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Festkonzert
"10 Jahre Festspielhaus"


Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg
Alexei Volodin, Klavier
Leitung: Valery Gergiev

Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy
und Peter Tschaikowsky

14. September 2008
im Festspielhaus Baden-Baden
Homepage

Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)
Über raue Pfade zu den Sternen

Von Christoph Wurzel / Foto: Andrea Kremper

Auf den ersten Blick erscheint es nicht unbedingt nahe liegend, Tschaikowkys tragische 5. Sinfonie auf das Programm eines Jubiläumskonzerts zu setzen. Allzu schwermütig erhebt sich die Sinfonie aus dem düster klopfenden e-Moll-Motiv der Klarinette zu depressiv dramatischen Ausbrüchen. Auch in die lieblicheren Mittelsätze drängelt sich das Schicksalsmotiv unerbittlich hinein. Doch im letzten Satz erscheint es plötzlich in hellem Dur und treibt das Orchester einem triumphalen Finale entgegen. Des Komponisten Absichten, die der Musik zweifelsohne ein bestimmtes Programm unterlegten, werden von Exegeten unterschiedlich gedeutet, wobei die Meinungen über diesen plötzlichen Stimmungswechsel des sinfonischen Kernmotivs im letzten Satz von "kitschig und hohl" bis zum Ausdruck trotziger Skepsis, ja hoffnungslosem Verzweifeln an einer wirklich positiven Wende des Schicksals reichen.

Eine solche Musik zum zehnjährigen Jubelfest des Baden - Badener Festspielhauses? Parallelen zu der einen wie der anderen Deutung liegen hier nämlich ganz fern. Wenn schon ein Triumph am Schluss stehen soll, dann wäre als musikalische Metapher für die Jubiläumsfeier Beethovens Fünfte wesentlich passender gewesen. Aus Dunkel zum Licht oder "per aspera ad astra" gleichsam als Metapher für den Aufstieg des Festspielhauses. Denn aus den quälenden Problemen der Anfangsjahre hat es sich in zehn Jahren zu einer putzmunteren Kulturstätte entwickelt und unter den Musentempeln in Deutschland (vielleicht auch schon in Europa) eine glänzende Ausstrahlung erworben. Und wenn es nach dem Intendanten geht, dann folgt als nächstes sogar wirklich der Griff nach den Sternen: "Wir wollen an die internationale Spitze!" - so verkündete Andreas Mölich-Zebhauser in seiner Begrüßungsrede beim Festkonzert vor vollem Hause und besonders auch in Anwesenheit der zahlreichen Förderer, Sponsoren und Stifter, die im Übrigen etwa ein Drittel des Budgets ermöglichen. Also keine Spur von Zweifel und angesichts der künstlerisch ambitionierten Programme im Festspielhaus auch kein Kitschverdacht.

Vergrößerung in neuem Fenster Alexei Volodin und das Orchester
des Mariinsky-Theaters St. Petersburg
unter der Leitung von Valery Gergiev

Dass aber trotzdem Tschaikowskys Schicksalssinfonie auf dem Programm stand, war dem Dirigenten Valery Gergiev und dem Orchester des Mariinsky-Theaters zuzuschreiben, die im Festspielhaus Baden - Baden schon so etwas wie artists in residence sind. Als "Mann der ersten Stunde", bezeichnete Mölich-Zebhauser den Gast aus St. Petersburg in seiner Ansprache. Denn Gergiev hatte schon das Eröffnungskonzert im Frühjahr 1998 dirigiert, als er damals für den plötzlich verstorbenen Georg Solti kurzfristig eingesprungen war. Mehr noch - als nach wenigen Wochen Spielbetrieb das Haus bereits vor dem wirtschaftlichen Ruin stand, bewies Gergiev außergewöhnliche künstlerische Solidarität und ermöglichte durch gagenfreie Dirigate der neuen Leitung unter Mölich-Zebhauser eine Woche kostenloser Konzerte, eine Promotion für das durch Fehlplanung und Misswirtschaft in äußerst negative Schlagzeilen geratene Festspielhaus und der Durchbruch in der Akzeptanz dieses zweieinhalbtausend Plätze fassenden Hauses besonders auch in der Region. Dies gilt der heutigen Leitung als die zweite Geburtsstunde des Festspielhauses und daher feierte man in diesem Jahr auch erst im Sommer. Gergiev und das Festspielhaus samt seiner Leitung sind sich seitdem auch freundschaftlich verbunden.

