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Berliner Philharmoniker
Sir Simon Rattle


28. September 2006
Historische Stadthalle Wuppertal, Großer Saal
Homepage

Historische Stadthalle Wuppertal
(Homepage)
Hartnäckigkeit hat gesiegt
Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker
zu Gast in der Historischen Stadthalle Wuppertal
mit einem musikalischen Dreisprung in die Musikgeschichte

Von Gerhard Menzel

Nun hatte es also doch geklappt. Starkes persönliches Engagement und die guten Beziehungen der Deutschen Bank zu den Berliner Philharmonikern ermöglichten ein Gastspiel des renommiertesten und eines der innovativsten deutschen Orchester in der Historischen Stadthalle Wuppertal (das letzte Mal waren die Berliener am 12. Mai 1999 mit Bruckners 9. Sinfonie unter der Leitung von Claudio Abbado in Wuppertal). Dieses Konzert war gleichzeitig der Schlusspunkt einer kleinen Deutschlandtournee des Orchesters mit den Stationen Baden-Baden, Frankfurt, Köln und Wuppertal.

Der musikalische Dreisprung in die Musikgeschichte begann mit Auszügen aus „Roméo et Juliette“ op. 17 von Hector Berlioz. Diese »Symphonie dramatique« ist nicht nur eine Hommage an Shakespeare und ein wichtiges musikalisches Dokument der romantischen Shakespeare-Rezeption in Frankreich, sondern auch ein Zeugnis von Berlioz' Vision, eine Genre übergreifendes Werk zu schaffen. Diese dramatische Sinfonie für Solostimmen, Chor und Orchester vereint eine große stilistische Vielfalt, die vom Lied über sinfonische Instrumentalsätze bis zu opernhaften Elementen reicht. Eine Besonderheit ist, dass die Dialoge der beiden Liebenden nicht gesungen, sondern rein instrumental geschildert werden. Trotzdem gelang es Berlioz, mit einer stark kontrastierenden und farbig instrumentierten Musik, die Handlung des Dramas mit großer Präzision nachzugestalten.

Sir Simon Rattle hatte für dieses Konzertprogramm aus dem ca. 100-minütigen Werk die rein instrumentalen Sätze 2 bis 4 ausgewählt, die sowohl Romeos Trauer schildern, als auch die Festmusik und die wohl berühmteste Liebesszene der Weltliteratur im Garten der Capulets enthalten. Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker ließen die detailreiche Partitur in allen ihren reichhaltigen Farben und Facetten erklingen. Die Soli waren von nicht zu überbietender klanglicher Qualität, nicht nur makellos schön, sondern beseelt und mit allen nur erdenklichen Ausdrucksnuancen versehen. Die Homogenität der Streicher, die edel tönenden Holzbläser und Blechbläser, die nicht durch Lautstärke auffallen, sondern durch einen vollen und voluminösen Ton, sind die charakteristischsten Merkmale dieses Ausnahmeorchesters.

Bewundernswert ist es auch, wie Simon Rattle mit diesem außergewöhnlichen Klangkörper musiziert. Obwohl er auf keinerlei technische oder klangliche Belange Rücksicht nehmen muss, gestaltet er die Musik mit Bedacht und sehr differenziert, ohne je tempomäßige oder dynamische Grenzen zu suchen. Selbst im äußersten Pianissimo hat der Klang noch Substanz und Farbe.

Dem entsprechend stellt auch die Musik zu Igor Strawinskys Ballett „Agon“ die Musiker vor keinerlei Probleme, obwohl Strawinskys letzter Beitrag zur Gattung des Balletts – das ihn einst mit Werken wie „L'Oiseau de feu“ („Der Feuervogel“), „Petruschka“, „Le sacre du printemps“ oder „Pulcinella“ weltberühmt gemacht hatte – das bedeutendste Werk seiner »seriellen Periode« ist. Das 1953 auf Anregung George Balanchines begonnene und 1957 vollendete Werk ist allerdings kein Handlungsballett, sondern gibt nur einen personalen Rahmen vor, wobei sich der Titel auf die Agones (Üãùíåò), die Wettspiele der griechischen Antike bezieht, die sowohl in sportlichen als auch künstlerischen Disziplinen (Musik, Poesie, Tanz, Rhetorik) ausgetragen wurden.

