Von Ingo Negwer

Seit dem 15. Jahrhundert ist der Römer das Rathaus der Stadt Frankfurt am Main. Bis 1806 wurden hier die Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation gewählt. Im Kaisersaal fanden seit 1612 die Krönungsbankette statt. Heute ist im engeren Sinne (fast) nichts mehr historisch an diesem Bauwerk und seiner Umgebung, seit der Größenwahn des "1000-jährigen" NS-Reichs im Bombenkrieg der Alliierten zugrunde ging. Geschichtsträchtig bleibt der Ort hingegen auch in seiner wiedererrichteten Form alle Mal. So ist es nur folgerichtig, dass das Forum Alte Musik Frankfurt am Main e.V. den ehrwürdigen Kaisersaal, dessen Wände die Portraits aller 52 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zieren, zur Spielstätte seiner ambitionierten Reihe der "Kaisersaalkonzerte" erkoren hat.

Der Römer in Frankfurt am Main
(Foto: Ingo Negwer)

Das Forum Alte Musik mit seinen beiden künstlerischen Leitern Professor Felix Koch und Professor Michael Schneider bietet den international bekannten Ensembles La Stagione Frankfurt und Neumeyer Consort eine Heimspielstätte und arbeitet darüber hinaus eng mit den Musikhochschulen von Frankfurt und Mainz zusammen. Somit sind die besten Voraussetzungen gegeben, dass der Kaisersaal im Römer gleichsam zu einem Kristallisationspunkt der historischen Aufführungspraxis im Rhein-Main-Gebiet wird. Davon, welch beträchtliche Strecke die Akteure auf diesem Weg bereits zurückgelegt haben, konnte sich das Publikum im letzten Konzert vor der Sommerpause überzeugen. Unter dem Motto "Vivaldiana - ein Feuerwerk venezianischer Concerti" präsentierte die Capella Academica Frankfurt unter der Leitung von Michael Schneider acht Konzerte von Antonio Vivaldi.

Das Orchester setzt sich zusammen aus Studierenden der Abteilung für historische Interpretationspraxis der Frankfurter Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Die Solisten studieren ebenfalls an dieser Abteilung. Wie Michael Schneider in seiner Moderation erläuterte, hatte man intern einen Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Gewinner nun im Kaisersaal ihr durchweg beachtliches Können demonstrieren durften. Zum Auftakt spielten Hyowon Lee (Blockflöte) und Aya Komatsu (Traversflöte) das Konzert G-Dur op. 10 Nr. 6. Bemerkenswert souverän präsentierte sich der junge Oboist Jan Nigges im Concerto a-Moll RV 461. Johannes Berger meisterte temperamentvoll die Solopartie des Cellokonzerts d-Moll RV 405. Die Traversflötisten Chih-Hsien Chien ("La Notte" Nr. 2) und Hernando Leal (Nr. 4) brillierten jeweils in einem weiteren Flötenkonzert aus dem berühmten Opus 10. Haruoko Nakajima und Yukido Hirooka bildeten ein harmonisches Duo in Vivaldis Doppelkonzert für zwei Traversflöten, Streicher und Basso continuo. Einen Höhepunkt, vom Publikum mit Ovationen bedacht, bildete jedoch das Concerto a-Moll RV 445 für Flautino, Streicher und Basso continuo. Tabea Debus spielte auf ihrer kleinen Sopraninoblockflöte die hochvirtuose Solopartie mit einer verblüffenden gestalterischen Sicherheit und bemerkenswerten Bühnenpräsenz.

Die Capella Academica Frankfurt im Kaisersaal
(Foto: Ingo Negwer)

Das Finale des Kaisersaalkonzerts gehörte der Capella Academica Frankfurt. In großer Besetzung mit zwei Blockflöten, zwei Oboen, Fagott, Streichern und Basso continuo spielte das Barockorchester mit seiner Konzertmeisterin Barbara Hefele (Solovioline) das Concerto g-Moll "per l'orchestra di Dresda" RV 577. Wie schon in den Solokonzerten beeindruckte das Nachwuchsensemble durch eine beachtliche Homogenität und eine interpretatorische Frische, die aufhorchen ließ. Temperamentvoll und mit beherzten Tempi stürzte man sich in Vivaldis Klangwogen. Auf diesem Niveau braucht sich die Capella hinter den großen Namen der Alten Musik nicht zu verstecken. Auf die Zukunft darf man sich freuen - nicht nur im Römer!

Ausführende

Capella Academica Frankfurt

Michael Schneider, Dirigent