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Kirchenmusik im Konzertsaal
Von Annika Senger Mit den Berliner Barocksolisten in der Philharmonie trifft Kirche auf Konzertsaal. Die vier im Programm enthaltenen Kantaten komponierte Johann Sebastian Bach nämlich sowohl als Konzertmeister in Weimar als auch als Thomaskantor in Leipzig für den gottesdienstlichen Gebrauch. Sie verstärkten einerseits die Lesung, andererseits die Predigt. Auf ein heutiges Konzertpublikum wirken die geistlichen Texte über moralisch- religiöse Selbstreflexion aber eher befremdlich. Man könnte bei der Lektüre der Dichtungen des Darmstädter Hofpoeten Georg Christian Lehms, aus denen Bach den Text seiner Kantate "Mein Herze schwimmt im Blut" entnahm, einen Kulturschock erleiden: "Mein Herze schwimmt im Blut,/ weil mich der Sünden Brut/ in Gottes heilgen Augen/ zum Ungeheuer macht." Solche Verse passen im Jahr 2007 nach Christus nicht unbedingt in ein weltliches Konzerthaus. Erst das Schlusslicht des Abends, die Kantate "Ich geh und suche mit Verlangen" könnte auch bei einem nicht-religiösen Publikum mit ihrem Text auf offene Ohren stoßen: Dieser Dialogus für Bassbariton und Sopran ist ein Liebesduett zwischen Braut und Bräutigam, was auf den ersten Blick weltlich erscheint. Im theologischen Kontext handelt es sich aber um einen Liebesdialog zwischen der Kirche und Jesus Christus: "Ich bin herrlich, ich bin schön, meinen Heiland zu entzünden." Sopranistin Dorothea Röschmann präsentiert Bachs Werke mit durchdringend dramatischer Charakterstimme - fast eine Spur zu opernartig emotional für barocke Musik. Sie verfügt über einen breiten Stimmumfang, so dass sie selbst in der Altlage volle, runde Töne produziert. Die Texte sind zwar unverständlich artikuliert, was allerdings der Schönheit von Röschmanns Interpretation keinen Abbruch tut. Auch Grammy-Gewinner Thomas Quasthoff zieht das Publikum in seinen Bann: Er besticht mit schlanker, präziser Stimmführung und verfügt trotz Bassbariton-Lage über ein helles Timbre, was seinem Gesang bei höheren Passagen eine tenorartige Färbung verleiht. Einziger Kritikpunkt: Seine Koloraturen sind voller störender H's. Im Laufe des Konzerts verringert sich dieses Problem jedoch deutlich. Im Orchester nimmt Christian Hommel an der Oboe virtuos eine tragende Rolle ein. Nach zwei Stunden Basso continuo ist man dennoch froh, sich bald schlafen legen zu können
Kirchenmusik ist in der Philharmonie zwar fehl am Platze, doch die Solisten sollte man gehört haben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Rainer Kussmaul Violine und Leitung Wolfram Christ Viola d'amore Maurice Steger Blockflöte Christian Hommel Oboe Dorothea Röschmann Sopran Thomas Quasthoff Bassbariton Johann Sebastian Bach "Ich will den Kreuzstab gerne tragen" Kantate für Bassbariton, drei Oboen, Streicher und Basso continuo BWV 56 "Mein Herze schwimmt im Blut" Kantate für Sopran, Oboe, Fagott, Streicher und Basso continuo BWV 199 "Tritt auf die Glaubensbahn" Kantate für Sopran, Bassbariton, Blockflöte, Oboe, Viola d'amore, Gambe und Basso continuo BWV 152 "Ich geh und suche mit Verlangen" Kantate (Dialogus) für Sopran, Bassbariton, Oboe d'amore, Streicher, Orgel und Basso continuo BWV 49
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