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Spanisches Temperament und himmlische Celloklänge Von Gerhard Menzel Die derzeitige Tournee des Orquesta Nacional de Espana führte (außer nach Hannover, Bielefeld, Köln, Frankfurt und Wien) auch in die Tonhalle nach Düsseldorf. Obwohl das Orchester ursprünglich schon 1938 von der Regierung gegründet wurde, gab es erst 1942 als Orquesta Nacional de España sein erstes offizielles Konzert in Madrid. Seitdem wurde es von so berühmten Dirigenten wie Sergiu Celibidache, Carlo Maria Giulini, Zubin Mehta oder Claudio Abbado geleitet. Es gastierte nicht nur in Spanien, sondern auch in renommierten Konzerthäusern der meisten europäischen Länder und sogar in Japan, Hong Kong, den Vereinigten Staaten und vielen iberoamerikanischen Ländern. Neben seinem weitgefächerten Repertoire gab es auch immer wieder Uraufführungen spanischer Komponisten.
Nach Chefdirigenten wie beispielsweise Rafael Frühbeck de Burgos (seit 1998 Ehrendirigent des Orchesters), Jesús López Cobos und Aldo Ceccato, liegen die Geschicke des Orchesters derzeit in den Händen von Josep Pons. In Düsseldorf präsentierten Josep Pons und das Orquesta Nacional de España ein sehr unterhaltsames Programm mit spanischer Musik bzw. spanisch gestimmten Kompositionen französischer Komponisten. Maurice Ravels Affinität zur spanischen Musik, der sich als geborener Baske seiner zweiten Heimat ganz besonders verbunden fühlte, spiegelt sich nicht nur in der trotz der Tanzrhythmen und folkloristischen Anklängen eine melancholisch-düstere Stimmung verbreitenden Rhapsodie espagnole (1908) wieder, sondern auch in seiner hier gespielten Orchesterfassung (1918) des Alborada del gracioso (Morgengesang des Narren) das er zunächst als virtuoses Klavierstück (1905) komponiert hatte. Bei der Orchestrierung der Klavierkomposition lehnte sich Ravel stark an den Klang des Klaviers an, was er durch ein ausgeprägtes Pizzikato-Spiel der Streicher sowie eines differenzierten Einsatzes der Bläser und des Schlagwerks erreichte. Josep Pons und das Orquesta Nacional de España versprühten hier spanisches Kolorit nicht nur mit großer Brillanz und Virtuosität, sondern legten auch ausgesprochenen Wert auf die differenzierte Ausgestaltung des Reichtums an dunklen Farben. Dabei begeisterte das Orchester nicht nur durch prunkvolles Auftrumpfen, sondern ebenso durch sein sensibles Begleiten bis hinein ins leiseste Pianissimo ohne klangliche Verluste. Sensibles und ausdrucksvolles Spiel zeichnete auch die Interpretation von Sol Gabetta aus, die das Konzert für Violoncello und Orchester d-Moll (1877) von Édouard Lalo der spanische Vorfahren hatte und in seinen Werken europäisches Formempfinden auch durch folkloristische Elementen bereicherte zu einem ganz großen musikalischen Ereignis werden ließ. Sol GabettaFoto: Tonhalle Düsseldorf
Die 1981 als Tochter französisch-russischer Eltern in Cordoba, Argentinien, geborene Sol Gabetta, ist aufgeschlossen, blitzgescheit und spricht nebenbei fließend sechs Sprachen. Im Kindergarten Cordobas sang Sol mit Begeisterung im Chor. Bis zum Alter von acht Jahren nahm sie sowohl mit der Violine als auch mit dem Violoncello an Jugendwettbewerben teil. Letztendlich entschied sie sich dann aber doch für das Cello. Von 1992 bis 1994 war sie Stipendiatin an der «Escuela Superior de Musica Reina Sofia» in Madrid. 1994 wechselte in die Schweiz an die Musikakademie Basel (wo sie seit 2005 auch selbst unterrichtet). Bereits als Zehnjährige gewann sie ihren ersten Wettbewerb in Argentinien und erhielt seitdem viele Auszeichnungen, u. a. beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau, beim ARD-Wettbewerb in München und den Natalia-Gutman-Preis. 