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Teufel würdigt Bach-Exegeten
Von Christoph Wurzel / Fotos: Jochen Klenk Zu
Karajan habe er eigentlich gar keine direkte Beziehung gehabt. Um etwas
zu lernen, sei er zu Bernstein gegangen. Dies bekundete selbstironisch
Helmuth Rilling anlässlich der Übergabe des Herbert von Karajan
Musikpreises im Festspielhaus Baden-Baden. Dennoch: als bedeutender Dirigent, Lehrer und Initiator zahlreicher und vielfältiger musikalischer Projekte wurde er jetzt mit dem nach Bernsteins Antipoden benannten Preis ausgezeichnet, auch weil er dem Festspielhaus, dessen Stiftungsrat den Preisträger bestimmt, durch häufige Gastspiele eng verbunden ist. Der bisher schon stattlichen Zahl seiner Preise und Ehrungen konnte er nun diesen angesehenen Musikpreis hinzufügen. In der illustren Reihe von Künstlern und Ensembles zwischen Anne-Sophie Mutter, den Berliner Philharmonikern, Jewgeny Kissin, Valery Gergiev, John Neumeier, Alfred Brendel, Thomas Quasthoff und Daniel Barenboim ist Helmuth Rilling 2011 der neunte Preisträger. Der Preis ist dotiert mit 50.000 Euro, die der Preisträger für Projekte zur Förderung des musikalischen Nachwuchses verwenden soll. Und in der Widmung dieser Summe für verschiedene Einrichtungen spiegeln sich auch die Schwerpunkte von Rillings eigenem Wirken wider. Er möchte das Preisgeld zum einen Teil einem Festival für junge Kammermusiker im schwäbischen Hohenstaufen zukommen lassen, wodurch sich sein bedeutsames Wirken in seiner württembergischen Heimat dokumentiert. Einen weiteren Teil will er dem Oregon Bach Festival zur Verfügung stellen, damit dem Dirigentennachwuchs die Teilnahme an den dort stattfindenden Meisterkursen erleichtert werden kann. Rilling ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter dieses Festivals in den Vereinigten Staaten, woher auch eine kleine Delegation eigens nach Baden-Baden angereist war. Schließlich fließt ein weiterer Teil in die von ihm ganz besonders bevorzugte Bachpflege in Stuttgart und soll dem Jungen Stuttgarter Bachensemble zugute kommen. Helmuth Rilling mit dem Herbert von Karajan Musikpreis und Laudator Erwin TeufelBach
und Rilling - zwei Namen, die in der gegenwärtigen Musikwelt untrennbar
erscheinen. So würdigte der ehemalige baden-württembergische
Ministerpräsident Erwin Teufel, der mit Rilling nicht allein
kulturpolitisch, sondern auch freundschaftlich seit langem verbunden
ist, diesen auch als einen „Botschafter Johann Sebastian Bachs“. In
seiner Rede ging Teufel auf Rillings vielseitiges Wirken im Südwesten
wie auch weltweit ein. Rilling sei ein Brückenbauer zwischen den
Kulturen im Namen der Musik des Thomaskantors. Neben der intensiven
Pflege des Bachischen Werks im Schwäbischen habe Rilling auch immer
wieder dessen Musik in Weltregionen getragen, in denen diese Musik noch
weitgehend unbekannt gewesen sei, wie in die Sowjetunion der Siebziger
Jahre oder gegenwärtig nach China. Und Rilling sei es immer wieder
gelungen, die Herzen der Menschen für die Musik Bachs zu öffnen. Nach
vielen, „zu vielen preisenden Worten“ (Rilling) kam dann das zu seinem
Recht, was Rillings eigentliche Aufgabe ist, was er selbst als seine
Mission betrachtet, die Aufführung der Musik seiner beiden herausragend
bevorzugten Komponisten Bach und Mozart. Als Eingangswerk hatte Rilling
beziehungsreich Bachs Kantate Wachet!
Betet! Betet! Wachet! gewählt, die für den vorletzten Sonntag
im Kirchenjahr geschrieben wurde, also von ihrer liturgischen Aufgabe
her genau in die aktuelle Aufführungszeit passt. Es handelt sich um
eine der besonders expressiven Kantaten, in der einerseits das
Weltenende beschworen und zugleich die Gewissheit im Glauben bekräftigt
wird. Schon mit dieser Wahl zeigte sich, wie Rillings
Bachverständnis sich auch wesentlich vom theologischen Gehalt der Musik
leiten lässt. In spannungsgeladener Intensität musizierte er mit dem
Bach-Collegium Stuttgart und der Gächinger Kantorei dieses Werk, leider
wurden aber vollkommene Präzision und differenzierter Klang nicht
durchgehend erreicht. Helmuth Rilling leitet die Gächinger
Kantorei, das Bach-Collegium Stuttgart und die Solisten Kirsten Blaise,
Kismara Pessatti, Dominik Wortig und Klemens Sander beim Mozart-Requiem Den
Höhepunkt des Festkonzerts bildete daher Mozarts Requiem, dessen Ausdruckskraft
durch die Bearbeitung von Robert D. Lewin noch betont wird. Lewin hat
das Mozartsche Fragment nachkomponierend ergänzt, wie etwa nach dem
Lacrimosa eine Fuge eingefügt und an einigen Stellen die Orchestrierung
markanter gestaltet. So hört man im Übergang zum Hosianna ein
deutliches Trompetensignal, das den triumphalen Charakter der
nachfolgenden Passage verstärkt. Rilling hatte diese gegenüber der
traditionellen Süssmayr-Fassung dramatischere Version für das Bachfest
in Stuttgart selbst in Auftrag gegeben. Die Aufführung nun auch in
Baden-Baden verfehlte diese Wirkung nicht. Die exzellente Gächinger
Kantorei gestaltete die Chorpartien souverän mit großer Emphase, das
Bach-Collegium Stuttgart spielte transparent und klangschön. Das
Solistenquartett, Kirsten Blaise mit strahlend hellem Sopran, Kismara
Pessatti mit gesättigter Altstimme, Dominik Wortigs beweglicher Tenor
und Klemens Sander mit durchdringendem, schlanken Bass wurde von
Rilling nun sehr präzise geführt und trug zur eindringlichen
Wirkung entscheidend bei.
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Gächinger
Kantorei Bach-Collegium Stuttgart Kirsten Blaise, Sopran Kismara Pessatti, Alt Dominik Wortig, Tenor Klemens Sander, Bass Johann Sebastian Bach Kantate „Wachet! Betet! Betet! Wachet!“ BWV 70 Wolfgang Amadeus Mozart Requiem KV 626 (Ergänzung Robert D. Lewin) Helmuth Rilling, Leitung
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