Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Zur OMM-Homepage Konzert-Rezensionen-Startseite E-Mail Impressum



Konzerthaus Dortmund
24. Januar 2004

Operngala Renée Fleming


Homepage

Enttäuschte Erwartungen

Die amerikanische Starsopranistin Renée Fleming kann den grundsätzlich positiven Eindruck, den sie auf ihren zahlreichen Aufnahmen hinterlässt, live nicht bestätigen

Von Thomas Tillmann


Vielleicht war es doch ein Fehler, zur Vorbereitung auf die von vielen lang erwartete und tatsächlich ausverkaufte Operngala der Starsopranistin Renée Fleming fast alle ihrer zum Teil durchaus bemerkenswerten, wenn auch sicher nicht epochalen CDs zu kaufen, wochenlang kaum etwas anderes zu hören und so die eigenen Erwartungen hochzuschrauben.

Nicht, dass das Konzert der Amerikanerin schlecht gewesen wäre - als Tochter zweier Gesangslehrer und nach einer profunden Ausbildung an führenden Instituten weiß sie natürlich, wie man singt -, aber man war doch erstaunt, wie klein die sehr kultiviert geführte und zweifellos tonschöne, cremig-einschmeichelnde, aber wenig Individualität aufweisende, im ohnehin nur selten versuchten Forte schnell an hörbare Grenzen kommende Stimme ist, die für Studiobedingungen vermutlich ideal ist (und die als Hintergrundmusik bei einem Abendessen am festlich gedeckten Tisch auch den empfindlichen Gast nicht verstören würde), der aber live das gewisse Etwas fehlt, das wirklich Besondere, Charismatische, zum Zuhören Zwingende, das die Superlative rechtfertigen würde, denen sich die rührige Publicitymaschinerie ihrer Plattenfirma und die auf sie herein fallende Presse so hemmungslos bedient. Der "Stern" etwa hat Renée Fleming als "Diva de Luxe mit der schönsten Stimme der Welt" bezeichnet, wie man aus der Anzeige für das neue "Album" "By Request" im Programmheft erfährt (das neben den verkaufsträchtigsten alten Aufnahmen nur Strauss' "Cäcilie" und eine wenig überzeugende Version von Violettas großer Szene aus dem ersten Akt der Traviata als Neueinspielungen bietet), und auch sonst kann sich die Künstlerin vor Ehrungen kaum retten: 1998 begann Gianfranco Ferré ihre Bühnenkleider zu entwerfen, 2001 wurde die zweifache Grammy-Preisträgerin auf die Liste der "best-dressed" gesetzt, bereits ein Jahr vorher vom People Magazine zu den "25 faszinierendsten Menschen" des Jahres gewählt, 2002 avancierte sie zum Commandeur de l'Ordre des Arts et des Lettres der Republik Frankreich, 2003 wurde sie bei den Classical Brits Awards als Künstlerin des Jahres ausgezeichnet, im Mai 2003 mit der Ehrendoktorwürde der berühmten Juilliard School, und die amerikanische Schriftstellerin Ann Patchell hat ihr in dem durchaus lesenswerten Roman Bel Canto sogar ein literarisches Denkmal gesetzt. Da ist man froh, im Magazin des Konzerthauses Dortmund versichert zu werden, das dies alles "nur der schöne Rahmen um die Hauptsache" ist: Das nämlich ist "ihre betörende Gesangskunst, der herrliche Klang ihrer Stimme". Schade nur, dass das Betörende sich nach kürzester Zeit im Wesentlichen als Oberflächenreiz erweist und alles erschreckend nett und gleich klingt, ebenso wie die Künstlerin nur äußerst selten von einem freundlichen Lächeln Abstand nimmt, dass die wohldosierte Mischung aus sauberem "Girl next door"-Image und dem einstudiert wirkenden Glamour einer nie wirklich gefährlich werdenden Circe des 21. Jahrhundert vollendet abrundet. Ich jedenfalls sehnte mich nach diesen guten zwei Stunden des puren Wohlklangs schmerzlich nach einer "richtigen" Stimme mit Ecken und Kanten, die mehr als schöne Töne anzubieten hat und durch durchdachte, packende Interpretationen wirklich zu fesseln vermag.