Strawinsky bediente sich bei diesen musikalisch geschilderten Wettkämpfen dem Modell französischer Tänze des 17. Jahrhunderts und versah sie mit abwechslungsreichen Klangfarben und Instrumentenkombinationen: z.B. die Gegenüberstellung von Trompeten und Hörnern zu Streichern, Harfe und Klavier im 1. Teil, Mandoline und Harfe in der Gaillarde (2. Teil) sowie Kastagnetten in den Branles (3. Teil). Die verschiedenen Klangfarben und das leicht und durchsichtig eingesetzte Orchester mit seinen zahlreichen – von den Solisten der Berliner Philharmoniker delikat präsentierten – Soli, erinnern an die früheren »neoklassizistischen« Werke, auch wenn Strawinsky hier die kanonischen bis zu polydiatonischen und polyrhythmischen Schichtungen mit den Regeln der Zwölftontechnik kombinierte. Das allgegenwärtige rhythmische Element, das so etwas wie ein "Markenzeichen" Strawinskys ist, ermöglicht es allerdings, dass Agon, ungeachtet seiner abstrakten und streng konstruierten Anlage, trotzdem tanzbar ist. Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker gelang es ganz ausgezeichnet, sowohl die komplexe Struktur des Werkes, als auch die instrumentale Farbigkeit und die rhythmischen Finessen der Partitur hörbar zu machen.

Trotz dieser beiden außergewöhnlichen Kompositionen von Berlioz und Strawinsky sowie deren eindrucksvoller Interpretation durch Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker, bedeutete für den größten Teil des Publikums Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 den Höhepunkt des Konzertes.

Beethovens so genannte »Schicksalssymphonie« gehört fraglos zu den berühmtesten Sinfonien Beethovens und ist – schon seines viertönigen „Haupt-Rhythmus“ zu Beginn wegen – eines der populärsten Werke der klassischen Musik überhaupt.

Vergrößerung in neuem Fenster Sir Simon Rattle

Simon Rattle legte bei seiner Interpretation allerdings weniger Nachdruck auf das immer wieder beschworene Schicksalhafte der Musik, sondern stellte das Musikantische und das Herausarbeiten des thematischen Materials und seiner Verarbeitung in den Vordergrund.

Als Kontrast zum rhythmisch geprägten ersten Satz kostete Rattle im zweiten Satz das weit ausholende, geschwungene, punktierte und sangliche Thema genüsslich aus. Auch das aus dem Scherzo durch eine Überleitung direkt folgende Finale mit seiner charakteristischen Dreiklangsfanfare hatte weniger den Charakter eines martialischen Siegesmarsches, als eines beschwingten und über alles freudigen Kehraus', der auch das immer wieder einmal eingeschobene Pianissimo nicht aussparte.

Dieses durch die Deutschen Bank ermöglichte Gastspiel von Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern in der Historischen Stadthalle Wuppertal war ein klangliches Ereignis und wird noch lange in bester Erinnerung bleiben.




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Berliner Philharmoniker

Leitung
Sir Simon Rattle



HECTOR BERLIOZ
Auszüge aus
„Roméo et Juliette“ op. 17

IGOR STRAWINSKY
Agon

LUDWIG VAN BEETHOVEN
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Veranstalter:
Deutsche Bank AG Wuppertal

Deutsche Bank AG



Weitere Informationen

Historische Stadthalle Wuppertal
www.stadthalle.de

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Berliner Philharmoniker
www.berliner-philharmoniker.de






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