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Thomas Hengelbrock & NDR Sinfonieorchester

Patricia Kopatchinskaja, Violine
Christina Landshamer, Sopran

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Samstag, 21. Februar 2015, 19.30 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Musikalische Spiritualitäten

Von Ursula Decker-Bönniger

Wie sehr die Musiksprache Gustav Mahlers auch die Gefühlswelten des 21. Jahrhunderts in Töne zu fassen vermag, konnte man im Kruppsaal der Essener Philharmonie erleben. Zusammen mit dem erstmalig 1981 aufgeführten, beeindruckenden Violinkonzert der zeitgenössischen Komponistin Sofia Gubaidulina führten Thomas Hengelbrock und das NDR-Sinfonieorchester differenziert gestaltend die vielschichtigen  Klangwelten der 1901 in München vom Komponisten selbst uraufgeführten, 4. Sinfonie vor Augen. Ein „Als-Ob von der ersten bis zur letzten Note“ nennt Theodor W. Adorno die letzte der Wunderhorn-Sinfonien. Zugrunde liegt ihr Das himmlische Leben aus der von Clemens Brentano und Achim von Arnim zusammengestellten Liedsammlung Des Knaben Wunderhorn, in dem Idyllisch, elysische Verhältnisse und barbarische Grausamkeiten gegenübergestellt werden.

Hengelbrock betont in seiner Interpretation die Bruchstellen der Satzverläufe. Ob zarte, innige Pianissimi oder leidenschaftliche Forte-Ausbrüche, Tempobrüche, thematische Änderungen oder harmonische Einschnitte – immer wieder scheint der symphonische Fluss des ersten Satzes abzubrechen. Sodann, im zweiten Satz wird der beschaulichen Idylle eine diabolisch zugespitzte , scharf klingende Tanzweise der um einen Ganzton höher gestimmten Solovioline gegenübergestellt. Dann der Variationssatz. Statt gefühlvoller Opulenz, romantischer Schwärmerei rückt Hengelbrock die Varianten des Leisen in den Vordergrund, die Ruhe vor dem Sturm. Schlicht, ruhig und doch zierlich beschwingt intonieren die Streicher das liedhafte Thema;  klangschön ertönt die Mollvariante in der Oboe. Kurze Steigerungen, bedächtiges, verhaltenes Fortschreiten kennzeichnen die Interpretation Hengelbrocks, die immer wieder zu ersterben, sich in Tempo und Lautstärke zu verflüchtigen scheint, bevor im abrupten Fortissimo das Thema des Finalsatzes in den Bläsern erklingt. Hier inszenieren orchestrale Drohgebärden und zarte geheimnisvolle Klangwelten das Thema der vom Sopran vorgetragenen Wunderhorn-Strophen. Christina Landshamers schlanke, ganz zart vibrierende, klangschöne Stimme ergänzt wunderbar die Farben des Orchesters. „Dass alles für Freuden, für Freuden erwacht“ sind ihre letzten Worte, aber anstelle eines Freudenausbruchs verklingt die Musik nicht nur im Piano Pianissimo sondern auskomponiert. Immer mehr Instrumente setzen aus, bis selbst das Bass-Herz, ein Ostinato der Harfe aufhört zu schlagen. Gebannt ließ das Publikum die Musik nachwirken, bevor der verdiente Beifall einsetzte.

Vor Konzertbeginn hatte Hengelbrock selbst in die Werke des Abends eingeführt. Dabei sprach er nicht nur die schwierige Lebenssituation Gustav Mahlers an, erläuterte gemeinsam mit dem Orchester die Themen der Sinfonie und ihre möglichen Deutungen, sondern zeigte auch die inhaltliche Verbindung zu dem im Mai 1981 anlässlich der Wiener Festwochen uraufgeführten Violinkonzert Sofia Gubaidulinas. Offertorium ist ein geistliches Werk und zugleich eine faszinierende Klangfarbenkomposition, in der das große Orchester um zahlreiches Schlagwerk sowie Harfe, Celesta und Klavier erweitert wird. Ähnlich wie in der Messfeier die Gaben Brot und Wein bereitet werden, wird hier das dem Violinkonzert zugrundeliegende Thema des Musikalischen Opfers von Johann Sebastian Bach „geopfert“, in jedem Formabschnitt um einen weiteren Ton verkürzt, bevor es gegen Ende schmerzvoll in neuer Gestalt erklingt. Rasante Flageolettläufe, Glissandi, Doppelgriffe, zarte, bis ins Geräuschhafte, Knisternde weitergeführte Pianissimi - die expressive, ausdrucksstarke Virtuosität Patricia Kopatchinskajas kannte keine Grenzen und zog das Publikum in den Bann. Ebenso spannungsvoll und virtuos zerlegte das NDR-Sinfonieorchester mal kammermusikalisch solistisch, mal im größeren Ensemble den Ton bzw. Klang in immer neue Farbkombinationen und Artikulationsformen. Ein beeindruckendes Hörerlebnis vor allem in der Kombination mit Mahlers 4. Sinfonie.


FAZIT

Thomas Hengelbrock und das NDR Sinfonieorchester überzeugen mit einem stimmigen Programm, großen Künstlern und einer beeindruckenden Interpretation.



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Ausführende

Patricia Kopatchinskaja, Violine

Christina Landshamer, Sopran

NDR Sinfonieorchester

Thomas Hengelbrock, Dirigent


Werke

Sofia Gubaidulina
Offertorium
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 4 G-Dur


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

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