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Preis für die „Schamanin des Gesangs“
Von Christoph Wurzel / Foto: manolo press Es ist unmöglich, von Cecilia Bartoli nicht gefesselt zu sein. Das sagten sich offenbar auch die Mitglieder des Kuratoriums der Kulturstiftung Festspielhaus Baden–Baden und vergaben den diesjährigen Herbert-von-Karajan-Musikpreis an eben diese Sängerin. Und ebenso unmöglich ist es, unter Musikinteressierten jemanden zu finden, der Cecilia Bartoli nicht kennt, nicht die eine oder gar alle ihrer CDs besitzt und ihre Stimme nicht im Ohr hat. Was die Publicity angeht und die Vermarktung ihrer Aufnahmen, kommt - zumindest in der Welt der Barockmusik - gegenwärtig kaum eine andere Künstlerpersönlichkeit an sie heran. Und eben diese Tatsache ist das Erste, was die quirlige Römerin mit dem eher unnahbaren Herbert von Karajan gemeinsam hat. Daneben gehört Cecilia Bartoli aber auch zu den Karajan-Preisträgern, die (neben Anne-Sophie Mutter, Jewgeni Kissin, Valery Gergiev oder den Berliner Philharmonikern) zu dem Maestro noch tiefere Verbindungen haben, denn zum Einen ist die Bartoli mittlerweile als künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele in einer längeren Reihe Amts-Nachfolgerin Karajans und schließlich – dies ist wohl das bemerkenswerteste Detail – ist sie ihm als ganz junge Sängerin auch in Salzburg begegnet und, wie sie selbst sagt, von ihm auf ihrem künstlerischen Weg entscheidend ermuntert und bestärkt worden. Eine gemeinsame Aufführung von Bachs h-Moll-Messe mit ihr als Solistin kam infolge des plötzlichen Todes Karajans im Sommer 1989 nicht mehr zustande. Nun ist eine
direkte Verbindung der Preisträger zum Namensgeber allerdings
nicht Bedingung für diese Auszeichnung, dessen Preisgeld zwar von
der Herbert-von-Karajan-Stiftung ausgeschüttet wird, die aber vom
Festspielhaus Baden-Baden an herausragende
Künstlerpersönlichkeiten vergeben wird, welche die stattliche
Summe von 50.000 Euro an Institutionen der musikalischen
Nachwuchsförderung weitergeben sollen. Aufgrund ihrer engen
Verbindung zum Opernhaus Zürich wird Cecilia Bartoli den
größten Teil der Summe dem dortigen Opernstudio zur
Verfügung stellen. Neben solchem Mäzenatentum haben sich aber
alle vorherigen Preisträger natürlich auch durch ihre
besonderen künstlerischen Leistungen für diesen angesehenen
Preis qualifiziert, was die illustre Reihe der neun Vorgängerinnen
und Vorgänger belegt, deren Frauenanteil mit Cecilia Bartoli übrigens erst
zwei beträgt.
Alle von Cecilia entzückt: Dirk
Schümer (Laudator), Horst Weizmann (Vorstand der Festspielhaus
Kulturstiftung) und Andreas Mölich-Zebhauser (Indendant) bei der
Verleihung des Herbert-von-Karajan-Musikpreises an Cecilia Bartoli (v.l.)