Kommen wir zu den Details: Für Fiordiligis "Come scoglio" fehlt Flemings Sopran die Leichtigkeit und Präzision in der Koloratur, der Interpretin das dringend erforderliche Stilgefühl und das Vermögen, Noten und Text wirklich zu durchdringen und so zu einer Mozartdeutung jenseits des schönen Klangs zu finden - die vertrackte Arie ist mehr als eine Nummer zum Aufwärmen und zum Vorführen des persönlichen Stimmumfangs. Wie viele unterschiedliche Farben und Nuancen gelingen da etwa einer Elisabeth Schwarzkopf (und der Rezensent ist nicht der größte Fan dieser Künstlerin!), und mit Sängerinnen dieser Kategorie wird Renée Fleming von den Verfassern der Booklet-Artikel ihrer CDs nun einmal verglichen.

Massenets Manon hat die Sopranistin mit riesigem Erfolg an der Opéra Bastille gesungen, und sowohl auf der CD als auch auf der DVD, die der Besprechung harrt, klingt die Stimme voller und interessanter als in den beiden Ausschnitten, die für diese Gala ausgesucht wurden, namentlich das im Wesentlichen gehauchte "Adieu, notre petite table", bei dem Seufzer wirklichen Ausdruck ersetzen sollten. Und auch die Einleitung der Gavotte, in deren Verlauf sie mit raumgreifenden Divagesten zweimal Zwischenapplaus provozierte, nutzte die Solistin wie die Mehrheit der gegebenen Titel im Wesentlichen zur Demonstration ihrer tadellosen Pianokultur und vollendeter Diminuendi, die ich bald ebenso leid wurde wie das übertriebene, letztlich unmusikalische Aushalten von gelungenen Tönen über die notierte Zeit hinaus. Die Spitzentöne indes gerieten sehr schlank und nicht ohne Schärfe und waren mitunter auch etwas zu tief, und überhaupt hatte ich besonders die obere Lage von den Aufnahmen her strahlender und üppiger in Erinnerung.

Auch im Monolog der Marschallin blieb die Fleming trotz einiger Rollenerfahrung (sie sang die Partie in Houston und Paris) und engagiertem Beginn reichlich blass, rhythmisch vage, textlich unpräzis (so heißt es etwa "in den heiligen Ehestand", nicht "in dem", was einem gewissenhaften Coach hätte auffallen können) und meilenweit entfernt von den "hinreißenden Leistungen", die ihr "einen unumstrittenen Platz in der königlichen Reihe der Strauss-Sopranistinnen" sichern könnten, wie es der Verfasser des Begleittextes zu ihrer Strauss-CD fordert; auch in diesem bewegenden Auszug sah man sich in erster Linie mit einer Stimmbesitzerin konfrontiert, die dem schönen, effektvollen Ton alles opferte und die dezenten Wohlklang bot, wo Persönlichkeit und Tiefgang im Nachdenken über die Vergänglichkeit gefragt gewesen wäre. Im den ersten Teil beschließenden "Cäcilie" schließlich freute man sich über einige berückende Töne in der Mittellage, weniger über das viel zu laut pauschalen Strauss-Jubel verbreitende Orchester.

Im zweiten Teil schlachtete die Sopranistin Laurettas primadonnenhaft zerdehntes "O mio babbino caro" ebenso wie Wallys durch manchen melodramatischen Seufzer durchsetztes "Ebben? ne andrò lontano" allein zum Vorführen ihrer zweifellos beeindruckenden messa-di-voce-Qualitäten aus, und so bemerkenswert mancher fil-di-voce-Effekt auch gelang: Zur Charakterisierung dieser beiden Frauengestalten trug ein derart selbstverliebt-eitler, kein bisschen auf Text und Musik abgestimmter Vortrag nicht bei. Die beste Leistung des Abends war für mein Empfinden der Ausschnitt aus André Previns 1998 in San Francisco mit Renée Fleming als Blanche uraufgeführte Tennesse-Williams-Oper A Streetcar Named Desire mit der symptomatischen Textzeile "Magic's what I try to give to people. If that's a sin, ... let me be ... damned for it!". In dieser Musik, die Opern-, Musical- und Jazz-Elemente verbindet, und in ihrer Muttersprache scheint die Künstlerin sich einfach mehr zuhause zu fühlen als im "klassischen" Repertoire, auf das sie mit dem letzten angekündigten Titel zurückkam: Rusalkas ebenfalls unnötig in die Länge gezogenes Lied an den Mond ist inzwischen zum Markenzeichen der Sopranistin geworden, ohne dass mir einleuchtete, warum dies so ist.

