Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Konzerte
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



West-Eastern Divan Orchestra
Leitung: Daniel Barenboim

Musik von Verdi, Wagner und Berlioz

25. August 2013 auf der Waldbühne Berlin

 



Semmel concerts
(Homepage)

Das Modell Zusammenspiel

Von Christoph Wurzel / Foto von Kai Hemberg

1936 erbaut, diente sie zuerst der NS-Propaganda, heute ist die Waldbühne in Berlin einer der beliebtesten Orte für Openair-Konzerte. Meist ist sie Popstars reserviert, aber mindestens zweimal im Jahr gibt es auch Großereignisse für Klassikfans. Die Berliner Philharmoniker pflegen dort ihre Spielzeit mit einem populären Konzert zu beenden und seit einigen Jahren gibt auch Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra im Riesenrund zum Abschluss der Sommertournee ein großes Konzert. Welch ein enormer Aufstieg für ein Orchester, das vor 14 Jahren aus einem pädagogischen Sommerprojekt in Weimar entstanden ist. Damals kamen junge Musikerinnen und Musiker aus Israel mit solchen aus Palästina und den arabischen Nachbarländern zusammen, um über die nationalen und religiösen Grenzen hinweg gemeinsam zu musizieren. Ganz im Sinne von Goethes „West-östlichem Divan“ als Völker verbindendes Kulturprojekt. Heute ist dieses Orchester nicht allein prominentes Friedensprojekt, sondern auch ein renommierter und gefragter Klangkörper, der auf großen Festivals und in den bedeutendsten Konzerthäusern ein- und ausgeht.

Bild zum Vergrößern

Daniel Barenboim beim Waldbühnenkonzert 2013

Das Programm in Berlin war den diesjährigen Jubilaren Verdi und Wagner gewidmet und bot zudem die Symphonie fantastique von Hector Berlioz. Auf den ersten Blick ein Routineprogramm, bei näherem Hinsehen aber doch, zumindest was Wagners Musik angeht, nicht ohne Belastung, spricht doch der israelische Musiker Asaf Levy im Programmheft den „faschistischen“ Beiklang von Wagners Meistersinger-Ouvertüre direkt an, die in Auschwitz ebenso gespielt wurde wie in den Hallen der deutschen Rüstungsindustrie (Furtwängler!). Diese Musik dennoch aufführen zu können (man denke an das in Israel heiß umstrittene Wagner-Tabu!) und die „Welt voller Licht und Dunkelheit“ in Wagners Musik gleichermaßen auszuhalten, zeugt vom erfolgreichen Anliegen des Projektes „West-Eastern Divan Orchestra“, das im gegenseitigen Zuhören besteht und im gegenseitigen Verstehenwollen über Vorurteile hinweg. Ohne Differenzen zu beschönigen, kann eine solche Einstellung Basis echter Toleranz sein. Auf den  Prinzipien von Gleichheit, Kooperation und Gerechtigkeit gründet erklärtermaßen die Idee dieses Orchesters und diesen Geist will es der Realität von Gewalt und Unterdrückung im Nahen Osten entgegenhalten.

Dennoch ließ das Konzert auf der Waldbühne von all den politischen Implikationen nichts spüren, sondern gab dem Orchester unter Maestro Barenboim Gelegenheit, seinen mittlerweile erreichten Standard zu präsentieren. Und da war zwar beachtlich, was man zu hören bekam, litt aber dann doch unter den besonderen Bedingungen einer Aufführung unter freiem Himmel. Da wäre zuerst das Problem der elektronischen Übertragung, das hier, etwa im Vergleich zur Bregenzer Seebühne, nicht optimal gelöst ist. Die Bläser klangen oft zu schrill, die Streicher scheppernd, dafür traten die Harfen deutlicher als gewohnt hervor.

Zum Kult Waldbühne gehört zudem unbedingt ein ausgedehntes Picknick bis über den Konzertbeginn hinaus, und so litt die Ouvertüre zu Macht des Schicksals noch unter heftigem Rascheln der Verpackung von Lunchpaketen oder umfallenden Flaschen. Auch dass gerade im VIP-Block noch während der ersten halben Stunde immer wieder Leute geräuschvoll eintrudelten, war der Konzentration nicht gerade förderlich. Die filigran gewebten Klänge in den Traviata –Vorspielen erwiesen sich so als wenig geeignet für den Beginn eines solchen Konzerts. Irgendwo hinten rumpelte die S-Bahn, ein Flieger stieg brummend in die Höhe und die Leute kramten immer noch in ihren Rucksäcken herum, als Wagners Tristan-Vorspiel und Liebestod eigentlich zu intensiver Versenkung hätte einladen sollen. Dass diese Musik dann doch recht sachlich erschien, mag diesen Bedingungen geschuldet gewesen sein. Die Meistersinger-Ouvertüre dirigierte Barenboim routiniert in all ihrer auftrumpfenden Pracht, „pompös und herrschaftlich“, wie Asaf Levy es im Programmheft angemerkt hatte.

Nach der Pause schaffte die einsetzende Dämmerung die geeignete Stimmung für Berlioz’ fantastisch-symphonische Erzählungen der Episoden aus dem Leben eines Künstlers. Erst hier offenbarten sich die Qualitäten des WESO in voller Gänze: ausgefeilte, klangschöne Bläsersoli, eine zupackende rhythmische Kraft und hohe expressive Phantasie. So geriet dieser Programmteil mit dem packenden Hexensabbath zum unbestrittenen Höhepunkt des Abends. Drei furios gespielte Zugaben, u.a. die Carmen-Ouvertüre, entließen rund 15.000 Besucher begeistert nach Hause.

FAZIT

Vielleicht ist es gerade die Normalität eines solchen Konzertes, die dem Auftritt des West-Eastern Divan Orchestra diesen besonderen Charme verleiht. Eine Normalität inmitten des Konzertbetriebs, die man auf politischem Feld zwischen Israel und Palästina so schmerzlich vermisst. Martialisches in Frieden überführen: Es ist ein großes Verdienst von Dirigent und Orchester immer wieder darauf zu insistieren. Barenboim ist schon länger für den Friedensnobelpreis im Gespräch. Was spricht eigentlich dagegen, allen Musikerinnen und Musikern dieses Projekts diese  höchste Auszeichnungen zu gönnen?



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Ausführende

West-Eastern Divan Orchestra

Leitung: Daniel Barenboim


Programm

Giuseppe Verdi
Ouvertüre zur Oper
La forza del destino


Vorspiele zum 1. und 3. Akt
der Oper La Traviata

Richard Wagner
Vorspiel und Liebestod aus
Tristan und Isolde

Ouvertüre zur Oper
Die Meistersinger von Nürnberg


Hector Berlioz

Symphonie fantastique op. 14


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Semmel concerts
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2013 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -