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Rolando Villazón:
Cielo e mar


Ostermontag, 24. März 2008, 20 Uhr
Philharmonie Köln
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Tenoraler Charme zwischen Himmel und Meer

Von Stefan Schmöe

Im vorigen Sommer hat Rolando Villazon etliche Termine krankheitsbedingt absagen müssen. Über seine Krankheit hat er der „Welt“ ein drolliges Interview gegeben, wonach ihn ein Brennen beim Urinieren, erstmals aufgetreten ausgerechnet auf der Toilette Daniel Barenboims, geplagt hat, was aber jetzt auskuriert ist ("Immer wenn ich jetzt auf Toilette gehe, wenn ich pinkeln muss, denke ich: Toll, wie angenehm das ist. Man lässt einfach los, und es kommt rausgesprudelt. Ohne Brennen und ohne Schmerzen.") – das sind Stilblüten des Kunstbetriebs, die nach Aprilscherz klingen, das Image des unbeschwerten sunny boy aber eher noch untermauern dürften. Jetzt ist er auch künstlerisch wieder zurück: Pünktlich zum Erscheinen seiner Solo-CD „Cielo e mar“ ("Himmel und Meer", namensgebend ist eine Arie aus Amilcare Ponchiellis La Gioconda) singt er Teile des eingespielten Programms, das die populären Tenor-Arien weitgehend meidet, auch auf der Bühne. Von einer Promotion-Tour zu sprechen wäre gleichwohl falsch angesichts von zwei Konzerten in Deutschland (neben dem hier besprochenen noch in München), zumal sich der PR-Aufwand rund um das Konzert in angenehm überschaubaren Grenzen hielt.

Da kein Tenor allein zwei Stunden Programm bestreiten kann, muss ein Orchester her, das neben der Begleitung des Stars die etwas undankbare Rolle des Lückenfüllers hat. Den ganz vorzüglichen Prager Philharmonikern soll daher hier ein gebührendes Lob an erster Stelle zugedacht sein. Mit außerordentlich hoher Präzision und einem ausgewogenen Klang, der sich chamäleonhaft dem jeweiligen Werk anpasst und ihm eine ganz eigene Farbe verleiht, gibt das Orchester eine glänzende Visitenkarte ab. Das Dirigat von Marco Zambelli wirkt auf den ersten Blick unorthodox und eckig, aber offenbar herrscht fast blindes Verständnis zwischen Dirigenten und Musikern – jedenfalls reichen kleine Gesten, um entscheidende Impulse zu setzen.

Es gehört zu den eigenen Gesetzmäßigkeiten solcher Events, dass der Star, wenn er die Bühne betritt, noch vor dem ersten gesungenen Ton mit Jubel überschüttet wird – deutlich mehr als das Orchester, das immerhin bereits die etwas spröde Ouvertüre zu Cherubinis vergessener Oper Anacréon gespielt hat. Villazón, der mit dem erwähnten „Cielo e mar“ beginnt, wirkt angespannt. Seinen ersten Ton setzt er viel zu tief an, muss korrigieren, es dauert einen Moment, bis die Stimme ihren vollen Klang entfaltet. Wenn er dann ins Piano zurück wechselt, bricht der Klang weg und der Ton wird flach. Villazón reagiert geschmeidig, forciert den Ton etwas. Er selbst scheint am Ende der keineswegs gelungenen Arie weit weniger zufrieden als das Publikum, das entschlossen scheint zur kollektiven Extase. Auch in den folgenden Arien aus Cileas Adriana Lecouvreur gibt es manche Ungenauigkeit, auch kleine Kiekser.

Es geht hier nicht um Erbsenzählerei, wenn die Schwächen in Villazóns Gestaltung aufgezählt werden, sondern um grundsätzliche Probleme. Die Stimme scheint keineswegs ungefährdet, und der Sänger muss um jeden Ton ringen. Das Piano bleibt – gerade im Vergleich zur volltönenden Mittellage, mit der Villanzón wuchern kann - durchweg recht substanzlos, und immer wieder muss er nachdrücken, um im Mezzobereich den Glanz und die Intensität zu erreichen, den auch die ganz leisen Töne haben sollten. Auch ist die Stimme weder besonders groß noch übermäßig strahlend, weshalb er nicht einfach „aufdrehen“ kann. Gerade in der hohen Lage besitzt er kaum Reserven und muss sorgsam mit seinen stimmlichen Mitteln haushalten – da ist er gut beraten, die „schweren“ Partien zu meiden. Eine Naturstimme, die einfach loslegen kann, ist das nicht (auch wenn die PR-Arbeit das Bild vom unbeschwerten Naturburschen gerne vermitteln möchte) – eher hört man, dass große Kunst eben auch viel mit Arbeit und Anstrengung zu tun hat.