2004 erregte sie internationales Aufsehen, als sie bei den Luzerner Festspielen als Gewinnerin des «Crédit Suisse Young Artist Award» ihr Debüt mit den Wiener Philharmonikern unter Valery Gergiev gab. Sol Gabetta war zu Gast bei renommierten Sommerfestivals wie dem Kissinger Sommer, der Schubertiade, den Ludwigsburger Schlossfestspielen, den Musiktagen in Hitzacker. Sol Gabetta gibt aber nicht nur Konzerte, sondern hat in diesem Sommer in Olsberg (in der Nähe von Basel), wo sie lebt, sogar ihr eigenes Festival gegründet. Unter dem Namen "SOLsberg" soll es von nun an jährlich im ehemaligen Kloster Olsberg stattfinden. Zu ihren wichtigsten Kammermusikpartnern gehören Henri Sigfridsson, Baiba und Lauma Skride sowie Patricia Kopatschinkskaja. Die Meisterschülerin von David Geringas bei dem sie ihr Studium an der Hanns Eisler Musikhochschule in Berlin vor kurzem mit dem Konzertexamen beendet hat .spielt Dank eines großzügigen privaten Stipendiums von Hans K. Rahn auf einem der seltenen und kostbaren Violoncelli von Giovanni Battista Guadagnini aus dem Jahr 1759. Dabei sieht sie sich nur als Medium für dieses Instrument, dass eigentlich von sich aus spiele. Josep Pons und Sol GabettaFoto: Gerhard Menzel
Und die Töne, die Sol Gabetta diesem herrlichen Instrument entlockt, sind wirklich berückend und ergreifend. So einen ausgewogenen Klang und ein über das ganze Tonspektrum hinweg wohlklingendes und gleichbleibendes Timbre kann man nicht allzu oft hören und erleben, was sich gerade bei Édouard Lalos sehr auf den tiefen Klangbereich des Cellos konzentrierten Konzert sehr positiv ausnimmt. Hinzu kommt noch die ausgesprochen feinfühlige, unverkrampfte und gesanglich anmutende Art, mit der sie anscheinend immer auf der Suche nach einem besonderen, warmen Klang phrasiert und diesem edlen Instrument die Töne entlockt. Sol Gabetta ist auf technischem, musikalischem, klanglichem und interpretatorischem Gebiet ein wahrer Gewinn für die Musikwelt. Ihre Kantilenen verströmt sie mit großer Zartheit und auch in den virtuos-dramatischen Passagen ist bei ihr kein Kratzen und Schuften zu hören, sondern immer nur ein intensiver, kraftvoller und wohlgestalteter Klang. Dem begeisterten Publikum bescherte Sol Gabeta als Zugabe ein eindrucksvolles Stück (aus 'Das Buch') vom litauischen Komponisten Peteris Vasks, in dem sie mit Vokalisen in der Art eines Bobby McFerrin ihre eigene Stimme mit dem Gesang ihres Cellos verschmelzen ließ.
Josep Pons Im zweiten Teil des Konzertes erklang dann die Musik eines echten Spaniers. In den beiden Suiten von Manuel de Fallas 1919 uraufgeführten Ballettes El sombrero de tres picos (Der Dreispitz) erklang ein üppiges und schillerndes Klangbild von Spanien, das im Allgemeinen mit zündenden Gitarren- und Kastagnettenklängen charakterisiert wird. Die mitreißenden, dramatischen und folkloristischen Stimmungsbilder begleiten Szenen einer Novelle von Pedro Antonio de Alarcón, die unter dem Titel El Corregidor y la Molinera als Tanzpantomime bereits im Jahre 1917 ihre Erstaufführung in Madrid erlebt hatte. Auch bei dieser, ihnen ureigenen Musik, präsentierte der temperamentvolle und klug disponierende Josep Pons sein Orquesta Nacional de España mit allen erdenklichen musikalischen Finessen in bester Verfassung. Mit seinem flexiblen und farbigen Streicherklang, den exzellent intonierenden Holzbläsern, dem kraftvollen und volltönenden Blech und temperamentvoll und präzis agierende Schlagwerk, kann es im Konzert der großen Orchester international durchaus bestehen. Mit einem beschwingten Kehraus aus Manuel de Fallas La vida breve verabschiedeten sich Josep Pons und das Orquesta Nacional de España vom Düsseldorfer Publikum, das einen prächtig unterhaltsamen Abend erleben konnte. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Orquesta Nacional de Espana Sol Gabetta Violoncello Josep Pons Dirigent Maurice Ravel Alborada del Gracioso (Orchesterfassung) Édouard Lalo Konzert für Violoncello und Orchester d-Moll Manuel de Falla El sombrero de tres picos (Der Dreispitz) Suite Nr. 1 Suite Nr. 2
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