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Musikfest Berlin 2011


Huelgas Ensemble
Minguet Quartett

Jean-Yves Thibaudet, Klavier
The Philadelphia Orchestra
Charles Dutoit, Dirigent


Werke von Berlioz, Liszt und Rihm

2. September in der Gethsemane-Kirche Berlin
3. September in der Philharmonie Berlin

 


(Homepage)
Nach innen – nach außen

Von Christoph Wurzel 

„Von Hämmern und Stimmen“ - dieses Leitmotiv setzte der künstlerische Leiter Winrich Hopp über das diesjährige Musikfest Berlin, das alljährlich zu Beginn der Konzertsaison in der Hauptstadt einen ersten bedeutenden programmatischen Akzent setzt. In diesem Jahr bot das Musikfest (unter dem früheren Namen „Berliner Festwochen“ schon bestens eingeführt) an 19 Festivaltagen 25 Konzerte in der Philharmonie, im Konzerthaus, im Radialsystem und in der Gethsemanekirche, deren Programme, wie es die Leitidee wollte, die Spannweite zwischen dem Perkussiven und dem Atmenden in der Musik ausloten wollte. Gleichzeitig legte das Programm-Angebot aus insgesamt 75 Werken von 35 Komponisten deutliche Schwerpunkte, einerseits auf die beiden Jahresjubilare Franz Liszt und Gustav Mahler und andererseits auf zwei Fixpunkte der musikalischen Moderne, Luigi Nono und Wolfgang Rihm. Natürlich ließen sich dabei neben allen Unterschieden in diesem Komponistenquartett die Elemente „Schlag“ und „Stimme“ auch als Verbindendes zeigen, was in den beiden Eröffnungskonzerten eindrücklich zu erleben war. Hier waren Franz Liszt und Wolfgang Rihm gegenüber gestellt, wobei vor allem die beiden Werke Rihms den Bogen zwischen vokaler Innerlichkeit und extrovertierter Orchestervirtuosität weit ausspannten. 
 

Bild zum VergrößernBerliner Gethsemanekirche als Konzertort

In der besonderen sakralen Atmosphäre der Gethsemanekirche mit ihrer ausgeprägten Nachhall-Akustik führte das Huelgas-Ensemble gemeinsam mit dem Minguet Quartett Wolfgang Rihms et lux auf, eine rund einstündige Musik für jeweils ein vierstimmiges Vokal- und Streicher-Ensemble, die zwar auf den Gedanken des lateinischen Requiems beruht, aber diesen Text in keiner Weise liturgisch auffasst, sondern lediglich Fragmente daraus, teilweise nur als Vokalisen in Töne setzt. So entsteht eine höchst meditative Musik, die einen weiten Assoziationsraum öffnet zwischen Bangen (dies irae) und Hoffen (lux aeterna), Verzweiflung (tremens factus sum)  und Erlösung (libera me), dabei aber nicht auf religiöse Gefühle festlegt, sondern in emotional allgemein erfahrbare  Klangwelten führt,   die zwischen der frühen Mehrstimmigkeit über Gesualdos herbe Dissonanzen, über romantische Harmonien bis hin zu den Tonclustern der Moderne hin und her floaten. Ohne große rhythmische Kontraste fließt die Musik in meist ruhiger Bewegung. Durchbrochen wird der vorherrschend vokale Klangcharakter von instrumentalen Akzentuierungen der Streicher, scharrenden Tremoli, schneidenden Pizzicati oder auch weichen Legatolinien. Das Huelgas-Ensemble, mit der Alten wie der Neuen Musik gleichermaßen hochprofessionell vertraut, interpretierte den klanglichen Mikrokosmos dieser Musik  mit höchstem Gespür und in technischer Perfektion. Exzellent ergänzte das Minguet Quartett die vokalen durch fein ziselierte instrumentale Klangfarben. So stellte sich an diesem Abend ein besonderes Erlebnis musikalischer Introspektion ein.

Vollkommen extrovertiert zeigte sich am nächsten Abend in der Philharmonie Rihms Musik für großes Orchester Verwandlung 3 , das gespielt vom Philadelphia Orchestra den offiziellen Auftakt des Musikfestes einleitete. Zeigt sich Rihm in et lux als Meister musikalisch höchst sensitiver Kleinteiligkeit, so wird in diesem zehnminütigen Orchesterstück klanglich vor allem gewuchert. Nach einem Fortissimoschlag zu Beginn entwickelt sich ein komplexes symphonisches Geschehen, das den großen Orchesterapparat souverän bedient und in großorchestraler Manier der späten Spätromantiker wie Strauß oder Korngold monumentale Klangwellen entfacht. Das Philadelphia Orchestra ließ sich mit diesem Einstieg in sein Gastkonzert mit virtuosem Furor und brillanter Klanggebung wahrlich nicht lumpen. Es folgte dann Liszts 2. Klavierkonzert , in dem Jean-Yves Thibaudet die perkussive Saite anschlagen konnte und damit auch nicht sparte. Der exzellenten Akustik der Philharmonie sei Dank, dass er das Orchester nicht an die Wand spielte - und dem überaus wachsamen Routinier Charles Dutoit am Pult. Dadurch wurde Liszts Klavierschlager dann doch noch zu einem auch bisweilen Ohren schmeichelnden Stück von Feinfühligkeit.


Dass die Sinfoniker aus Pennsylvania mit Recht zu den Big Five der amerikanischen Orchester zählen, bewiesen sie spätestens in der abschließenden Symphonie fantastique von Hector Berlioz. Hier wurde eine Klangbalance hörbar, die selten erreicht wird und die Soli waren von solch instrumentalem Feinschliff, dass es eine Freude war. Hier war ein Orchester gekommen, dessen Perfektion wirklich nicht mehr zu überbieten ist. Und doch blieb ein kleiner Rest an Wünschen offen: im Ausdruck, in der musikalischen Gestaltung dessen, was zwischen den Noten steht und über reine Technik hinausreicht in die Sphäre des Gefühls – in diese Dimension der Musik stieß bei aller Brillanz dieses Orchester nicht allzu weit vor. Der Gang zum Richtplatz des musikalischen Helden beim Romantiker Berlioz ließ einen beim Hören dann doch etwas kalt.


FAZIT
Schon die Eröffnungskonzerte spannten also einen Bogen aus, führten dahin, wo Musik uns im Innersten berührt und dahin, wo sie große Gemälde ausbreitet. Leider war eine Synthese aber im Falle von Berlioz’ Episode aus dem Leben eines Künstlers nicht ganz gelungen.


2. September 2011

Huelgas Ensemble
Minguet Quartett
Paul Van Nevel,
Dirigent

Wolfgang Rihm 
Et Lux
Für Vokalensemble und Streichquartett (2009)




3. September 2011


Jean-Yves Thibaudet, Klavier
The Philadelphia Orchestra
Charles Dutoit,
Dirigent
 

Wolfgang Rihm 
Verwandlung 3
Musik für Orchester (2007-08)
Franz Liszt
Konzert für Klavier und Orchester
Nr. 2 A-Dur

Hector Berlioz
Symphonie fantastique op. 14











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