Nachdem das Publikum sich spätestens bei Puccini warm geklatscht hatte - es ist doch immer wieder schön, die aus der Werbung und von Opern-Samplern bekannten Titel bei einem solchen Event wieder zu erkennen und diesen Umstand mit frenetischem Beifall und Bravorufen zu feiern! -, ließ sich der Star gern zu vier Zugaben überreden, von denen mir das berühmte "Summertime" aus Porgy and Bess am besten gefiel, denn hier konnte die Solistin ihre Jazz-Erfahrung wirklich werkdienlich ausspielen, hier waren endlich auch textliche Nuancen zu bewundern, hier war das Scooping stilistisch richtig. Die Fans freuten sich auch über ein sehr glattes, ohne das Raffinement der großen Interpretinnen der Adriana Lecouvreur, dafür aber mit gehauchten Schlussphrasen gegebenes "Io son l'umile ancella", ein vorwiegend gesäuseltes und jazzig ausgeziertes, arg kitschig arrangiertes "Over the Rainbow" und ein sehr allgemeines "Morgen" vom Lieblingskomponisten Richard Strauss.

Begleitet wurde die Diva von den 1990 aus dem vor allem durch sein Engagement im Bereich der Filmmusik bekannten Symphonie-Orchester Graunke hervorgegangenen Münchner Symphonikern unter der Leitung des große Gesten und Effekthascherei favorisierenden, stilistisch reichlich ahnungslosen und sich ganz den Wünschen der Solistin unterwerfenden Patrick Summers, den La Fleming von ihren Auftritten an der Houston Grand Opera kennt, an der sie 1988 als Figaro-Gräfin ihren Durchbruch hatte und an der der Dirigent seit einigen Jahren Music Director ist, und mit dem sie auch bereits einige Aufnahmen und Konzerte (etwa im vergangenen Dezember in New York und Philadelphia) gemacht hat. Das Orchester erwies sich entgegen anders lautender Behauptungen im Programmheft keineswegs als Klangkörper der ersten Kategorie: In Erinnerung bleiben die unsäglich schluchzenden, süßlichen, beinahe jede Nummer verkitschenden Violinen (am schlimmsten war es wohl in der wenig bedeutenden, ziemlich kunstgewerblich tönenden Korngold-Pièce), die mangelnde Transparenz, Präzision und Delikatesse bei Mozart, die deftigen Akzente bei vielem anderen, die polternde Lautstärke, wenn einmal nicht auf den Star Rücksicht zu nehmen war. In ihrem Element waren Kollektiv wie Leiter trotz unsauberer Anfangstakte eigentlich nur in der mitreißenden Barber-Ouvertüre.

Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Programm

Wolfgang Amadeus Mozart:
Ouvertüre aus
Der Schauspieldirektor, KV 486

Wolfgang Amadeus Mozart:
"Come scoglio"
Arie der Fiordiligi
aus Così fan tutte, KV 588

Jules Massenet:
Mélodrame (Le sommeil de Desdemona)
aus der Suite für Orchester Nr. 3
(Scènes dramatiques d'après Shakespeare)

Jules Massenet:
"Adieu, notre petite table"
Arie der Manon
und Gavotte aus Manon

Erich Wolfgang Korngold:
Vorspiel und Serenade
aus der Ballett-Pantomime
Der Schneemann

Richard Strauss:
"Da geht er hin"
Monolog der Marschallin
aus Der Rosenkavalier

Richard Strauss:
Cäcilie, op. 27 Nr. 2
(Orchesterfassung von Richard Strauss)


Giacomo Puccini:
Intermezzo aus dem 3. Akt von
Manon Lescaut

Giacomo Puccini:
"O mio babbino caro"
Arie der Lauretta
aus Gianni Schicchi

Alfredo Catalani:
"Ebben? Ne andrò lontano"
Arie der Wally
aus La Wally

Samuel Barber:
The School for Scandal
Ouvertüre für Orchester, op. 5

André Previn:
"I want magic"
Arie der Blanche aus
A Streetcar Named Desire

Antonin Dvorak:
"Mesicku na nebi hlubokem"
Rusalkas Lied an den Mond
aus Rusalka



Renée Fleming, Sopran

Münchner Symphoniker

Patrick Summers, Dirigent






Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Konzert-Rezensionen-Startseite E-Mail Impressum

© 200$ - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
Email: konzerte@omm.de

- Fine -