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Unbeschreibliche Glücksgefühle
Von Gerhard Menzel Unter den vielen musikalischen Sternstunden, die das Konzerthaus Dortund seit seiner Eröffnung im September 2002 inzwischen erlebt hat, gehörte dieser Abend mit Cecilia Bartoli und dem Freiburger Barockorchester sicherlich zu den allerglänzendsten. Es gibt wahrscheinlich Niemanden (der dieses Konzert miterlebt hat), der diesen phänomenalen Abend je vergessen wird. Es gibt viele schöne Stimmen, auch mit ausgezeichneter Technik, musikalischer Ausdruckskraft und bewusster Textgestaltung. Die Stimme von Cecilia Bartoli zeichnet sich allerdings durch ein einzigartiges Gleichgewicht von allem aus. Das tiefe Register ist ebenso präsent und wohlklingend wie die tragfähige Mittellage und die leicht ansprechende und flexible Höhe, bei der es keinerlei herausbrechende (laute, spitze oder angestrengte) Töne gibt. Ausserdem ist bei ihr an keiner einzigen Stelle ein Registerwechsel hörbar. Fastzinierend ist auch ihre stupende Technik, die überhaupt keine Gedanken an etwaige schwierige Passagen aufkommen lässt. Eigentlich ist dieses Zusammenspiel von Technik, Ausdruck und Gestaltung nur als Einheit zu betrachten. Alles ist - Dank ständigen, konzentrierten und effektiven Lernens - in ihr vereint und überträgt sich - zusammen mit ihrer sofort in ihren Bann ziehenden Persönlichkeit, Gestik und Mimik - unmittelbar auf das Publikum und bezieht es damit auch in ihre Präsentation mit ein. Simon Fowler, © Decca
Schon bei den ersten Tönen wirkt der Zauber. Der Ausdruck der Stimme vermittelt genau die Stimmung des Textes, wobei die Deklamation nicht nur verständlich ist (auch im Italienischen gibt es durchaus Konsonanten!), sondern von ihr auch noch nach den kleinsten Stimmungsnuancen differenziert wird. Neben Antonio Caldara standen noch Kompositionen von Alessandro Scarlatti und Georg Friedrich Händel auf em Programm, das ausschließlich oratorischen Werken vom Beginn des 18. Jahrhunderts in Rom gewidmet war. Da in dieser Zeit Opernaufführungen vom Papst verboten waren, erlebte das römische Oratorium eine regelrechte Blütezeit. Da in ihm jedoch jegliche Bühneneffekte fehlten, mussten die Affekte allein durch die Musik dargestellt werden - und das noch intensiver als in der Oper. Dieses kann Cecilia Bartoli in ganz außerordentlicher Weise. Dabei singt sie nicht einfach eine Partie oder Arie perfekt, sondern sie verwandelt sich in die jeweils agierende Person oder Figur, wobei es ihr zudem gelingt, auch das Publikum in die jeweilige Situation emotional mit hineinzuziehen. Es ist ausserdem ein nicht hoch genug anzuerkennender Wesenzug von Cecilia Bartoli, sich auf ein Repertoire zu konzentriern, das genau ihren stimmlichen Möglichkeiten entspricht und sich nicht auf (sicherlich oft angebotene) Partien einzulassen, die sie zwar bewältigen könnte, aber auf Dauer zu stark beanspruchen würden. So wird sie noch lange ungetrübte "Höchstleistungen" vollbringen können und das Publikum mit vielen weiteren "Unbekannten" aus einer musikalisch sehr reichen Epoche beglücken. So sind dann auch der begeisterte Jubel und die wirklich von Herzen kommenden Ovationen zu verstehen, die Cecilia Bartoli immer wieder auslöst. In Dortmund bedankte sie sich mit einer Reihe exklusiven Zugaben. Für den allerletzten Hochglanz des Abend sorgte das Freiburger Barockorchester - ein kongeniales Ensemble der exzellentesten Musiker. Sie erwiesen sich nicht nur in den reinen Instrumentalwerken des Abends als absolutes Spitzenensemble, sondern auch das aufmerksame und feinfühlige Musizieren mit Cecilia Bartoli ging weit über das hinaus, was üblicher Weise unter "Begleitung" verstanden wird. Der gegenseitige Augenkontakt war jederzeit gegeben und die kleinsten Gesten und Regungen wurden sofort musikalisch umgesetzt. Das gemeinsame Harmonieren miteinander ermöglichte dadurch ein musikalisch-emotionales Ereignis, das wirklich nicht alle Tage zu erleben ist. Musik kann nicht überzeugender, lebendiger und ergreifender interpretiert werden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Cecilia Bartoli (Mezzo-Sopran) Freiburger Barockorchester Alessandro Scarlatti "Qui resta L'Alta Roma", Rezitativ und Aria der Carità aus "San Filippo Neri" Antonio Caldara "Vanne pentita", Arie der Santa Eugenia aus "Il Trionfo dell'Innocenza" "Sparga il senso", Arie der Flavia aos "La Castità al Cimento" Ouverture zu "Santa Francesca Romana" Alessandro Scarlatti "Caldo sangue", Arie der Ismaele aus "Sedecia, re di Gerusalemme" "Ahi qual cordoglio Doppio affetto", Rezitativ und Arie der Ismaele aus "Sedecia, re di Gerusalemme" G. F. Händel Ouverture zu "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" HWV 46a G. F. Händel "Chiudi, chiudi", Arie der Piacere aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" "Lascia la spina", Arie der Piacere aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" "Come nembo che fugge col vento", Arie der Piacere aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" Arcangelo Corelli Concerto grosso in F op.6 no.12 Antonio Caldara "Ahi quanto cieca Come foco alla sua sfera", Rezitativ und Arie der Imperatrice (the Empress) aus "Il Martirio di Santa Caterina" "Sì, piangete, pupille dolenti" Arie der Santa Francesca aus "Santa Francesca Romana" G. F. Händel Sonata aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" "Un leggiadro giovinetto", Arie der Piacere aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" "Io sperai trovar nel vero", Arie der Bellezza aus "Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" "Disseratevi, o porte d'Averno" aus "La Resurrezione" HWV 47
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