Dass also Gergiev und sein Orchester außer Mendelsohns Sommernachtstraum-Ouvertüre, die auch schon vor zehn Jahren im Eröffnungskonzert erklang, mit zwei Werken des St.Petersburgers Peter Tschaikowskys von der Newa an die Oos gereist waren, kam einem Geburtstagsgeschenk gleich. Denn wenn man bei diesem Orchester in früheren Konzerten im deutschen Repertoire (etwa bei Wagner oder Brahms) auch gewisse Abstriche machen musste, so konnte sein Zugriff auf Tschaikowsky diesmal mehr als überzeugen. Ja, die Musiker zeigten sich sowohl beim 1. Klavierkonzert als auch in der 5. Sinfonie in Bestform. Es gelangen fulminante Aufführungen in mitreißendem Schwung und voller dramatischer Höchstspannung. Ein Geschenk von edelster Art also.

Alexei Volodin spielte mit ausnehmendem Feingefühl für die reichen Farbschattierungen des Klavierparts, zeigte wo nötig auch energisch die Pranke, bestach aber besonders durch eine intensive Versenkung in die lyrischen Passagen. Mit Verve hielt das Orchester dagegen, besonders im 3. Satz brillierten Solist und Orchester wechselseitig mit feurigem Esprit, ein allegro con fuoco par excellence. Das durch medialen Missbrauch entstellte Kunstwerk erlebte so etwas wie eine Rehabilitation.

Auch dem dramatischen Sog der 5. Sinfonie konnte man sich in dieser Wiedergabe nicht entziehen. Gergiev führte die Musik zu expressiv packenden Höhepunkten. Fein nuanciert in der Artikulation und klangschön (bei ein paar nur dem Eifer geschuldeten Unsauberkeiten) spielten die Instrumentalisten, besonders exquisit die Holzbläser. Glühend versenkten sich die Streicher ins Allegro con anima des 1. Satzes und schwärmerisch in das Andante maestoso des Finalsatzes. Kein Anflug von Routine, nur begeistertes Musizieren zur Begeisterung des Publikums. Der Intendant hatte solches zuvor als den Schlüssel des Erfolgs bezeichnet.

Neben diesem Festkonzert hatte sich das Festspielhaus drei weitere Geburtstagskonzerte gegönnt, die alle auf ihre Weise programmatische Signale setzen sollten: in Richtung der etablierten großen Stars (New York Philharmonic unter Maazel), der historisch informierten Entdeckerfreude (Thomas Hengelbrock) und einem größeren Stellenwert auch für die Jugend (Simón Bolívar Jugendorchester aus Venezuela unter Gustavo Dudamel). Diese Linien konsequent weiter zu verfolgen, mag man der Festspielhausleitung nur aufs Dringlichste wünschen. Pierre Boulez, der als Mitglied im Kuratorium der Kulturstiftung des Festspielhauses die äußerst kluge Festansprache hielt, gab den Machern noch zweierlei zweierlei mit auf den Weg der nächsten Jahre: erstens einen kleineren Saal für Kammermusik ins planerische Auge zu fassen und, was als sanfte Kritik und deutliche Ermutigung zugleich gelesen werden kann, sich in den Programmen mehr der (klassischen) Moderne zu öffnen, Werken, die über das nur Gängige hinausführen und den künstlerischen Horizont des Festspielhauses erweitern würden. Er hatte es im vergangenen Herbst im übrigen vorgemacht mit einem Konzert, in dem er mit großem Erfolg neben einer eigenen Komposition u.a. Edgar Varèses "Amériques" dirigiert hatte (s. Herbstfestspiele 2007).


FAZIT

So kann das gelungene Festkonzert gleichermaßen als zufriedener Rückblick auf die Jahre des Aufbaus wie auch als vorsichtiger Ausblick auf das Kommende verstanden werden. Auf den Programmen darf ruhig gern weiter so gut wie hier gespielter Tschaikowsky stehen. Aber auch die Musik jenseits des Altbekannten oder ewig Wiederkehrenden sollte öfter dabei sein.




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Das Programm

Felix Mendelssohn Bartholdy
Ouvertüre
"Ein Sommernachtstraum" Op. 21

Peter Tschaikowsky
Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll Op. 23

Sinfonie Nr. 5 e-Moll Op. 64

Grußworte von Andreas Mölich-Zebhauser
und John Neumeier
Festansprache von Pierre Boulez





Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
www.festspielhaus.de/



Da capo al Fine

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