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PRO ARTE ABO A
Riccardo Muti / Philharmonia Orchestra London


4. September 2006

Philharmonie Essen
Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen (Homepage)
Präzision und Farbenpracht

Von Gerhard Menzel / Foto: Pro Arte Konzerte Essen

Das Philharmonia Orchestra London, das zur Zeit mit Riccardo Muti auf einer Europatournee ist, machte auch in der Philharmonie Essen Station und wurde vom Publikum mit großem Beifall bedacht.

Vergrößerung in neuem Fenster Riccardo Muti und
"The Philharmonia"

"The Philharmonia" feierte im letzten Jahr sein 60-jähriges Bestehen. 1945 vom damaligen Chef der Plattenfirma EMI, Walter Legge, unter dem Namen "Philharmonia Orchestra" als reines Schallplattenorchester gegründet wechselte es im Lauf seiner Geschichte mehrfach den Namen. Als die EMI 1964 das Orchester nicht mehr weiter finanzieren wollte, schlossen sich die Orchestermusiker als privatrechtlicher Verein zusammen und nannten sich zunächst "New Philharmonia Orchestra". 1977 nahm das Orchester seinen ursprünglichen Namen wieder an und heißt seit 1988 einfach "The Philharmonia".

"The Philharmonia" kann auch auf eine beeindruckende Liste seiner Chefdirigenten verweisen. Nach Herbert von Karajan (bis 1959) prägten Otto Klemperer (1955-1973), Giuseppe Sinopoli (1984-1997) und seit 1997 Christoph von Dohnányi die Geschicke des Orchesters. Auch Riccardo Muti stand dem Philharmonia von 1973 bis 1982 als Chefdirigent vor, obwohl die meisten derzeitigen Mitglieder diese Ära wohl nicht miterlebt haben dürften.

In Essen eröffneten sie mit der Ouvertüre zu Gioachino Rossinis letzter Oper "Guillaume Tell" ("Wilhelm Tell") ein ungeheuer farbenreiches Programm. Was bei Opernaufführungen oft wie ein "Warmspielstück" aus dem Graben klingt, kam hier mit seinen ganzen Schönheiten (z.B. die Introduktion der vier Violoncelli oder die anrührenden Oboensoli) und seinem, sich zu einem wahren Rausch steigernden Finale in voller Klangpracht zur Entfaltung.

Fein aufgefächerte Klangflächen und atemberaubend schöne Holzbläsersoli krönten auch die Interpretation von Igor Strawinskys "Feuervogel"-Musik, die mit ihren rhythmisch aggressiv gezeichneten Passagen schon die Welt des drei Jahr später entstandenen "Le Sacre du printemps" ankündigen. Aus diesem auf Bestellung des Ballettimpresarios Sergej Diaghilew im Frühjahr 1910 komponierten, glücklich ausgehenden Erlösungsmärchen, extrahierte Strawinsky 1919 eine Suite in sieben Sätzen, die an Farbigkeit und Differenziertheit nichts zu wünschen übrig lassen. "The Philharmonia" zeichnete sich dabei - neben den schon bei "Wilhelm Tell" bewunderten Celli - vor allem durch die ganz ausgezeichneten Holzbläser und die vielen kleineren und größeren Soli aus.

Das "Hauptwerk" des Abends war allerdings die Sinfonie Nr. 6 h-Moll (Pathétique) von P. I. Tschaikowsky. Obwohl die Uraufführung des Werkes in Sankt Petersburg am 28. Oktober 1893, die Tschaikowsky selbst dirigierte, vom Publikum nur mäßig aufgenommen wurde, begann schon unmittelbar nach seinem plötzlichen Tod am 6. November (nur neun Tage nach der Uraufführung) der bis heute anhaltende Siegeszug dieses so sehr persönlichen Werkes, das Tschaikowsky, der oft den requiemartigen Aspekt seiner letzten Sinfonie betonte, für sein Bestes hielt.

Tatsächlich weist Tschaikowskys letzte Sinfonie zahlreiche Besonderheiten und musikalisch außerordentlich Reizvolles auf. So beginnt die Sinfonie im Pianissimo (Kontrabässe mit Fagott-Solo) und endet nach knapp einer Stunde in eben einem solchen (Violoncelli und Kontrabässe). Was sich dazwischen musikalisch ereignet, birgt viele Überraschungen und große Emotionen. Diese aber schien Riccardo Muti eher zu scheuen. Zwar kamen die klanggewaltigen Tutti-Ausbrüche des Orchesters - unter tatkräftiger Unterstützung des sehr präsenten Paukisten - mit großer Präzision und ungeheurer (Blechbläser-) Wucht daher und auch die Streicherpizzikati klangen in allen dynamischen Abstufungen exakt, aber die wirklich lyrischen Passagen - gerade auch im walzerartigen zweiten, durch seinen 5/4-Takt so einzigartigen Satz - wirkten eher abgeklärt und nüchtern. Das entsprach übrigens auch seinem Dirigat, das sich immer auf das Wesentlichste beschränkte.

Nach dem gewaltigen Marsch des dritten Satzes - mit dahinhuschenden Streicherpassagen und dominierendem punktierten Bläserthema - eröffnen die Streicher den finalen Satz (Adagio lamentoso) im Forte und "largamente". An Stelle des zu Tschaikowskys Zeiten noch üblichen "heroischen" Finales wird diese Sinfonie nämlich von einem langsamen, getragenen und ungeheuer emotional gestalteten Satz beendet, den die geteilten Violoncelli und Kontrabässe mit einem "ritenuto" und im vierfachen Pianissimo ausklingen lassen (der Tschaikowsky-Verehrer Gustav Mahler übernahm diese Idee eines langsamen Finalsatzes übrigens in seiner 3. Sinfonie und 9. Sinfonie).

Riccardo Muti und das Philharmonia Orchestra London bedankten sich beim begeisterten Publikum mit einer Zugabe, durch Riccardo Muti mit einigen Bemerkungen angekündigt. Trotz aller Wertschätzung des Komponisten Giuseppe Martucci (1856-1909), doch nach Tschaikowskys in der unendlichen Stille endendem "Abschiedswerk", kann einfach nur Schweigen folgen.




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Philharmonia Orchestra London

Musikalische Leitung
Riccardo Muti




Gioachino Rossini
Ouvertüre zu "Wilhelm Tell"

Igor Strawinsky
Feuervogel-Suite (1919)

P. I. Tchaikovsky
Sinfonie Nr. 6 h-Moll
op. 74 (Pathétique)



Weitere Informationen

Pro Arte Konzerte Essen
http://www.pro-arte-konzerte.de/essen/

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de

Philharmonia Orchestra London
www.philharmonia.co.uk



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