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Solisten I - Klavier-Virtuosen


Hélène Grimaud




Konzert am 11.03.2007
im Konzerthaus Dortmund
Homepage

Konzerthaus Dortmund (Homepage)
Ein unvergessliches Erlebnis

Von Gerhard Menzel


Im Rahmen ihrer ausgedehnten Deutschland-Tournee, die sie auch nach Berlin, München, Nürnberg, Köln, München und Stuttgart führte, war Hélène Grimaud nun im Konzerthaus Dortmund mit einem sehr eindrucksvollen Klavierabend zu erleben.

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Hélène Grimaud
© KASSKARA / DG

Hélène Grimaud ist in der Tat eine un- und außergewöhnliche Pianistin. Sie verkörpert ein exzellentes Beispiel für die untrennbare Verquickung von geistiger- und biographischer Entwicklung einerseits und künstlerischem Ausdrucksvermögen andererseits.

Allen noch so "gut gemeinten" Ratschlägen ihrer Lehrer zum trotz (mit zwölf Jahren war sie die jüngste Schülerin aller Zeiten am Pariser Konservatorium), setzte die Französin immer ihren eigenen Kopf durch und spielte bereits als Fünfzehnjährige ihre erste Schallplatte ein. Mit der anspruchsvollen zweiten Klaviersonate von Sergej Rachmaninov - die sie an diesem Abend leider kurzfristig aus dem Programm genommen hatte - gewann sie kurz darauf den Grand Prix du Disque. Mit achtzehn Jahren feiert Hélène Grimaud dann ihr Aufsehen erregendes Konzert-Debüt unter der Leitung von Daniel Barenboim. Anfang der 90er Jahre zog sie nach Florida, wo sie erstmals die Bekanntschaft mit einem Wolf machte. Mit noch nicht einmal dreißig Jahren übersiedelte Hélène Grimaud nach New York. An der amerikanischen Ostküste gründete sie eine Aufzuchtstation für Wölfe (Wolf Conversation Center). Als inzwischen studierte Wolfs-Expertin ist sie international daher ebenso anerkannt wie für ihre überwältigenden Interpretationen des romantischen Repertoires am Flügel.

Das Ursprüngliche der Natur und die Ruhe an sich sind bis heute die Grundvoraussetzungen ihres Lebens, die sie als "Ur-Energie" benötigt, und die unüberhörbar auch in ihre Interpretationen mit einfließen.

Hélène Grimaud beschränkt sich bei ihrer Auseinandersetzung mit einem Werk nie nur auf das Studium der Partitur, sondern versucht auch, in einer intensiven Beschäftigung mit dem Komponisten und dessen Leben, den "Sinn" hinter der Musik, die ein bestimmtes Werk ausmacht, zu ergründen und deren Emotionen für das Publikum hörbar zu machen. Dabei geht es immer wieder um grundlegende menschliche Zustände wie Freude, Leid, Zweifel, Leben, Tod oder die Liebe. Die - für viele zuvorderst erstrebenswerte - perfekte Präsentation des Notentextes tritt bei ihr zu Gunsten einer emotional bis in die letzten Haarspitzen aufgeladenen Intensität der Interpretation in den Hintergrund. Erst dadurch erreicht Hélène Grimaud nicht nur die Bewunderung, sondern die Herzen des Publikums. So kann es auch ohne weiteres vorkommen, dass selbst ein Werk, dass man gut zu kennen glaubt, plötzlich ganz anders klingt und wirkt, als erwartet.

Mit Ferruccio Busonis Bearbeitung der "Chaconne" d-moll BWV 1004 von Johann Sebastian Bach begann Hélène Grimaud ihren Klavierabend gleich mit einem der ganz großen kompositorischen Auseinandersetzungen dieses monumentalen Satzes aus Bachs zweiten Partita für Violine solo (den so unterschiedlichen Bearbeitungen dieses Satzes durch Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann und Johannes Brahms, war bei den Tagen Alter Musik in Herne 2006 sogar ein eigenes Konzert gewidmet).

Busonis persönliche Auseinandersetzung mit dieser grandiosen Komposition (ein Variationenwerk im Sarabandenrhythmus über einen ostinaten Bass) ist keine bloße Übertragung der Violinstimme auf das Klavier, sondern eine völlig selbständige Komposition auf der Basis von Bachs Original. Und das kostete Hélène Grimaud mit überaus intensivem, pedalbetonten Spiel aus, in dem sie das ganze Spektrum des späten romantischen Klaviers voll zur Entfaltung brachte.

