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Philippe Jaroussky
(Arienabend)


Aufführungsdauer: 2h 15' (eine Pause)

Donnerstag, 10. Oktober 2013, 20.00 Uhr
Großer Saal im Konzerthaus Dortmund

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Konzerthaus Dortmund (Homepage)
Barocke Vokalakrobatik

Von Thomas Molke / Fotos von Pascal Amos Rest

Er ist wieder da. Nach einer fast einjährigen künstlerischen Pause meldet sich Philippe Jaroussky in den Konzertsälen zurück und hat ein neues Programm im Gepäck, das dem Publikum nicht nur einmal mehr virtuose Arien präsentiert, die vor allem durch den gefeierten Kastraten Farinelli für den riesigen Erfolg der Oper des 18. Jahrhunderts sorgten, sondern auch die Wiederentdeckung eines heutzutage größtenteils vergessenen Komponisten des Barock ermöglicht: Nicola Porpora. Porpora gilt als ein Hauptvertreter der italienischen Opera seria, dessen Musik einerseits mit dem Aufstieg der Kastraten korrespondierte, andererseits wegen ihrer schematischen Struktur allerdings sehr schnell als unzeitgemäß empfunden wurde und so bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts von den Spielplänen verschwand. Auch wenn beim Winter in Schwetzingen 2012 seine Oper Polifemo ihre deutsche Erstaufführung erlebte (siehe auch unsere Rezension), hat Porpora sich im Rahmen der Renaissance der Barock-Opern noch keinen festen Platz in den Spielplänen zurückerobern können. Von daher ist es umso lobenswerter, dass Jaroussky sich in einem Arienabend nun diesem zu Unrecht vergessenen Komponisten widmet.

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Philippe Jaroussky mit dem Venice Baroque Orchestra

Jaroussky hat dabei den Abend in vier Abschnitte eingeteilt, die das Venice Baroque Orchestra unter der Leitung von Andrea Marcon jeweils durch eine Ouvertüre oder ein Instrumentalstück einleitet. Dabei stellt Jaroussky in jedem Teil zwei Arien vor, die recht unterschiedliche Befindlichkeiten wiedergeben. Während eine Arie in jedem Block relativ melancholisch gehalten ist und eher eine leidende Innenschau präsentiert, zeugt die andere Arie von großer Unruhe oder Raserei. Direkt bei der ersten Arie "Mira in cielo" aus Arianna e Teseo, in der Alceste die Macht Amors Macht über den Himmel, das Meer und die Unterwelt beschreibt, macht Jaroussky deutlich, dass er sich auf der Bühne nicht erst aufwärmen muss. Sofort legt er mit exorbitanten Koloraturen los, die dem Zuschauer den Atem stocken lassen. Mit welch scheinbarer Leichtigkeit er sich durch die halsbrecherische Partie bewegt und dabei nie die Kontrolle über seine sauber geführte Stimme verliert, zeigen, wieso er zu Recht zu den Spitzen-Countertenören zählt. Gleiches gilt für seine Interpretation der Arie "Come nave in ria tempesta" aus Semiramide d'Assiria, in der Nino seine Gefühle mit dem Kampf eines Schiffes gegen den Sturm auf hoher See vergleicht.

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Tosender Schlussapplaus: Philipp Jaroussky (vorne links) mit Andrea Marcon (vorne rechts) und dem Venice Baroque Orchestra

Dass er auch die leiseren Töne in Perfektion beherrscht, belegt er in den beiden Arien des Achill aus Ifigenia in Aulide, wenn dieser seine Trauer darüber zum Ausdruck bringt, dass seine Braut Ifigenia zur Besänftigung des Meeres in Aulis geopfert werden soll, damit die Griechen nach Troja aufbrechen können. Hier führt Jaroussky vor allem bei der Wiederholung des A-Teils vor, welche Variationsmöglichkeiten die Musik bei den gesanglichen Verzierungen bietet und lässt somit den wiederholten Teil in einer ganz neuen Klangfarbe erscheinen. Großartig gestaltet er auch die Arie des Orfeo "Dall' amor più sventurato", in der Orfeo die Allmacht der Liebe besingt. Hier kombiniert Jaroussky intensiv den leidenden Ausdruck eines unglücklich Liebenden mit der erwachenden Hoffnung und der Erregung, die durch ein neues Liebesglück entstehen. Dabei wird auch das ansonsten rigoros vorherrschende ABA-Schema durchbrochen, und die Arie endet mit einem anderen Textteil.