Cecilia Bartolis künstlerische Bedeutung stellte Dirk Schümer, Feuilleton - Korrespondent der FAZ, in seiner mit Pointen gespickten Laudatio heraus. Neben ihrer großen Kunst zu singen sei ihr Gespür für bis dahin unentdeckte oder verschollene Schätze der Musikgeschichte eine weitere bedeutende Seite ihrer Künstlerpersönlichkeit. Mit unermüdlicher Energie suche sie in den Archiven und habe so schon manchen „Loser der Musikgeschichte“ aus der Vergessenheit gerissen und zu seinem Recht verholfen. Dadurch habe sie zudem für ein breites Publikum den Blickwinkel der Barockrezeption entscheidend erweitert (dies übrigens ganz im Gegensatz zu Karajan, dessen Repertoire im Wesentlichen auf das Gängige beschränkt geblieben sei). Schümer stellte besonders ihre Programme mit der „Opera proibita“ und den Kompositionen für Maria Malibran heraus, für die sie sogar eine kleine Ausstellung zusammenstellte, welche in einem Bus die damalige Konzert-Tournee begleitete. Dabei erinnerte Schümer an den denkwürdigen Besuch der Bartoli in Baden – Baden, wo sie den Lebensspuren von Malibrans Schwester Pauline Viardot nachspürte und deren höchst interessanter Rolle im kulturellen Leben der Kurstadt um die Mitte des 19. Jahrhunderts. (Sicherlich hat diese Episode nicht unerheblichen Anteil an der Ausgrabung von Viardots Salonoper Cendrillon, die bei den kommenden Osterfestspielen im Baden-Badener Theater aufgeführt werden soll.) Im Bereich der Barockmusik sei Cecilia Bartoli eine Pionierin, ohne die Karrieren wie die einer Kermes, DiDonato oder eines Jaroussky heute kaum denkbar wären. Auch - oder gerade - der Laudator hielt nicht hinterm Berg mit seiner Begeisterung für Cecilia Bartolis einzigartiges Charisma. „Als Ärztin wäre sie Schamanin geworden“, so groß sei ihre Kraft, das Publikum zu verzaubern. Und wirklich sei die Zuneigung Cecilia Bartolis zum Publikum so groß, dass ein jeder denken müsse, „Ich bin gemeint“. Ihr großer Erfolg habe sie nicht eitel werden lassen. Schümer betonte ihre Kollegialität, vor Konkurrenz habe sie keine Angst. Kompromisslos sei sie allein in künstlerischen Fragen, leidenschaftlich brenne sie für das beste Ergebnis. Cecilia Bartoli sei einfach eine phänomenal „menschliche Künstlerin“. Alles in allem erfasste diese Laudatio perfekt das Wesen der Sängerin und ihrer Kunst. Sie schaffte es mühelos, den musikalischen Rahmen zum besten Argument für ihre Preiswürdigkeit werden zu lassen. Cecilia Bartoli sang zuerst drei Händelarien, darunter in so empfindsamer wie eindringlicher und zugleich unprätentiöser Weise Lascia la spina, colle le rose und eine Jubelarie aus Teseo auf den Text Fedel son io. Im zweiten Teil stellte sie ihre neuesten Ausgrabungen vor: eine Auswahl von Arien aus Opern von Agostino Steffani, die auch auf ihrer jüngsten CD „Mission“ enthalten sind. Mit diesem Programm ist Cecilia Bartoli gegenwärtig auch auf Konzerttournee (siehe die OMM-Rezension des Konzerts in Dortmund). Bei diesem Programmteil zeigte sich im Wechsel furioser Bravourarien mit vokalen Trauergesten, die bis zum Verlöschen der Stimme reichen, ihr phänomenales Geschick für eine wirkungsvolle Programmdramaturgie, was ihre einzigartige Art der barocken Vokalrhetorik eindrucksvoll unter Beweis stellte. Das kammerorchesterbasel steuerte außer der einfühlsamen Arienbegleitung mit einer breiten Palette an Klangfarben und pulsierendem Spiel auch einige Ouvertüren von Händel und Steffani bei. Es schien übrigens animierter zu klingen als auf der CD von den Barocchisti, was sicherlich auch ein Gutteil dem Live-Eindruck zu danken ist.
Nicht allein der Laudator ist geistig vor Cecilia Bartoli als einer
„neuen Assoluta“ niedergekniet, auch das Publikum feierte seinen Star
frenetisch - und dabei würdig. |
Das
Programm Georg Friedrich Händel Ouvertüre zur Oper Giulio Cesare in Egitto Arien aus Lotario, Il Trionfo del Tempo e del Disinganno und Teseo Verleihung des Herbert von Karajan Musikpreises 2012 durch Senator Dr. h.c. Horst Weizmann Laudatio: Dirk Schümer Agostino Steffani Ouvertüren zu den Opern Henrico Leone, La libertà contenta und Il trionfi del fato Arien aus den Opern Alarico il Baltha, Tassilione, La superbia d’Alessandro und Niobe,regina di Tebe Cecilia Bartoli, Mezzosopran kammerorchesterbasel Konzertmeisterin: Julia Schröder
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