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4. Sinfoniekonzert

7., 9., 10. Dezember 2008
rezensierte Konzertveranstaltung 9. Dezember 2008

Großes Haus der Städtischen Bühnen Münster
Homepage Sinfonieorchester Münster
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Kreative Energien und romantisches Sehnen

Von Ursula Decker-Bönniger

Eine Reise in selten zu hörende Musiklandschaften und Herausforderungen besonderer Art bot das 4. Sinfoniekonzert in Münster. Mit "Devant une neige" war zu Beginn die 1993 entstandene Orchesterkomposition eines der erfolgreichsten Komponisten seiner Generation ausgewählt worden.

Matthias Pintscher, von Helmut Lachenmann 1995 als "Komponisten voller kreativer Energien - mit sicherem Instinkt für formale und expressive Wirkungen, mit virtuosem Klangsinn - vor allem fähig zu Überraschungen" beschrieben, war damals bereits mehrfach ausgezeichnet und mit Stipendien gefördert und mit 24 Jahren gerade zum Wiener Kompositionsseminar eingeladen worden. 2003 fand in der Alten Oper Frankfurt ein ihm gewidmetes Komponistenporträt und Symposium statt. Seit 2007 ist er Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Theater München. 2008 wurde "Osiris" durch Pierre Boulez und das Chicago Symphony Orchestra uraufgeführt.

Die Orchesterkomposition "Devant une neige" trägt den Untertitel "Monumento II" und gehört zu einem Zyklus, in dem sich Pintscher auf unterschiedliche Weise mit dem Prosagedicht "Being Beauteous" des Symbolisten Arthur Rimbaud auseinandersetzt. Mit viel Schlagwerk, Harfe, Flügel, Kontrafagott und Sopranstimme wird das große Orchester um weitere Klangfarben ergänzt, die ähnlich wie bei den rätselhaften, intimen Bildfragmenten Rimbauds in verhaltenen Einzelfarben, -tönen, Klangaktionen wie Staccati, Glissandi nebeneinandergestellt sind und sich immer wieder zu schrillen, gewaltigen Klangbildern aufbauen. Diese, auf verschiedene Weise den Klangraum erschließenden, von dem Gastdirigent Erich Waechter mit großen Spannungsbögen interpretierten Crescendo-Entwicklungen bleiben Fragmente, bzw. werden von besonderen Klangeinfällen unterbrochen. Zum Beispiel wird man plötzlich von einem unvermittelt einsetzenden stilisierten Schrei der Sopranstimme überrascht oder von harmonischen Abschnitten, Motiven, vibrierenden Klängen tiefer Streicher, in denen Erinnerungen von romantischer Schönheit und melodisch-harmonisch geordnetem Zusammenspiel aufblühen.

Anschließend folgte mit dem 1. Violinkonzert von Schostakowitsch eine Reise in den russischen Expressionismus. 1947-48 komponiert fiel die Entstehung des David Oistrach gewidmeten Konzerts in die Zeit restriktiver, repressiver sowjetischer Kulturpolitik, in den Beginn des Kalten Krieges. Schostakowitsch, der sich seit der Komposition seiner Leningrader Sinfonie internationaler Anerkennung erfreute, wurden plötzlich "eigentümliche Chiffriertheit und Abstraktheit der musikalischen Sprache", "expressionistische Übertreibung, Nervosität, eine Hinwendung zur Welt der degenerierten, abstoßenden, pathologischen Erscheinungen" vorgeworfen. Er durfte nicht mehr unterrichten und schrieb zum Broterwerb Filmmusik. Das 1. Violinkonzert blieb unveröffentlicht und wurde erst im Oktober 1955 uraufgeführt.

Mit Nocturne, Scherzo, Passacaglia und Burlesque ist es ein in Satzfolge, Form und Ausdruck eigenwilliges Konzert, in deren Besetzung Trompete und Posaune fehlen, Holzbläser aber dreifach besetzt sind und neben den Streichern Tuba, Xylophon, Celesta und Harfe als Klangfarben eingesetzt werden. Solistin des Abends war die 24-jährige, schlanke, bildschöne Sarah Spitzer. Jung und selbstbewusst stellte sie ihr Soloprogramm in Lesungen mit Armin Mueller-Stahl und Venessa Redgrave einer breiten Öffentlichkeit vor. Mehr konzertante Sinfonie als Solokonzert bedeutete das symphonisch-dramatische Werk Schostakowitschs eine Herausforderung besonderer Art an die junge Solistin. Während sie im ersten, langsamen Satz in großen Legato-Melodiebögen und mit ausdrucksstarkem Ton Momente des Melancholisch-Verträumten zu wecken wusste, stellte vor allem der 2. Satz mit den schnellen, hämmernden, grotesk wirkenden Akkordfolgen zu hohe Anforderungen an Ausdruckskraft und Zusammenspiel mit dem Orchester. Technisch überzeugend, spannungsvoll und nuanciert im Ausdruck dagegen waren die Solokadenz und der burlesk heitere Ausdruck des letzten Satzes.

Abschließend erklang ein zeitloser Publikumsliebling, die romantische Sinfonie "Aus der Neuen Welt" von Antonín Dvorák. Spiegel einer engen, kreativen Bindung an böhmisch-slawische Volksmusik und Folklore überhaupt, ist sie das erste Werk, das Dvorák während seines dreijährigen Aufenthalts in den USA schrieb und wurde 1893 mit großem Erfolg in der Carnegie-Hall uraufgeführt. Gastdirigent Erich Waechter kontrastierte in seiner Interpretation vor allem rhythmisch und melodisch geprägte Abschnitte, ließ synkopische Wendungen oder die auskomponierte Beschleunigung im 4. Satz aufleben und versah die melancholischen Melodien mit kitschig-, romantisch-schönem Schmelz.


FAZIT

Ein für Hörer und Musiker spannendes, forderndes Konzert!




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Sarah Spitzer
Violine

Sinfonieorchester Münster

Erich Waechter
Dirigent



Matthias Pintscher
Devant une Neige
Monumento II für Orchester

Dimitrij Schostakowitsch
Konzert für Violine und Orchester
Nr.1 a-Moll op.77

Antonín Dvorák
9. Sinfonie e-Moll op.95
"Aus der Neuen Welt"



Weitere Informationen

Sinfonieorchester Münster
www.sinfonieorchester-muenster.de






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