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Cecilia Bartoli
"Mission"

Arien aus Opern von Agostino Steffani

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Freitag, 31. Mai 2013, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

"Mission" für einen vergessenen Komponisten

Von Thomas Molke / Fotos von Sven Lorenz

Vor knapp zwei Wochen hat Cecilia Bartoli ihre zweiten Salzburger Pfingstfestspiele als künstlerische Leiterin mit überragendem Erfolg zu Ende gebracht und verkündet, dass sie ihren Vertrag um zwei weitere Jahre verlängern werde. Jetzt tourt sie bereits wieder mit ihrem Programm Mission durch die Konzertsäle, mit dem sie es sich einmal mehr zur Aufgabe gemacht hat, versunkene Schätze des Barock dem Vergessen zu entreißen. Dieses Mal widmet sie sich dem Opernschaffen Agostino Steffanis, den sie selbst musikalisch als fehlendes Bindeglied zwischen Monteverdi und Händel sieht. Bereits in jungen Jahren war Steffani Ende des 17. Jahrhunderts nach Deutschland gekommen und ebnete als großer Opernkomponist der Gattung dort den Weg, so dass seine Werke nicht nur an der Hamburger Gänsemarkt-Oper und der Hofoper in Hannover entscheidend zur Repertoirebildung beitrugen, sondern auch zum Vorbild für Telemann und Händel wurden. Dass sein politisches Leben dabei von mancherlei Geheimnissen umwoben war, hat die Kriminalschriftstellerin Donna Leon zu ihrem Buch Himmlische Juwelen inspiriert, das im letzten Herbst begleitend zu Bartolis Tournee auf dem Markt erschienen ist.

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Cecilia Bartoli in ihrem Element (im Hintergrund: I Barocchisti mit Diege Fasolis)

Drei Jahre lang hat Cecilia Bartoli in den Archiven nach Steffanis Opern geforscht, stundenlang Mikrofilme studiert und nun ein buntes Programm mit Arien, Szenen und Ouvertüren aus insgesamt zehn seiner Opern zusammengestellt, dass zwischen melancholischen und lebhaften Melodienbögen ein Zeugnis für Steffanis kompositorische Vielfalt ablegt und eine kurzweilige Unterhaltung bietet. Unterstützt wird sie dabei von dem renommierten Ensemble I Barocchisti, das mit ihrem Gründer und Leiter Diego Fasolis international die Aufführung alter Musik auf historischen Instrumenten propagiert und für das wachsende Interesse an der Wiederentdeckung barocker Vokal- und Instrumentalwerke sicherlich mitverantwortlich sein dürfte. Mit nuancierter Gestaltung machen die Musiker sowohl als homogener Klangkörper als auch in solistischen Einlagen in den dargebotenen Instrumentalstücken und bei der Begleitung der Arien unter Fasolis' umsichtigem Dirigat mehr als deutlich, wieso sie international als Referenzorchester für Barockmusik gelten.

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Cecilia Bartoli und Diego Fasolis (im Hintergrund: I Barocchisti)

Hinzu kommt mit Cecilia Bartoli eine Interpretin, die nicht nur stimmlich mit ihrem absolut beweglichen Mezzo zwischen perlenden Koloraturen und inniger Dramatik changiert, sondern auch mit szenischer Präsenz die Bühne beherrscht. So gelingt ihr direkt zu Beginn als Alarico in der Arie "Schiere invitte" ein unprätentiöser Auftritt, wenn sie mit einem Tamburin zu den leicht kriegerischen Klängen der Musik in einer dunkelgrünen Robe die Bühne betritt und den aufkeimenden Applaus mehr oder weniger mit ihrer Aufforderung, das besiegte Rom zu plündern, abwürgt. Dieser darstellerischen Interpretation bleibt sie auch bei den weiteren Arien und Szenen treu, so dass man kaum weitere Informationen zu den unbekannten Werken benötigt, um trotzdem die Gefühle nachvollziehen zu können, die Bartoli in den einzelnen Passagen präsentiert. Dass die Reihenfolge der einzelnen Nummern dabei genau aufeinander abgestimmt ist, wird deutlich, wenn einzelne Stücke regelrecht nahtlos ineinander übergehen, obwohl inhaltlich zwischen den Stücken eigentlich kein Zusammenhang besteht.