Auf der anderen Seite steht ein wunderbar dunkles, fast baritonales Timbre, einschmeichelnd und warm, mit dem Villazón sofort das Publikum einnehmen kann. Er singt intelligent und weiß, wie er melodische Höhepunkte vorbereiten muss – und wie er Spitzentöne, die eigentlich gar keine sind, durch kluge Gestaltung als solche erscheinen lassen kann. So rund und bruchlos bei gleichzeitig volltönender Stimme singt, solange er die Ausdruckspalette um die ganz lauten und ganz leisen Töne beschneidet, derzeit wohl kaum ein anderer Tenor. Dass er dadurch die interpretatorischen Mittel zwangsläufig begrenzt, ist eine andere Sache, die im ersten Teil des Konzerts stärker ins Gewicht fällt als im zweiten, in dem vor allem Verdi auf dem Programm steht.

Mit dem Herzog von Mantua aus Rigoletto kann Villazón stärker als zuvor gestalterisch brillieren, weil er nicht nur stimmlichen Wohlklang, sondern mehr als zuvor Charme und Spritzigkeit sowie die Beweglichkeit der Stimme einsetzen kann. Für die Szene des Gabriele aus Simon Boccanegra singt er dann fast schon zu kultiviert; für diese düstere Oper mit seinen dominanten tiefen Rollen ist als Kontrast ein metallischerer Tenor wohl die dramaturgisch bessere Wahl – aber schließlich ist dies ein Konzert, bei dem es auf solche Aspekte bestenfalls am Rande ankommt. Es zeigt sich da aber eben auch, dass Villazóns Repertoire begrenzt bleiben sollte, will er die Qualitäten seiner Stimme sinnvoll einsetzen. Auch der Rodolfo aus Luisa Miller leidet sehr gepflegt und eher undramatisch, dabei allerdings durchaus nuancenreich.

Mit dem Ende des Konzerts schien die Anspannung wie eine große Last von Villazón abzufallen: Mit den tenoralen Gassenhauern „O sole mio“ und „Granada“ erwies er sich gleichermaßen als begnadeter Entertainer und als großes Kind, spielt mit dem Publikum, tanzt übermütig auf der Bühne herum und flirtet beim Orchesterzwischenspiel mit der Konzertmeisterin – und manches, was vorher noch mit hoher Konzentration der Stimme abgerungen wurde, geht jetzt fließend und leicht. Dabei ist es mit beiden Stücken ja so eine Sache, haben doch alle großen Tenöre – und das heißt eben auch die Schwergewichte mit Riesenstimmen – hier lautstark ihre Duftmarke auf unzähligen CDs hinterlassen, und Villazón will mit einem anderen, feineren Stimmtyp damit konkurrieren. Was ihm an schierer Lautstärke fehlt, macht er bravourös mit geschickter Gestaltung und eindringlicher Intensität wett. Und bei aller Bühnenshow bleibt er authentisch, man nimmt ihm seinen natürlichen Charme ab. Auch, weil er geradezu überschwänglich dem Dirigenten und den Musikern der Prager Philharmoniker dankt, die ihn nicht nur souverän, sondern in höchstem Maße glanzvoll über alle Klippen des Abends gebracht haben.




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Ausführende

Rolando Villazón, Tenor
Prager Philharmoniker

Leitung: Marco Zambelli


Werke


Luigi Cherubini
Ouvertüre zu Anacréon

Amilcare Ponchielli
"Cielo e mar"
aus La Gioconda

Ermanno Wolf-Ferrari
Ouvertüre zu
Il segreto di Susanna

Francesco Cilea
"La dolcissima effigie"
aus Adriana Lecouvreur

Francesco Cilea
"L'anima ho stanca"
aus Adriana Lecouvreur

Pietro Mascagni
Orchesterzwischenspiel "Il sogno"
aus Guglielmo Ratcliff

Amilcare Ponchielli
"Il padre! Il padre mio!"
aus Il figliuol prodigo

Giuseppe Verdi
Ouvertüre zu Luisa Miller

Giuseppe Verdi
"Questa o quella"
aus Rigoletto

Giuseppe Verdi
"O inferno!"
aus Simon Boccanegra

Giacomo Puccini
Intermezzo aus Suor Angelica

Giuseppe Verdi
"O fede negar potessi... "
aus Luisa Miller

Ruggero Leoncavallo
Intermezzo aus Der Bajazzo

Antonio Carlos Gomes
"Intenditi con Dio... "
aus Fosca







Weitere Informationen
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