle der Klythämnestra, die die Zerrissenheit zwischen Liebe und Hass, zwischen Erlösungssehnsucht und Gewissenlosigkeit durch stimmliche Extreme deutlich hervortreten ließ. Ein wenig fragwürdig erscheint dagegen die Praxis, Stimmen hinter der Szene über Lautsprecher in den Saal zu übertragen. Das dadurch entstehende Klangbild wirkt wie ein synthetischer Fremdkörper und auch die Durchsetzungskraft des Chores wurde dadurch nicht wirklich gesteigert, zumal er keine eigentlich handlungsleitende Funktion hat. Es bleibt als Gesamteindruck festzuhalten, dass bei der konzertanten Umsetzung der Elektra durch die szenische Anordnung im Rahmen der konzertanten Aufführung eine gewisse auch emotionale Distanz zwischen dramatischem Geschehen und Publikum bleibt. Diese Distanz wäre sicher vorteilhaft, um die wechselseitigen Abhängigkeiten objektiv, gleichsam diagnostisch, erfassen zu können. Dazu hätte es aber eines besseren Textverständnisses bedurft. Dennoch gestattete die Musik durch die stärkere Präsenz des Orchesters und vor allem dank dessen differenzierter Ausgestaltung durch den Jubilar Siegfried Köhler neue, tiefere Einblicke. |
ProgrammRichard Strauss:Elektra Tragödie in einem Aufzuge op. 58 Libretto: Hugo von Hofmannsthal nach der Tragödie von Sophokles Elektra: Nadine Secunde Chrysothemis: Sivana Dussmann Aegisth: Sigfried Jerusalem Klythämnestra: Reinhild Runkel Orest: Oskar Hillebrandt Aufseherin: Elisabeth Lachenmann Erste Magd: Carolin Masur Zweite Magd: Hélène Rauch Dritte Magd: Michaela Mehring Vierte Magd: Cordula Berner Fünfte Magd: Uta Schwarzkopf Ein Junger Diener: Christoph Wittmann Ein alter Diener: Yan Lei Chen Sinfonischer Chor der Chorakademie Dortmund Staatsphiharmonie Rheinland-Pfalz Siegfried Köhler, Dirigent
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