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Brittens Anti-Kriegs-Requiem zur Erinnerung an eine sinnlose Schlacht
Von Stefan Schmöe / Foto © Het Gelders Orkest Die niederländische Grenzstadt Arnheim gedenkt in diesen Tagen der "Schlacht um Arnheim", die im September 1944 zur Zerstörung der Stadt und auch des benachbarten Nimwegen führte. Unter den Decknamen "Market" und "Garden" begannen alliierte Truppen am 17. September 1944 eine Boden-Luft-Offensive mit dem Ziel, über den Niederrhein in Richtung Ruhrgebiet vorzustoßen und den Krieg noch vor dem Winter zu beenden. Über 30.000 Fallschirmspringer sollten, unterstützt von Bodentruppen, die wichtige Brücke von Arnheim einnehmen. Der Plan scheiterte am überraschend heftigen Widerstand der deutschen Truppen. Den kulturellen Höhepunkt der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag bilden zwei Aufführungen von Benjamin Brittens War Requiem in den Kathedralen von Arnheim und Nimwegen mit Het Gelders Orkest, dem in Arnheim ansässigen Orchester der Provinz Gelderland. Antonello Manacorda
Komponiert für die neu erbaute Kathedrale von Coventry, deren mittelalterlicher Vorgängerbau von der deutschen Luftwaffe zerbombt wurde, ist das War Requiem klingender Ausdruck der Versöhnung nach dem Weltkrieg. Dem liturgischen Text der lateinischen Totenmesse stellt der überzeugte Pazifist Britten den Krieg anklagende Gedichte des im Ersten Weltkrieg gefallenen Dichters Wilfried Owen gegenüber. Nach dem Wunsch des Komponisten hätten mit dem englischen Tenor Peter Pears, dem deutschen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau und der russischen Sopranistin Galina Wischnewskaja bei der Uraufführung stellvertretend Sänger aus den ehemals verfeindeten Mächten singen sollen - doch die Russin erhielt, so kalt war die Nachkriegszeit eben doch, keine Ausreisegenehmigung (sang aber später in der ersten Platteneinspielung). Auch in Arnheim und Nimwegen greift man diesen Gedanken auf: Die Solo-Partien sind multinational besetzt mit der deutschen Sopranistin Christiane Libor (mit gläsern klarer, intensiver Stimme), dem englischen Tenor Jeremy Ovenden (mit bestechender lyrischer Geschmeidigkeit) und dem niederländischen Bariton Thomas Oelimans (auch wenn es den Spitzentönen noch etwas an Durchschlagskraft fehlt, hat die Stimme Wucht und Substanz). Die Entscheidung, das Werk in den Hauptkirchen der beiden Städte - und nicht in den Konzertsälen - aufzuführen, trägt der liturgischen Dimension der Komposition Rechnung: Da wird das War Requiem zum klingenden Versöhnungs- und Gedenkgottesdienst, und die sakrale Aura der spätgotischen Eusebius-Kirche in der hier besprochenen Arnheimer Aufführung ist durchaus von besonderem Reiz. Akustisch ist das allerdings nicht unproblematisch, durch den Nachhall verwischen in den bewegten Tutti-Passagen die Konturen, im Forte wird der Klang bei großer Besetzung ziemlich schwammig. In den ruhigen Piano- und Pianissimo-Abschnitten kommt der Nachhall den Ensembles durchaus entgegen, und so glänzen die exzellenten Chöre mit glasklaren, durch kein Vibrato eingetrübten und dennoch tragfähigen Akkorden. Das Laurens Collegium aus Rotterdam, Consensus Vocalis aus Enschede und der Nationaal Kinderkoor singen mit bewundernswerter Präzision, absolut sauberer Intonation und großer Homogenität im Klang, zupackend (aber nicht massig) in den Ausbrüchen des Dies irae und jederzeit sehr beweglich. Und auch das Orchester spielt unter der Leitung seines Chefdirigenten Antonello Manacorda, der sehr entspannt dirigiert und auf Durchhörbarkeit achtet, sehr ordentlich, und auch hier ist das Kammerensemble, das die beiden Männersolisten sehr schön madrigalesk begleitet, akustisch im Vorteil. Auch wenn ein paar Details geschluckt wurden: Ein bewegender Abend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
AusführendeChristiane Libor, SopranJeremy Ovenden, Tenor Thomas Oliemans, Bariton Chöre: Laurens Collegium Rotterdam Consensus Vocalis Nationaal Kinderkoor Het Gelders Orkest Musikalische Leitung: Antonello Manacorda WerkeBenjamin Britten: War Requiem
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