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Ein Gala-Auftritt eines ganz besonderen Orchesters
Von Gerhard Menzel / Foto: Pro Arte Konzerte Essen Das erste PRO ARTE KONZERT im Jahr 2007 bescherte dem Publikum in der Philharmonie Essen gleich ein ganz besonderes Erlebnis: das Gastspiel der hier noch eher unbekannten Königlichen Philharmonie Flandern unter der Leitung von Philippe Herreweghe. 1957 wurde die einige Jahre zuvor auf Privatinitiative gegründete "Philharmonie van Antwerpen" von der belgischen Regierung, dem Distrikt und der Stadt Antwerpen als öffentlicher Kulturträger übernommen. Außer in Antwerpen konzertiert das Orchester seitdem in allen größeren Städten Belgiens, insbesondere in Brüssel und beim Flandern-Festival. Der erste Chefdirigent des Orchesters war Emil Tschakarov. 1983 wurde die Anzahl der Musiker auf 96 erhöht und damit die Basis für eine internationale Konzerttätigkeit gelegt. 1986 übernahm der Österreicher Günter Neuhold die Leitung der Königlichen Philharmonie Flandern, 1991 der Chinese Muhai Tang und 1995 der Walliser Grant Llewellyn.
Seit September 1998 hat der auf dem Gebiet der Renaissance- und Barockmusik international renommierte Flame Philippe Herreweghe die Position des Musikdirektors inne. Während dieser mit dem Orchester ausschließlich das klassische und vorromantische Repertoire erarbeitet und zur Aufführung bringt, widmet sich Chefdirigent Daniele Callegari der spätromantischen und zeitgenössischen Musik. Besondere programmatische Schwerpunkte der Königlichen Philharmonie Flandern bilden neben der reinen Konzerttätigkeit diverse Projekte und die Arbeit mit Jugendlichen. So unternimmt das Orchester schon seit vielen Jahren regelmäßig Auslandsreisen, die es nicht nur nach den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, England und Spanien, sondern bis hin nach Japan führten. In Essen präsentierte Philippe Herreweghe und die Königliche Philharmonie Flandern nun ein kompaktes Programm mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann. Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre zu "Ein Sommernachtstraum" von Felix Mendelssohn Bartholdy konnte man die musikalische "Vergangenheit" von Philippe Herreweghe ganz deutlich spüren. Immerhin hat er zusammen mit Kollegen wie Nikolaus Harnoncourt und John Eliot Gardiner einen wesentlichen Beitrag zur historisch orientierten Aufführungspraxis geleistet. Gerade bei Mendelssohns "Elfenmusik" kamen diese Einflüsse der "Alten Musik" ganz besonders vorteilhaft zum tragen. Von sinfonisch dicht gewebten Nebelsümpfen war hier nichts zu hören, sondern leichtfüßige Elfen- und geheimnisvoll schwebende Zaubermusik. Die präzise ausgearbeitete Phrasierung der Streicher und die - mit edlen Holzflöten - elegant geführten Holzbläser waren eine klangliche Offenbarung und die durch Hornklänge geprägte, magische Zauberwaldatmosphäre des Notturno bereitete schon auf das vor, was an diesem Abend in punkto Hörner noch folgen sollte. Felix Mendelssohn Bartholdy verwendete übrigens in diesem Stück als einer der ersten Komponisten überhaupt das sich gerade erst verbreitende Ventilhorn. Doch vor der Pause stand zunächst erst noch das Klavierkonzert Nr. 2 d-Moll op. 40 von Felix Mendelssohn Bartholdy auf dem Programm. Solist war der in Düsseldorf geborene Pianist Severin von Eckardstein. Als Preisträger bedeutender internationaler Wettbewerbe - wie dem "Wettbewerb Ferruccio Busoni" in Bozen (1998), dem ARD-Wettbewerb München (1999), der "Leeds International Piano Competition" (2000) und dem "Grand Prix International Reine Elisabeth" in Brüssel (2003) - gilt er derzeit neben Martin Stadtfeld zu Deutschlands größten Nachwuchspianisten. Seine Konzerttourneen führten ihn bereits bis nach Übersee.
Die Interpretation von Mendelssohns Klavierkonzert gestaltete Severin von Eckardstein allerdings mit etwas viel "romantischem" Gestus, was mit der eher leichten und behänden Klangsprache des Orchesters doch deutlich kontrastierte. Durch die Erfindung des Ventils für das Horn bildete die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts für den Instrumentenbau eine Zeit des Umbruchs. Die heftigen Diskussionen um die Vorzüge des Natur- bzw. des aufkommenden Ventilhornes, das im Verlauf der Jahre zu einem nicht mehr aus dem Orchester wegzudenkenden Instrument wurde, regten Robert Schumann schließlich zu diesem in seiner Art einzigartigen Konzertstück an.
Die musikalische Qualität der Königlichen Philharmonie Flandern zeigte sich bei diesem besonderen Konzertstück auch darin, dass die vier Solohornisten Koenraad Cools, Morris Powell und Koenrad Thijs Mitglieder des Orchesters sind bzw. Philip Eastop (der inzwischen als Freiberufler tätig ist) einst waren. Beherzt und mit ordentlichem Geschmetter schwangen sich die Hornisten durch ihre außergewöhnlichen Stimmen und demonstrierten damit eindrucksvoll, wie wendig und geschwind die damals neuen Ventilhörner zu handhaben sind. Kontrastierend dazu gestalteten sie im langsamen Satz die leisen und schwebend komponierten Passagen. Auch Robert Schumanns "Rheinische"-Sinfonie klang in der Interpretation von Philippe Herreweghe und der Königlichen Philharmonie Flandern so anders, frisch und feinstens differenziert, dass es die reinste Freude war. Leider verabschiedete sich die Königliche Philharmonie Flandern nach diesem wirklich sehr unterhaltsamen Konzert ohne Zugabe aus Essen. Die nächsten PRO ARTE Konzerte in der Philharmonie Essen 05.03.07 Bobby McFerrin/Münchner Rundfunkorchester 27.03.07 Moskauer Philharmoniker/Kirill Gerstein 26.04.07 Orchestre Philharmonique de Radio France/Myung-Whun Chung 13.05.07 Giora Feidman/Württembergisches Kammerorchester Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Severin von Eckardstein Klavier Königliche Philharmonie von Flandern Musikalische Leitung Philippe Herreweghe Felix Mendelssohn Bartholdy Auszüge aus "Ein Sommernachtstraum" op. 21/61 - Ouvertüre - Notturno - Scherzo Felix Mendelssohn Bartholdy Klavierkonzert Nr. 2 d-Moll op. 40 Robert Schumann Konzertstück F-Dur für vier Ventilhörner und großes Orchester F-Dur op. 86 Robert Schumann Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 97 "Die Rheinische"
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