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Hector Berlioz
Grande Messe des morts


Bonn, Beethovenhalle
7. März 2008
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www.beethovenhalle.de/
Veritables Jubiläumsgeschenk

Von Bernhard Drobig

Die Stadt Bonn und sein Beethoven-Orchester blicken in der laufenden Saison mit mehreren Sonderkonzerten auf den 1. Oktober 1907 zurück, als 113 Jahre nach Auflösung der Kurfürstlichen Hofkapelle das „Philharmonische Orchester Koblenz“ für Bonn unter Vertrag genommen wurde - die Keimzelle eines neuen städtischen Klangkörpers. Naturgemäß verlief dessen nunmehr 100jährige Geschichte, vor allem während der beiden Weltkriege, nicht immer nur glücklich, wiewohl auch große Persönlichkeiten wie etwa Richard Strauß, Max Reger, Hans Pfitzner sowie Erich Kleiber und Karl Böhm den Weg ans Bonner Pult fanden. Heute kann sich das 106 Musiker umfassende Orchester nicht zuletzt dank vieler internationaler Einladungen rühmen, zu Deutschlands bedeutenderen Klangkörpern zu zählen. Über welch hohes Leistungsniveau es jedenfalls verfügt, verdeutlichte im Herbst das eigentliche Jubiläumskonzert, in dem die vier letzten, die Klangkultur des Orchesters prägenden Dirigenten je ein Werk aus der zeitlichen Nähe zu seiner Gründung in verblüffender Virtuosität aufleuchten ließen.


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Beethovenhalle Bonn, 7. März 2008
Hector Berlioz: Grande Messe des morts
Foto: Bernhard Drobig

Unter ihnen Marc Soustrot, der jetzt noch einmal zurückkehrte, um die Grande Messe des morts von Hector Berlioz vorzustellen, zwar nicht mit den für die Uraufführung 1837 verbürgten 190 Instrumentalisten und 210 Sängern, aber immerhin mit eindrucksvollen 124 Musikern und rund 150 Kehlen der Philharmonischen Chöre Brno (Einstudierung: Petr Fiala) und Bonn (Einstudierung: Thomas Neuhoff). Und um es gleich hier vorwegzunehmen, es wurde ein denkwürdiger Abend, und dies nicht so sehr wegen der mit Augenmaß vermittelten Klangmassierungen, sondern auch und vor allem wegen der vielen meditativen Anteile, die Soustrot trotz ihrer gelegentlich opernhaft wirkenden Züge in der ihnen eigenen Spiritualität ebenso freisetzte wie die Architektur der meisterlich konzipierten Kontraste bzw raffiniert miteinander verknüpften zehn Einzelsätze des lateinischen Propriums damaliger katholischer Totenliturgie. Man ahnte, warum sich der Komponist wünschte, dass vom eventuellen Untergang seines Oeuvres eben dieses Requiem ausgenommen bliebe.

Berlioz hatte, wie er selbst berichtet, den an ihn ergangenen Kompositionsauftrag voller Schaffensdrang und bei sich überstürzenden Ideen fristgerecht fertig gestellt, konnte sein Werk jedoch politischer Umtriebe wegen nicht wie ursprünglich vorgesehen beim Jahresgedenken an die Toten der Juli-Revolution von 1830 einbringen, sondern erst am 5. Dezember 1837 anlässlich der Trauerfeier im Pariser Invaliden-Dom für den im Algerienkrieg gefallenen kommandierenden General. Was Berlioz dem damals stärker an Mozart, Rossini und Cherubini als etwa Beethoven interessierten Publikum zu Gehör brachte, orientiert sich zwar noch an der französischen Requiem-Tradition, überrascht aber im wesentlichen mit einer Vielfalt ungewohnter Einfälle, allem voran mit den vier, an verschiedenen Stellen des Raums platzierten, die Fanfaren des Jüngsten Gerichts spiegelnden Blechbläserensembles und mit den sechzehn das instrumentale Tutti dröhnend ergänzenden Kesselpauken im Augenblick des Weltuntergangs. Doch auch das weniger spektakuläre Klanggeschehen steckt voller Überraschungen wie etwa die vielen Chromatismen in Chor und Orchester, manche wie aus liturgischem Choral erwachsende Melodielinien, das Miteinander von Legato- und Staccato-Motiven verschiedener Chorstimmen oder ein den stile antico suggerierenden a cappella-Satz, ferner seltene Klangkombinationen, deren auffälligste das drei Oktaven auseinander liegende Miteinander von Flöte und Posaune ist, die Grundierung eines kurzatmigen ständig wiederholten Zweitonmotivs im Chor durch fugierten oder figurierten Orchestersatz oder die sphärisch anmutenden Haltetöne von Violinen und Flöten als Hintergrund für das einzige Tenorsolo im Sanctus, nicht zu vergessen die vielen, ruhige wie massive Klangbilder belebenden dynamischen Kontraste oder das sich zu gewaltiger Klimax auftürmende Lacrymosa.

Vergrößerung in neuem Fenster Marc Soustrot
Foto: Ramon Mangold

Dieses alles und mehr verlangt ein hohes Maß chorischer und orchestraler Tugenden, und es fand sie auch, zumal Soustrot offensichtlich darauf setzte, theatralische Überzeichnung zu vermeiden, ohne den eindringlichen Stimmungs- und Gefühlsbildern ihre Wirkung zu nehmen. Mit feinem Gespür schien er nicht so sehr auf sensationelle Effekte bedacht als vielmehr auf des Komponisten Meisterschaft, mit einfachen Mitteln durchgängige Spannkraft und größtmögliche Auslotung der Inhalte zu erzielen. Da aber kam ihm die trockene Akustik der voll besetzten Bonner Beethovenhalle sehr zu Pass, machte aufhorchen, mit welcher Souveränität er das bis auf wenige Ausnahmen punktgenaue Zusammenwirken aller Mitwirkenden sicherte. Besonders hervorzuheben sind die Intonationssicherheit und die bis in die Pianopianissimi hinein eindrucksvolle Homogenität der so großen Chorgemeinschaft, sie ließen eine nicht allenthalben prägnante Artikulation nur wenig störend empfinden. Schade nur, dass der weich timbrierte lyrische Tenor Herbert Lippert im Sanctus die Höhe des himmlischen Sologesangs nur verspannt erreichte.

Fazit:

Dass man das monumentale Requiem von Berlioz einmal ohne Nachhall in umsichtiger Freisetzung seiner ausgeklügelten Architektur und berührenden Spiritualität erleben durfte, war ein veritables Jubiläumsgeschenk, für das man Veranstalter und Ausführenden nicht dankbar genug sein kann. Das Auditorium jedenfalls applaudierte lange und betont herzlich.




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Herbert Lippert
Tenor

Tschechischer Philharmonischer
Chor Brno
Einstudierung: Petr Fiala

Philharmonischer Chor der Stadt Bonn
Einstudierung: Thomas Neuhoff

Beethoven-Orchester Bonn

Marc Soustrot
Leitung



Hector Berlioz
Grande Messe des morts
(Werkverzeichnis-Nr. 75)



Weitere Informationen
Beethovenhalle Bonn
www.beethovenhalle.de/






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