Wenn man bei dieser Sternstunde der Virtuosität überhaupt von einem Höhepunkt sprechen kann, wird dieser gewiss in den beiden Arien des Aci aus Polifemo erreicht, mit denen Jaroussky eigentlich den Abend enden lassen will. In "Alto Giove" bedankt sich der von dem Zyklopen Polifemo ermordete Aci bei Jupiter für die Unsterblichkeit, die ihm der Höchste der Götter verliehen hat und die es ihm nun ermöglicht, seiner geliebten Galatea nahe zu sein. Wie Jaroussky das "A" in "Alto" regelrecht ätherisch durch den Konzertsaal schweben lässt, macht die Unsterblichkeit des Aci fast spürbar. Auch im weiteren Verlauf der Arie verleiht er dem liebenden jungen Mann eine Schwerelosigkeit, die unter die Haut geht. Im absoluten Kontrast dazu steht die zweite Arie "Nell' attendere il mio bene" vom Anfang des Stückes, in der Aci noch voller Lebensfreude auf seine Geliebte Galatea wartet. Hier präsentiert Jaroussky nicht nur Koloraturen in absoluter Virtuosität, sondern er zeigt sich auch von der komödiantischen Seite, wenn er in einem musikalischen Wettstreit den Hornisten mit schwindelerregenden Koloraturen und geradezu divenhaftem Spiel seine Überlegenheit spüren lässt.

Das Venice Baroque Orchestra, das größtenteils im Stehen spielt, zeigt sich unter der Leitung von Andrea Marcon nicht nur als kongenialer Begleiter, das selbst dann nicht aus der Fassung zu bringen ist, wenn direkt bei der zweiten Arie "Si pietoso il tuo labbro" zwei Violinisten eine Seite reißt und sie mitten in der Arie die Bühne verlassen müssen, sondern beweist auch im Anschluss großen Humor, wenn der Kontrabassist vor dem nächsten Stück das Reißen einer weiteren Seite imitiert. In den Instrumentalstücken präsentieren die Musiker neben Porporas Ouvertüre zu Il Germanico auch andere Komponisten. Hierbei bleibt vor allem das Concerto grosso d-moll Nr. 12 "La follia" im Ohr, das in unterschiedlichen Variationen den Wahnsinn in der Musik zum Leben erweckt. Dass das Publikum dieses hervorragende Orchester und Jaroussky nicht ohne Zugaben gehen lassen will, steht außer Frage. Hierbei präsentiert Jaroussky mit "Sposa non mi conosci", der Arie des Epitide aus Merope von Geminiano Giacomelli, die Vivaldi in sein Pasticcio Bajazet unter dem Titel "Sposa, son disprezzata" einbaute, einen anderen Komponisten, bevor er mit Mirteos fulminanter Arie "In braccio a mille furie" aus Semiramide riconosciuta zu Porpora zurückkehrt und den Abend mit einem Wahnsinns-Knaller im wahrsten Sinne des Wortes enden lässt. Das Publikum dankt es ihm mit frenetischem Beifall.

FAZIT

Jarousskys Tournee mit diesem grandiosen Programm hat gerade erst begonnen, so dass es noch zahlreiche Möglichkeiten in diversen Städten gibt, diesen Abend live zu erleben. Des Weiteren hat Jaroussky mit dem Venice Baroque Orchestra die Arien auf CD bei EMI eingespielt.


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Ausführende

Philippe Jaroussky, Countertenor

Venice Baroque Orchestra

Andrea Marcon, Dirigent

 

Werke

Nicola Antonio Porpora
Ouvertüre zu Il Germanico

"Mira in cielo"
Arie der Alceste aus Arianna e Teseo

"Si pietoso il tuo labbro"
Arie des Mirteo aus Semiramide riconosciuta

Leonardo Leo
Ouvertüre zu L'Olimpiade

Nicola Antonio Porpora
"Nel già bramoso petto"
Arie des Achill aus Ifigenia in Aulide

"Come nave in ria tempesta"
Arie des Nino aus Semiramide d'Assiria

Giuseppe Sarti
"La tempesta, in tempo di Ciaccona"
aus dem Dramma per musica Armida e Rinaldo

Nicola Porpora

"Dall' amor più sventurato"
Arie des Orfeo aus Orfeo

"Le limpid' onde"
Arie des Achill aus Ifigenia in Aulide

Francesco Geminiani
Concerto grosso d-moll Nr. 12 "La follia"

Nicola Antonio Porpora
"Alto Giove"
Arie des Aci aus Polifemo

"Nell' attendere il mio bene"
Arie des Aci aus Polifemo

 



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