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Mahler-Zyklus der Bochumer Symphoniker

24. April 2007

Philharmonie Essen
Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen (Homepage)
Wie aus einer anderen Welt…
Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker mit Mahlers II.

Von Peter Bilsing / Fotos: Bochumer Symphoniker

Es war ein Ausnahmeabend, nicht nur für alle Mahler-Fans, sondern auch für den Kritiker. Einer jener Abende, die man öfter herbeiwünscht, die sich aber leider nur alle Jahre wieder einstellen. Und es ist genau diese Art der Interpretation großer Musik, akribisch bis ins feinste Detail erarbeitet, die das Faszinosum und die Begeisterung, die seit über hundert Jahren Gustav Mahlers Werk erfährt, hautnah und herzschlagfördernd erlebbar macht. Der gestrige Abend war für den Gustav-Mahler-Fan, so der das Glück hatte dabei sein zu dürfen, Adrenalin pur!

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Steven Sloane
(Probenphoto)

Welch ein Ausnahmedirigent und was für ein Orchester! Gestern Abend bewiesen die Bochumer Symphoniker unter ihrem begnadeten Dirigenten Steven Sloane mit einer grandiosen Aufführung von Mahlers "Auferstehungssymphonie" im ausverkauften Haus der Neuen Essener Philharmonie, dass sie durchaus zu den bemerkenswertesten Mahler-Interpreten unserer Zeit gezählt werden müssen. Jedes Crescendo kam auf den Punkt, und wenn Mahler in der Partitur die Worte "sich verlierend" verwendet, dann lösten sich bei Sloane wirklich die Klänge im ätherischen Nichts auf, wo hingegen jubilierend golden strahlendes Blech im Finale so schön aufblühte, wie selten gehört, und die Paukenschläge geradezu infernalisch explodierten.

Und was dieses rund 80-minütige gigantische Orchesterwerk (über 20 Blechbläser, ein halbes Dutzend Schlagzeuger sowie eine weiteren Hundertschaft an Musikern) an musikalischen Emotionen und Klangbildern - vom wortwörtlich zu nehmendem Fallen einer Stecknadel bis hin zu den furiosen Inferno-Klängen apokalyptischer Visionen ("Die Erde bebt, die Gräber springen auf, die Toten erheben sich und schreiten in endlosem Zug daher") beinhaltet, verschlägt dem Zuhörer den Atem und ist gleichzeitig von berauschend unfassbarer Schönheit. Eine Musik, die jeden überwältigt, der sich ihr hingibt. Besser als der Komponist selber kann man es kaum beschreiben: "Es klingt alles wie aus einer anderen Welt; man wird mit Keulen zu Boden geschlagen und dann auf Engelsfittichen zu den höchsten Höhen gehoben."

Wenn im großen Finale ein gigantischer Chor von über 200 Stimmen, der beinah über eine Stunde regungslos verharren mußte, schließlich im fünften Satz, nach dem musikalischen Erdbeben und Trompeteninferno der Apokalypse sein "Aufersteh´n, ja aufersteh´n…" im fast unwirklich erscheinenden "misterioso" mit beinah lautlosem Ansatz intonierend, fast gehaucht über das Auditorium ergießt, dann geht dem Zuhörer einfach das Herz auf, und nicht wenige haben Tränen in den Augen. So auch gestern, und der Rezensent schloss sich hier rückhaltlos mit ein.

Zwar hat dieser Wahnsinns-Chor quantitativ nicht viel zu singen, aber qualitativ gehört die von Mahler umgedichtete Klopstock-Ballade in dieser Form zum vielleicht Schönsten und Ergreifensden, was Musik auf Erden bieten kann. "Und siehe da, es ist kein Gericht - es ist kein Sünder, kein Gerechter, kein Großer - und kein Kleiner - es ist nicht Strafe und nicht Lohn! Ein allmächtiges Liebesgefühl durchleuchtet uns mit seligem Wissen und Sein." (G.M.) Auch das meist schwierig zu intonierende Fernorchester erklang traumhaft schön; die Trompeten aus den lichten Höhen oberhalb der Orgel und die Rhythmusgruppe aus den unteren Gefilden und Türöffnungen des Prachtbaus der Essener Philharmonie; das war wirklich ein perfektes und so selten zu hörendes Klangerlebnis.

Der Philharmonische Chor Bochum zusammen mit dem Philharmonischen Chor Essen harmonierten prächtig und die Damen und Herren sangen dermaßen konzentriert und sauber, daß die finalen "Standing Ovations" des hoch-beeindruckten und begeisterten Publikums sicherlich auch hier wesentlichen Ursprung fanden. Schön, daß sich das Riesenengagement der beiden Chorleiter, Harry Curtis und Alexander Eberle, so herzerwärmend gelohnt hat. Alles war famos exakt und einfühlsam erarbeitet worden, sogar das gruppenweise Auf(er)stehen. In dieser Formation und Qualität muß die Sängergemeinschaft unbedingt zu den besten Deutschlands gezählt werden; das war praktisch tonstudio-reif.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Bochumer Symphoniker
(in der Jahrhunderthalle Bochum)

Die Bochumer Symphoniker, die schon zweimal für ihr "bestes Konzertprogramm der Saison" von Deutschen Musikverleger-Verband ausgezeichnete wurden und deren Jahresprogramm schon immer zu den besten, interessantesten und anspruchsvollsten der Szene gehört hat, haben sich (insbesondere seit Beginn der Intendanz Steven Sloane, ab 1996) zu einem Orchester von internationalem Rang entwickelt.

Neben der Realisation aller Mahlerwerke hatten sie anläßlich der RuhrTriennale 2006 gerade erst mit einer fulminanten Interpretation von Zimmermanns "unspielbaren" SOLDATEN auf sich aufmerksam gemacht. (Dieses Jahr noch einmal zu hören!) So hat die Stadt Bochum zurecht beschlossen, diesem exzellenten Klangkörper endlich eine eigenes Probe- und Konzerthaus zu bauen. Eine sehr weise Entscheidung, denn die Stadtväter können in dieser Form wirklich stolz auf ihr Orchester sein.

Die Solistinnen Hillevi Martinpelto (Sopran) und Birgitta Svendén (Mezzo) rundeten mit ihren herrlich tragenden Stimmen, sensibel und harmonisch eingesetzt, das Erlebnis eines zu 100-Prozent stimmigen Abends ab. Selten klang Mahler so wunderbar. Dank an alle beteiligten. Bravi!

Post Scriptum: Eine gelungene Idee Sloanes war es, quasi als Auftakt und Einstimmung, die knapp achtminütige Fuge "From Greenland´s Icy Mountains" aus Charles Ives´ 4. Sinfonie, in einem nahtlosen Übergang dem Oeuvre Mahlers voranzustellen.




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Hillevi Martinpelto
Sopran

Birgitta Svendén
Mezzosopran

Philharmonischer Chor Bochum
Harry Curtis, Choreinstudierung

Philharmonischer Chor Essen
Alexander Eberle, Choreinstudierung

Bochumer Symphoniker

Steven Sloane, Dirigent




Charles Ives
Fuge "From Greenland's Icy Mountains"
aus der 4. Sinfonie

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
"Auferstehungssinfonie"



Weitere Informationen

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de


Bochumer Symphoniker
www.bochumer-symphoniker.de



Da capo al Fine

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