Eine ganz andere musikalische Welt präsentierte Hélène Grimaud mit der "Berceuse" Des-Dur op. 57 von Frédéric Chopin. Dieses zärtlich gesangliche Wiegenlied ist ein verspielt filigranes Variationengebilde, das seine zerbrechliche Zierlichkeit vor allem durch seine piano und pianissimo gehauchten Klänge erhält.

Wesentlich visionärer geht es in Chopins leicht-beschwingter "Barcarolle" Fis-Dur op. 60 zu, das eines seiner eigenständigsten Stücke ist und durch harmonische Kühnheit und ergreifende Modulationen als Vorbote der Musiksprachen von Debussy und Ravel gehört werden kann. Das durch vollgriffige Passagen sinnlich farbige Gondellied - mit einem schwärmerischen Mittelteil - verhallt am Ende allmählich wie in der Ferne.

Den ersten Teil des Abends beschloss Hélène Grimaud mit den beiden Rhapsodien op. 79 von Johannes Brahms, in denen ihr besonders starke Kontrastwirkungen gelangen. Sowohl in der auftrumpfend schwungvollen h-Moll Rhapsodie (op. 79 Nr. 1), deren sehnsüchtiges Thema des Seitensatzes auch bei Edward Grieg in "Ases Tod" (Peer Gynt) erklingt, als auch in der herber und knorriger wirkenden g-Moll Rhapsodie (op. 79 Nr. 2), setzte sie dem ungestüm leidenschaftlichen Drängen des Sonatensatzes, eine betont schwärmerische Episode im Mittelteil entgegen.

Johannes Brahms war dann der ganze zweite Teil des Programms gewidmet, denn Hélène Grimaud hatte sich kurzfristig gegen die ursprünglich vorgesehene Sonate Nr. 2 b-Moll op. 36 von Sergej Rachmaninow und für die Sonate Nr. 2 fis-Moll op. 2 von Johannes Brahms entschieden. Obwohl diese technisch sehr anspruchsvolle Sonate als zweites Werk gedruckt wurde, ist sie doch die als erste komponierte seiner Klaviersonaten. Die Besonderheit dieser frühen Komposition ist seine Kunstfertigkeit, alle vier Sätze durch ein einziges Thema miteinander zu verbinden, ohne irgendeinen Anflug von Monotonie aufkommen zu lassen.

Hélène Grimaud spielte bei diesem zirka halbstündigen Werk alle ihre technischen und interpretatorischen Fähigkeiten bis zum Äußersten aus. Die gewaltigen Akkordketten bis in den höchsten Diskant oder die tiefste Bassregion waren mit ungeheurer Energie und Ausdruckskraft geladen. Der dramatische bis dämonische Charakter vieler Passagen wurde sogar noch optisch verstärkt, wenn man ihre Hände beobachten konnte. So eine extrem geknickte Handhaltung (vor allem der linken Hand), die wohl auf äußerste Kraftübertragung ausgelegt ist, war vor einigen Jahren bei ihr jedenfalls noch nicht zu beobachten.

Über den langsamen Satz, der ein Volkslied variiert, das auch im folgenden Scherzo weiter verarbeitet wird, steigerte sich Hélène Grimaud wieder in die wirbelnden Akkordketten des Finale hinein, wobei sie die ruhigen und fast verträumten, ruhigen Passagen sehr schön auskostete und dem gespannt lauschenden Publikum ein wahres Wechselbad der Gefühle bescherte. Dem begeisterten Auditorium im ausverkauften Konzerthaus Dortmund bescherte Hélène Grimaud dann doch noch zwei Mal Sergej Rachmaninow als Zugabe.

Am Ende dieses unglaublich intensiven und eindrucksvollen Klavierabends stand fest, Hélène Grimaud gelingt es, ihre intensive Auseinandersetzung mit den Kompositionen und deren Schöpfern in einer ganz persönlichen und überzeugenden Art dem Publikum zu vermitteln. Mag der erlebte Augenblick noch so kurz gewesen sein, er hinterlässt nachhaltige Spuren !




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Hélène Grimaud
Klavier



Johann Sebastian Bach
»Chaconne« d-moll BWV 1004
(Bearbeitung von Ferruccio Busoni)

Frédéric Chopin
»Berceuse« Des-Dur op. 57

Frédéric Chopin
»Barcarolle« Fis-Dur op. 60

Johannes Brahms
Rhapsodie b-Moll op. 79 Nr. 1

Johannes Brahms
Rhapsodie g-Moll op. 79 Nr. 2

Johannes Brahms
Sonate Nr. 2 fis-Moll op. 2



Programmheft





Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Konzerthaus Dortmund
(Homepage)


Hélène Grimaud
www.helenegrimaud.com/
helenegrimaud.free.fr/




Da capo al Fine

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