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Die Ruhe selbst ...
Von Annika Senger / Fotos: InnoArtistico Für knapp zwei Stunden entführt ein Klavierpoet das Publikum im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie ins Reich samtig lyrischer Klänge: Der 1964 im bulgarischen Varna geborene Vesselin Stanev betritt die Bühne wie die Ruhe selbst - genauso gestaltet er auch seinen Auftritt: introvertiert in sich ruhend. Seine eigene Persönlichkeit stellt der Absolvent des Moskauer Tschaikowsky-Konservatoriums in beiden Programmhälften in den Hintergrund und lässt allein die Musik sprechen.
In der Natur schöpft Er beginnt mit Franz Liszts Klavierbearbeitung von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge für Orgel in a-moll (BWV 543). Mit seinem weichen Anschlag und der Leichtigkeit, mit der Stanevs Finger über die Tasten schweben, gestaltet er auch virtuose Läufe wie ein scheinbar müheloses Kinderspiel. Was seiner Interpretation allerdings fehlt, sind dramatische Steigerungen: Sowohl das Präludium, als auch die Fuge plätschern meditativ dahin wie ein Gebirgsbach. Erst am Ende der Fuge fängt dieses Wasser ein wenig an zu tosen, ausgelöst aber lediglich durch die kräftigen Bässe, die das Pedal einer Orgel imitieren. Aus Joseph Haydns Sonate Nr. 52 in G-Dur entwickelt Stanev einen verspielten Tanz seiner Hände, der interpretatorisch ebenfalls eine Spur zu verhalten wirkt. Vor ihrem Höhepunkt neigt er dazu, temperamentvolle Phrasen abzubremsen und verfrüht Lautstärke zu reduzieren. Im Adagio kommen diese Crescendi und Decrescendi verstärkt zum Einsatz, sind dort allerdings passender, denn der Charakter der Musik verlangt Dynamik mit leiseren Tönen. Das Prestissimo gleitet dahin wie ein glasklarer Fluss aus sphärisch zarten Tönen. Große Fingerfertigkeit gepaart mit der Empfindsamkeit des Künstlers bereitet dem Publikum ein einschmeichelnd besinnliches Hörvergnügen, das manch einer womöglich als zu nett wahrnehmen könnte. Die Ruhe im Spiel istfür Vesselin Stanev essentiell.
Bei Franz Schuberts Sonate in A-Dur (op. Posth. 120) verhält es sich ähnlich: Stanevs Spiel glänzt durch meisterhafte Beherrschung des Instruments. Sobald sich jedoch nur der Ansatz eines Temperamentsausbruchs abzeichnet, wird dieser gediegen zurückgenommen - selbst wenn der Zuhörer einen Kraftschub erwartet. Nach der Pause schmückt Stanev seine Darbietung schließlich mit größerem Facettenreichtum. Die acht Klavierstücke von Johannes Brahms (op. 76) schreien geradezu nach interpretatorischer Abwechslung! Es scheint, als habe sich der Künstler seine Kraft bis zum Ende aufgespart, insbesondere für Liszts Ungarische Rhapsodien (Nr. 13 in a-moll und Nr. 8 in fis-moll): Anfangs noch mit Leidenschaft und griffigen Akzentuierungen geizend, zündet er zum Schluss ein pianistisches Feuerwerk, das überwältigenden Ausdruck und virtuose Perfektion vereint. Fazit: Stanev streichelt die Tasten lieb und zärtlich - häufig auch dann, wenn die Kompositionen kräftiges "Zupacken" erfordern. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Vesselin Stanev
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