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Jonas Kaufmann


Montag, 10. Oktober 2011, 20 Uhr
Philharmonie Essen
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Nicht nur "Liebling vieler Damen"

Von Thomas Tillmann / Fotos von Sven Lorenz

Nein, Jonas Kaufmann ist mehr als der Liebling vieler Damen, auch wenn er unter ihnen einige besonders enthusiasmisierte Fans hat, die sich auch bei seinem Arienabend in der Essener Philharmonie nicht beruhigen konnten, bevor er noch einen Ton gesungen hatte und die es kaum auf ihren Plätzen hielt. Grund dafür gab es einigen, Kaufmann bewies an diesem Abend, dass er zurecht als einer der ganz Großen der Szene gehandelt wird und zudem Mätzchen à la Villazon oder Grigolo nicht nötig hat, sondern weiß, dass er sich in einem Konzertsaal befindet und einen Arienabend gibt.

Enzos "Cielo e mar" fand ich schon auf der Verismo-CD den schwächsten Titel, der etwas maulige, sehr baritonale Ton in der unteren Lage und im Piano ist meine Sache nicht, aber auch in dieser Arie bewunderte man bereits die exzellente messa di voce und die enorme Pianofähigkeit, und auch die üppigen, wenn auch nicht ohne Kraft erzeugten Töne in der Vollhöhe, die ich am attraktivsten an Kaufmanns Stimme finde, verfehlten natürlich ihre Wirkung nicht. Die Arie des Romeo aus Zandonais Shakespeare-Adaption liebt der Sänger mehr als der Rezensent, aber von Maurizios "La dolcissima effigie" an steigerte sich der Deutsche mehr und mehr und überzeugte vor allem durch seine glänzende Phrasierung und die enorme technische Meisterschaft, die Tiefe der Identifikation mit den portraitierten Figuren, ohne dass er je auch nur die Grenze zur vordergründigen Outrage und billigen histrionischen Effekten streifte. Besonders anrührend gelang ihm Turridus Abschied von der Mutter, nicht nur wegen der souverän eingesetzten mezza voce in vielen Passagen, sondern auch weil seine Interpretationen live mehrdimensionaler und lebendiger geraten als man sie von der CD in Erinnerung hat. Zudem versteht Kaufmann, wie man eine Szene aufbaut, wie man mit künstlerischem Geschmack Emphase kontrolliert.

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Davon lebt auch sein Andrea Chénier, dessen Improvviso er mit einem bemerkenswerten Morendo auf "firmamento" adelte, während Siegmunds "Winterstürme" wie manches vorher von der generösen Phrasierung, den vollendeten Legatobögen und dem reichen Ton lebte, ich mir aber eine noch präzisere Diktion vorstellen könnte. Ausgesprochen zart und verinnerlicht (bei natürlich unverändert dunklem Ton und damit für manchen Fan der heute gern eingesetzten luftigen lyrischen Tenöre ungewohnt maskulin) begann Kaufmann die Gralserzählung, es stand einem der Mund offen angesichts der im Pianissimo genommenen "Taube", aber auch angesichts des kraftvoll, aber nicht kraftmeierisch angegangenen Schlusses dieser Szene, die man in solcher Vollendung ausgeführt wohl selten hört.

Und auch in den erst nach langem Beifall gewährten Zugaben unterstrich der Sänger, wie sehr er sein Instrument beherrscht und für differenzierte Interpretationen ganz unterschiedlicher Titel einzusetzen versteht, namentlich "L'anima ho stanca" aus Adriana Lecouvreur und Refices "Ombra di nube" (freilich hätte man sich gefreut, nicht nur Titel zu hören, die man aus den Aufnahmen des Sängers bereits kannte). Mit "Du bist die Welt für mich" aus Der singende Traum, das Richard Tauber seinem Kollegen und Freudn Joseph Schmidt gewidmet hatte, reihte Kaufmann sich selbstbewusst, aber keineswegs zu Unrecht in diese große Tradition ein - und ließ Gedanken an ein Operettenalbum aufkommen, denn auch in diesem Repertoire wäre er mit seiner großen Seriosität ein Gewinn (youtube verschafft da einige Einblicke), auch wenn man viele der vorstellbaren Titel selten von einer so dunklen, dramatischen Stimme gehört hat, eine eben solche aber das eine oder andere Mal ja durchaus vermisst hat.

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Dem einen Besucher oder der anderen Besucherin werden es ein paar Orchesterbeiträge zu viel gewesen sein (dafür blieb einem ein mittelmäßiger "Gast" erspart, der vielleicht auch Nerven gekostet hätte), zumal die Bochumer Symphoniker unter Jochen Rieders ordentlicher Leitung sicher in anderem Repertoire mehr zuhause sind als in der Oper und hier besonders in der italienischen. Immerhin, über das muntere Gepolter in Verdis nicht einfacher I Vespri Siciliani-Sinfonia kam das Kollektiv dann doch in einigen Stücken hinaus, ohne dass die Ausführung der berühmten Danza delle ore den nötigen Drive und die Raffinesse gehabt hätte, um nicht gar so sehr nach Kunsthandwerk zu klingen, der Wally-Auszug die erforderliche geheimnisvoll-bedrohliche Spannung geatmet hätte, die er braucht, und auch bei der Danse Bacchanale stand die technische Bewältigung und der Spaß am musikalischen Austoben im Vordergrund, für feinere Akzente und Stimmungen war da kein Raum, da mochte sich Jochen Rieder am Pult noch so ins Zeug legen. Und so klangen auch die beiden Lohengrin-Vorspiele noch etwas unfertig in der Feinabstimmung.




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Ausführende

Jonas Kaufmann, Tenor

Bochumer Symphoniker

Leitung: Jochen Rieder


Werke


Giuseppe Verdi
Ouvertüre zu I Vespri Siciliani

Amilcare Ponchielli
"Cielo e mar"
Arie des Enzo
aus La Gioconda

Amilcare Ponchielli
"Tanz der Stunden"
aus La Gioconda

Riccardo Zandonai
"Giulietta! Son io"
Arie des Romeo aus Giulietta e Romeo

Alfredo Catalani
Vorspiel zum 4. Akt von
La Wally

Francesco Cilea
"La dolcissima effegie"
Arie des Maurizio aus Adriana Lecouvreur

Pietro Mascagni
Intermezzo aus
Cavalleria rusticana

Pietro Mascagni
"Addio alla madre"
Arie des Turridu aus
Cavalleria rusticana

Camille Saint-Saens
Danse Bacchanale aus Samson et Dalila

Umberto Giordano
Improvviso des Chénier
aus Andrea Chénier

Richard Wagner
Vorspiel zum 3. Akt von Lohengrin

Richard Wagner
"Winterstürme wichen dem Wonnemond"
Szene des Siegmund aus dem
ersten Aufzug von Die Walküre

Richard Wagner
Vorspiel zum 1. Akt von Lohengrin

Richard Wagner
Gralserzählung des Lohengrin aus Lohengrin





Weitere Informationen

Philharmonie Essen
www.philharmonie-essen.de



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