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Eine Poetin erzählt - Das Publikum ist gebannt
Von Gerhard Menzel Lise de la Salle ist noch keine 20 Jahre alt, aber ihr Spiel klingt schon wesentlich gereifter und ausgearbeiteter als das vieler anderer. Sie hat anscheinend ein untrügliches Gespür für Formen, thematische und melodische Verarbeitungen sowie harmonische Fortschreitungen und Entwicklungen. Bei ihr ist sofort zu hören, dass sie den Notentext aufmerksam verinnerlicht hat und ihn wie einen gesprochenen Text samt allen syntaktischen und semantischen Strukturen, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten in Töne fasst. Nicht subjektiv interpretierend, sondern ganz genau den Phrasen folgend, spürt man Form, Struktur, Sinn und Bedeutung und ist unmittelbar gefesselt. Selten war ein Publikum so aufmerksam und gebannt wie an diesem Abend in der Tonhalle Düsseldorf. Der erste Teil des Konzertes war ganz Wolfgang A. Mozart gewidmet. Die Sonate Nr. 6 D-Dur war ein Auftragswerk für den Münchner Freiherrn von Dürnitz, was man der Komposition mit ihrem repräsentativen Charakter durchaus anhören kann. Sie ist virtuos komponiert und wartet mit effektvollen Trillerpassagen und Handkreuzungen auf. Die brillant daherrauschenden Läufe ließ Lise de la Salle wie edelsten Champagner dahinperlen, fing diese am Ende aber immer sacht ab. Wie schon im zweiten und dritten Satz der D-Dur Sonate gestaltet Lise de la Salle die zwölf Variationen über "Ah, vous dirai-je, Maman" sehr differenziert und kontrastreich. Die Transformationen der schlichten Melodie durch figurative oder kontrapunktische Verarbeitung, Triolen oder virtuose Läufe, chromatische Wendungen sowie die Dur- und Moll- Variationen mit seinen Imitationen des Kopfmotivs, waren alle ihrem Charakter entsprechend bis in die kleinsten Nuancen ausgearbeitet. Auch bei Mozarts Rondo a-Moll KV 511 war bei Lise de la Salle zu hören, dass sie keinen Ton nur spielt, weil er notiert ist. Ob Chromatik, Triolenbewegung oder doppelter Kontrapunkt, sie strukturierte natürlich klar und phrasierte melodische Passagen selbst über längere Strecken sinnvoll und wohlproportioniert. Lise de la Salle Vergaß man im ersten Teil des Abends fast, dass das Klavier ein perkussives Instrument ist, dominierte gerade diese Eigenschaft den zweiten Teil des Konzertes. Vor allem in Prokofjews Sonate Nr. 3 a-Moll und in der das Programm beschließende Toccata d-Moll sorgen aggressiv motorische Elemente schier schlagzeugartig für einen wilden und düsteren Charakter. Hier demonstrierte Lise de la Salle, dass sie nicht nur mit Samtpfoten über das Klavier schleichen und es zum singen bringen, sondern dass sie auch ordentlich die Krallen sprechen lassen kann. Dabei ist ihr Spiel nie übertrieben oder überhetzt, vielmehr zurückhaltend, ausbalanciert und tief empfunden. Ein regelrechtes musikalisches Drama präsentierte Lise de la Salle mit den sechs Stücken aus "Romeo und Julia" von Sergej Prokofjew. Natürlich kann die Klavierversion nicht mit der farbigen und reich instrumerntierten Orchesterfassung des Ballets konkurrieren, aber Lise de la Salle erwies sich hier als eine wahre Poetin am Klavier und fasst diese tragische Geschichte so spannend und ausdrucksstark in Töne, dass selbst die notorischen Satzpausenhusterer stumm blieben. So eine spannungsvolle Atmosphäre ist nur sehr selten zu erleben, doch in diesem Konzert konnte man diese Art von musikalischer Verzauberung hautnah miterleben, was vom aufmerksam lauschenden Publikum mit Begeisterung gewürdigt wurde. Ihr großes Repertoir- und Ausdrucksspektrum demonstrierte Lise de la Salle in ihren Zugaben mit Rachmaninov und Bach, wodurch sie Lust auf mehr Lise de la Salle machte. Da sie sich allerdings derzeit auf maximal 45 Konzerte pro Jahr beschränkt, bleiben ihre Auftritte auch weiterhin rare und exquisite Rosinen im großen internationalen Konzertkuchen.
Lise de la Salle ist eine blitzgescheite und sensibel gestaltende "Erzählerin" mit einem weitgefächerten Repertoire, die bei weiterer sorgfältiger Disposition zu einer der ganz großen Pianistinnen unserer Zeit werden kann. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Lise de la Salle
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