Wenn man bei diesem musikalisch großartigen Abend überhaupt von Höhepunkten sprechen kann, sind hier vor allem die Auszüge aus den beiden Opern Tassilone und Niobe, regina di Tebe zu nennen. Aus Tassilone, Steffanis letzter Oper, die er 1709 für Düsseldorf komponierte und die mit ihrer Geschichte über einen abtrünnigen bayerischen Herzog zur Zeit Karls des Großen aufgrund der damals  aktuellen politischen Anspielungen am Hof Jan Wellems für Steffani ein musikalischer und diplomatischer Triumph wurde, präsentiert Bartoli mehrere Auszüge, von denen vor allem die Arie der Titelfigur "Deh, non far colle tue lagrime", in der Tassilone in den Armen seiner Geliebten sterben möchte, im Gedächtnis bleibt. Mit welcher Tragik Bartoli die Leiden der Titelfigur regelrecht spürbar macht, geht unter die Haut. Gleiches gilt für die Arien der Niobe und ihres Gatten Anfione aus der für München komponierten Niobe, regina di Tebe über die mythologische Königin, die aufgrund ihrer Überheblichkeit ihre 14 Kinder verlor und aus Trauer darüber zu Stein erstarrte. Nur von der Laute und dem Cello begleitet präsentiert Bartoli in Niobes Arie "Amami, e vederai" die innige Liebe, die die Königin mit ihrem Mann Anfione verbindet. Schade ist lediglich, dass die Stille vom ständigen Husten im Zuschauerraum unterbrochen wird. In Anfiones Szenen begeistern vor allem I Barocchisti, wenn sie mit regelrecht sphärischen Klängen versinnbildlichen, wie Anfione in eine andere Welt übergeht.

Doch auch die komischen Momente kommen an diesem Abend nicht zu kurz. So täuscht Bartoli während der Arie der Aspasia vor, wie die Protagonistin in der düsteren Dämmerung ("Foschi crepuscoli") einzuschlafen. Auch ihr Koloraturenwettkampf mit Thibaud Robinne an der Trompete sorgt in der Arie des Sigardo vor der Pause für große Erheiterung. Bei so viel Begeisterung will das Publikum die Künstlerin überhaupt nicht gehen lassen und ringt ihr insgesamt vier Zugaben ab, die den Abend dann um eine Dreiviertelstunde länger werden lassen, als es im Programmheft angekündigt ist. Während Bartoli als erste Zugabe eine Arie aus Steffanis Oper La libertà contenta präsentiert, die auch auf der CD enthalten ist ("Svenati, struggiti, combatti, suda"), wechselt sie bei den nächsten beiden Arien zu einem Komponisten, der dem Publikum wesentlich vertrauter sein dürfte: Georg Friedrich Händel. Zunächst gibt es die Arie der Agilea "M'adora l'idol mio" aus Teseo, in der Agilea ihre Liebe zur Titelfigur bekundet. Hierbei glänzt neben Bartoli vor allem der Oboist Pier Luigi Fabretti mit einer atemberaubenden Soloeinlage. Danach gibt es noch "Lascia la spina" der Piacere aus Händels Oratorium Il trionfo del tempo e del disinganno, das später als "Lascia ch'io pianga" in Händels Rinaldo berühmt wurde. Als "Rausschmeißer" präsentiert Bartoli noch einmal die Arie des Sigardo "A facile vittoria", wobei sie den Koloraturenwettstreit allerdings dieses Mal zwischen der Trompete (Thibaud Robinne) und der Oboe (Pier Luigi Fabretti) ausfechten lässt.


FAZIT

Cecilia Bartoli verhilft Agostino Steffani mit diesem Abend zu neuem Ruhm. Wer diese Ausnahmekünstlerin mit diesem Programm verpasst haben sollte, sollte sich auf jeden Fall die CD (erschienen bei Decca) besorgen.



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Ausführende

Cecilia Bartoli, Mezzosopran

I Barocchisti

Diego Fasolis, Dirigent


Werke

Agostino Steffani

Ouvertüre zu Henrico Leone

"Schiere invitte"
Arie des Alarico
aus Alarico il Baltha

"Sposa, mancar mi sento" -
"Deh, non far colle tue lagrime"
Szene und Arie des Tassilone
aus Tassilone

"Non prendo consiglio"
Arie des Ermolao
aus La superbia d'Alessandro

Ouvertüre zu La libertà contenta

"Amami, e vederai"
Arie der Niobe
aus Niobe, regina di Tebe

Ouvertüre zu I trionfi del fato

"SÍ, sì, riposa o caro" -
"Palpitanti sfere belle"
Szene und Arie der Sabina
aus Alarico il Baltha

"Notte amica al cieco dio"
Arie des Alcibiade
aus La libertà contenta

"Più non v'ascondo"
Arie der Rotruda
aus Tassilone

"A facile vittoria"
Arie des Sigardo
aus Tassilone

Ouvertüre zu Marco Aurelio

"Foschi crepuscoli"
Arie der Aspasia
aus La libertà contenta

"Luci ingate"
Arie des Alessandro
aus La superbia d'Alessandro

"Morirò fra strazi e scempi"
Arie des Henrico
aus Henrico Leone

"Dal tuo labbro amor m'invita"
Arie des Tassilone
aus Tassilone

"Entrée pour les ombres"
Tanz aus dem Finale des Ersten Aktes
aus I trionfi del fato

"Ove son" - "Dal mio petto"
Szene und Arie des Anfione
aus Niobe, regina di Tebe

"Aires pour les nymphes de la rivière"
aus La lotta d'Hercole con Acheloo
Lentement - Gigue - Sarabande

"Dell'alma stanca" - "Sfere amice"
Szene und Arie des Anfione
aus Niobe, regina di Tebe

"Mie fide schiere, all'armi"
aus I trionfi del fato (instrumental)

"Suoni, tuoni, il suolo scuota"
Arie der Erta
aus Arminio

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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