Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Mahler Chamber Orchestra
"Peer Gynt"


Schauspielmusik von Edvard Grieg zu Henrik Ibsens Peer Gynt, op. 23

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Freitag, 5. Oktober 2012, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Bewegende Bühnenmusik in der Philharmonie

Von Thomas Molke / Fotos folgen

Edvard Griegs Peer Gynt verbindet man meistens nur mit der in der Werbung häufig zitierten "Morgenstimmung" oder den beiden Musikstücken "In der Halle des Bergkönigs" und "Solveigs Lied", drei Nummern, die sich aus den vom Komponisten für den Konzertgebrauch zusammengestellten zwei Suiten zu regelrechten Ohrwürmern entwickelt haben. Dass Grieg ursprünglich 26 Musiknummern komponierte, die als Bühnenmusik mit Ibsens Drama zur Zeit der Uraufführung 1876 in Oslo eine untrennbare Einheit eingingen, wird heutzutage häufig vergessen. Zwar wird auch bei aktuellen Schauspielinszenierungen häufig Musik eingesetzt, die aber in den seltensten Fällen mit der originären Schauspielmusik zu tun hat, sondern nach Gutdünken des Regisseurs ausgewählt wird. Das Mahler Chamber Orchestra präsentiert nun in mehreren NRW-Städten unter der Leitung von Marc Minkowski die komplette Schauspielmusik, wie sie von Grieg in enger Zusammenarbeit mit dem Autor für die damalige Uraufführung des Werkes komponiert wurde.

Um die Übergänge zwischen den einzelnen Musiknummern verständlicher zu machen, rezitieren Sunnyi Melles und Tilo Werner einzelne Passagen aus dem dramatischen Gedicht in deutscher Übersetzung und fassen andere Ereignisse, die nicht vertont worden sind, für den Handlungsablauf jedoch von Bedeutung sind, kurz zusammen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Sunnyi Melles, die mit einer unglaublichen Stimmmodulation den unterschiedlichsten Figuren Leben einhaucht. So gelingen ihr Peers alte, vom Tod gezeichnete Mutter Åse und die sanftmütige und geduldige Solveig ebenso bewegend wie die durchtriebene Anitra, die es nur auf Peers Vermögen abgesehen hat, und die einfältige Trolltochter des Bergkönigs, der sie mit grellen Kieksern eine naive Gewöhnlichkeit verleiht. Gleiches gilt für die Darstellung des Bergkönigs, den sie inmitten seines Textes auch einfach mal rülpsen lässt. Dann wiederum erzeugt sie regelrecht unheimliche Momente, wenn sie den Text des Krummen ins Mikrophon haucht, der Peer stets rät einen anderen Weg einzuschlagen, oder wenn sie als Knopfgießer im fünften Akt Peer an jeder Weggabelung auflauert, um seinem Leben auf Erden ein Ende zu setzen. Bei diesen großartigen Rollenzeichnungen wirkt Tilo Werner schon fast ein wenig blass, auch wenn ihm für den Peer eine hervorragende Diktion zu bescheinigen ist und auch er in seiner Darstellung große Momente hat.

Der Estonian Philharmonic Chamber Choir überzeugt nicht nur als stimmgewaltiger Chor der Trolle, die im zweiten Akt Peer zunächst "In der Halle des Bergkönigs" jagen, bevor er von der Tochter des Bergkönigs in Schutz genommen wird und dieser ihn zu seinem Schwiegersohn machen will, und ihn dann wieder in der Szene "Peer Gynt von Trollen gejagt" verfolgen, bis er vom Geläut der Glocken vor den Trollen gerettet wird. Auch beim "Gesang der Kirchgänger" punktet der Chor mit an Choräle erinnerndem A-capella-Gesang. Des Weiteren glänzen einzelne Choristen mit solistischen Einlagen. So übernehmen drei Chordamen die Rollen der Säterinnen, denen Peer im zweiten Akt im Gebirge begegnet, nachdem er sich von der von ihm geraubten Ingrid getrennt hat, und treten von drei unterschiedlichen Stellen hinter dem Orchester mit kräftigem Sopran in einen Dialog mit Tilo Werner als Peer, der sie zu verführen sucht. Zwei Bassisten gestalten später im vierten Akt die Szene zwischen Dieb und Hehler, die vor Peer fliehen, weil sie ihn für einen Propheten halten und ihm so ihr geraubtes Gut überlassen.

Für die weiteren Solopartien sind drei norwegische Solisten verpflichtet wurden, denen ihre Herkunft für die saubere Diktion der norwegischen Gesangstexte sicherlich nicht hinderlich gewesen sein dürfte. Erwähnenswert ist ebenfalls, dass sie ihre Partien nicht vom Blatt singen. Marianne Beate Kielland stattet die Anitra im "Arabischen Tanz" mit samtweichem Mezzo aus, der die Verführungskünste dieser orientalischen Schönheit hörbar macht. Johannes Weisser kann mit seinem Bariton in der folgenden Serenade Peer Gynts leider nicht ganz überzeugen, weil seine Stimme stellenweise heiser klingt. Vielleicht hätte er sich als indisponiert ansagen lassen sollen. Jedenfalls wirken die Höhen etwas belegt. Mari Eriksmoen hingegen lässt als Solveig mit ihrem wunderbar klar strömenden Sopran keine Wünsche offen. Ihre Interpretation von "Solveigs Lied" rechtfertigt, warum dieses Stück sich zu einem Evergreen entwickelt hat. Großartig gelingt ihr auch der Abschluss des Abends mit "Solveigs Wiegenlied", das sie hinter dem Orchester mit dem Rücken zum Publikum anstimmt.

Marc Minkowski gelingt es, mit dem Mahler Chamber Orchestra die naturalistische Vielfalt der Musik differenziert herauszuarbeiten. Gerade bei den gängigen Repertoire-Stücken schafft er durch sein umsichtiges Dirigat ein neues Hörerlebnis, was besonders bei der "Morgenstimmung" und "In der Halle des Bergkönigs" auffällt. Während Minkowski bei dem erstgenannten die aus der Fernsehwerbung leicht weichgespülte Version mit wesentlich klareren Konturen versieht, imitiert er bei dem letztgenannten Stück mit leisen Stakkato-Tönen die Bewegungen der auftauchenden Trolle  und lässt beim Zuhörer vor dem inneren Auge eine Szenerie entstehen, die keiner weiteren Bebilderung mehr bedarf. Das von einer Erkältungswelle geplagte Publikum gibt sich zwar alle Mühe, die leisen Passagen nicht durch Husten und Räuspern zu stören, was aber leider nicht immer gelingt und Minkowski dazu veranlasst, bei der "Halle des Bergkönigs" sich einmal zum Publikum umzudrehen und das Husten zu imitieren.  Das Publikum nimmt ihm diese Kritik nicht übel, fühlt sich vielleicht sogar ein wenig schuldig und belohnt den rundum gelungenen Abend mit lang anhaltendem und frenetischem Applaus.

FAZIT

Das Mahler Chamber Orchestra legt ein beeindruckendes Zeugnis dafür ab, dass Griegs Schauspielmusik zu Peer Gynt weit mehr zu bieten hat als die aus den Konzerten bereits bekannten acht Stücke der beiden gleichnamigen Suiten.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Ausführende

Mari Eriksmoen, Sopran

Marianne Beate Kielland, Mezzosopran

Johannes Weisser, Bariton

 

Estonian Philharmonic Chamber Choir

 

Mahler Chamber Orchestra

Marc Minkowski, Dirigent

 

Sunnyi Melles, Rezitation

Tilo Werner, Rezitation

 

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -