Veranstaltungen & Kritiken Konzerte |
|
|
Nah am Personenkult
Von Martin Rohr Man mag zu den gängigen Vorstellungen historischer Aufführungspraxis stehen wie man will. Auch Puristen müssen zugeben, dass die Interpretation barocker Arien von Händel und Vivaldi durch Vesselina Kasarova an stimmlicher Qualität und Ausdruckstiefe kaum zu überbieten sind. So geschehen im Konzerthaus Dortmund. Gemeinsam mit dem Münchener Kammerorchester unter der Leitung von Christoph Poppen rief die bulgarische Mezzosopranistin, die bereits in der ersten Spielzeit im Konzerthaus zu Gast war, beim Dortmunder Publikum eine Begeisterung hervor, die nahe am Personenkult war. Im Zentrum der ersten Hälfte stand Antonio Vivaldis Psalmvertonung „Nisi Dominus“. Die neun kurzen Sätze weisen nicht nur formal und in der Instrumentation des Orchestersatzes eine ungeheure Vielfalt auf. Auch in Ausdrucksgehalt und Stimmbehandlung stellen sie höchste Anforderungen an Flexibilität und Vielseitigkeit der Interpretin. Schon hier erwies sich Vesselina Kasarova als außergewöhnliche Bühnenpersönlichkeit, die auch gestische und mimische Mittel zu nutzen weiß um die Musik zu beleben und das Konzertpodium zur dramatischen Bühne werden zu lassen. Dies sei jedoch nicht missverstanden als vordergründige Show. Die virtuosen Koloraturen, die ungeheure weite des tiefen Stimmregisters oder der tief tragische Ausdruck im „Gloria Patri“ sprechen für sich und lassen vor dem inneren Auge des Hörers vielschichtige Bilder entstehen, die ihre Entsprechung in der Bühnenpräsenz von Vesselina Kasarova finden. Auch in Hosenrollen von Mozart und Händel überzeugte Vesselina Kasarova. In den beiden Arien aus Mozarts Opera seria „Mitridate“ vollzog sie eindrucksvoll die Wandlung des Farnace vom rachsüchtig rasenden zum einsichtig um Vergebung bittenden Sohn nach. Dies galt um so mehr, da sie das Publikum durch ihre Bühnenpräsenz in einen ununterbrochenen Dialog einbezog. Eine besondere Innigkeit erreichte sie in der Figur des Ariodante aus Händels gleichnamiger Oper, in der der Titelheld die vermeintliche Untreue seiner Geliebten beklagt und beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen. In schlichten, leisen Tönen gelangte Vesselina Kasarova zu einer Ausdruckstiefe, die das existenzielle Leid des Helden lebendig werden lässt. Dabei entspann sich ein intensiver Dialog mit dem obligaten Fagott, was als Beispiel für die hervorragende Unterstützung durch das Münchener Kammerorchester gelten mag. Unter Leitung von Christoph Poppen erwies es sich als sensibler Begleiter, der die feine stimmliche Ausdeutung der Solistin durch ebenso differenzierte und detaillierte Ausdeutung des Orchesterparts unterstützte. Auch in der den Abend eröffnenden Sinfonie Nr. 29 von Wolfgang Amadeus Mozart zeigte sich diese besondere Liebe zum Detail, die sich in sehr gezieltem Einsatz von Bläsern und weichen Eleganzen Abphrasierungen zeigte. Insgesamt war das Orchester ein starker Partner für eine starke, außergewöhnliche Bühnenpersönlichkeit, die zurecht vom Dortmunder Publikum mit Begeisterungsstürmen gefeiert wurde. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Vesselina
Kasarova Sopran Münchener Kammerorchester Christoph Poppen Dirigent Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 29 KV 201 A-Dur Antonio Vivaldi Nisi Dominus RV 608 Wolfgang Amadeus Mozart "Mitridate, Re di Ponto" KV 87/74 Arie Nr. 6 "Venga pur, minacci e frema" (Farnace) Arie Nr. 24 "Già dagli occhi il velo è tolto" (Farnace) Georg Friedrich Händel Ariodante, HWV 33 Arie Nr. 15: Ballo Arie Nr. 20: "Scherza infida in grembo al drudo" (Ariodante) Georg Friedrich Händel "Giulio cesare", HWV 17 Sinfonia Georg Friedrich Händel Ariodante, HWV 33 Arie Nr. 37: "Dopo notte, atra e funesta" (Ariodante)
|
© 2005 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: konzerte@omm.de
- Fine -