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Alte Musik bei Kerzenschein
Franco Fagioli

Venice Baroque Orchestra
Dirigent: Andrea Marcon

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Sonntag, 04.10.2015, 17.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Barock-Hits von Vivaldi und Händel

Von Thomas Molke / Fotos: © Julian Laidig und Marco Borggreve

Eigentlich sollte Bejun Mehta in der Philharmonie Essen in dieser Spielzeit die Reihe "Alte Musik bei Kerzenschein" eröffnen. Allerdings musste er den geplanten Termin schon vor einiger Zeit absagen. Stattdessen kam nun Franco Fagioli mit dem Venice Baroque Orchestra unter der Leitung von Andrea Marcon nach Essen. Doch hierbei von einem bloßen "Ersatz" zu sprechen, wird dem aus Argentinien stammenden Sänger in keiner Weise gerecht, zählt er doch mit seinem enormen Stimmumfang bereits seit einigen Jahren zu den gefragtesten Countertenören unserer Zeit. So hat er mittlerweile an zahlreichen Opernhäusern und bei renommierten Opernfestivals wie den Händel-Festspielen in Karlsruhe und den Salzburger Festspielen wichtige Operndebüts gegeben. In der Philharmonie präsentiert er nun ein Programm mit Werken von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel, deren Kompositionen er nicht zuletzt seine großen Erfolge verdankt.

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Franco Fagioli (Foto: © Julian Laidig)

Im Teil vor der Pause widmet Fagioli sich Antonio Vivaldi. Nachdem das Baroque Venice Orchestra unter der Leitung von Andrea Marcon den Abend mit der Sinfonia C-Dur aus der Serenata La Senna Festeggiante eröffnet hat, einer Komposition über die Seine, die Vivaldi wahrscheinlich für den französischen Botschafter in Venedig, Jacques-Vincent Languet, zur Huldigung des französischen Königs im Jahr 1726 kreierte, beginnt Fagioli mit einer Kantate eines verlassenen Schäfers, der seiner Geliebten Dorilla nachtrauert. Das Stück besteht aus zwei Arien, die jeweils von einem Rezitativ eingeleitet werden. Die erste Arie beschreibt das Leiden des jungen Schäfers, der die Erlösung nur im Tod finden kann. Fagioli überzeugt in dieser Arie mit weich angesetzten Tönen, die die Trauer des Schäfers deutlich hervorheben. Bewegend wird diese Klage auch vom Venice Baroque Orchestra begleitet. In der zweiten Arie wechselt der Ton, wenn der Schäfer in seinem Lamento Rachepläne gegen die grausame Geliebte schmiedet. Hier lässt Fagioli die halsbrecherischen Koloraturen nur so perlen und changiert gekonnt zwischen profunden Tiefen und exorbitanten Höhen.

Auch in den zweiten beiden Arien vor der Pause lässt sich eine vergleichbare Struktur erkennen. In "Mentre dormi, amor fomenti" aus der Oper L'Olimpiade wünscht Licida seinem Freund Megacle, der für ihn bei den Olympischen Spielen die Hand der schönen Aristea gewinnen soll, süße Träume, in denen Megacle ein Traumbild von Aristea erscheinen soll. Zu diesem Zeitpunkt weiß Licida in der Oper noch nicht, dass Megacle Aristea ebenfalls liebt. Zum säuselnden Klang der Violinen begeistert Fagioli hierbei mit samtig weichen Tönen. Ganz anders legt er im Anschluss Orlandos große Arie aus dem ersten Akt des Orlando furioso an, "Nel profondo cieco mondo". Beherzt beschließt Orlando hier, die Macht der Zauberin Alcina zu brechen. In dieser Arie macht Fagioli deutlich, dass es eigentlich doch eines Mannes bedarf, um dem Tonumfang dieser Partie gerecht zu werden. Aus baritonalen Tiefen schraubt Fagioli sich gekonnt in extreme Höhen empor und lässt dabei Koloraturen erklingen, bei denen man sich kaum vorstellen kann, dass eine menschliche Stimme dazu überhaupt in der Lage ist. Entsprechend frenetisch ist im Anschluss auch der Beifall des Publikums.

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Andrea Marcon (Foto: © Marco Borggreve)

Der Teil nach der Pause gehört dann Georg Friedrich Händels Oper Ariodante. Auch hier macht die Lamento-Arie "Scherza infida", in der Ariodante die vermeintliche Untreue Ginevras beklagt, den Anfang, und es folgt die strahlende Arie "Dopo notte", in der Ariodante am Ende des Stückes in halsbrecherischen Koloraturen sein Glück bejubelt, was erneut zahlreiche Bravorufe im Publikum hervorruft. Zwischen den jeweiligen Arien präsentiert das Venice Baroque Orchestra zwei heutzutage eher unbekannte Barockkomponisten. Der aus Florenz stammende Francesco Maria Veracini zählte zu den bedeutendsten Geigenvirtuosen des frühen 18. Jahrhunderts. Von seinen insgesamt sechs Ouvertüren gibt es die Ouvertüre Nr. 6 g-Moll für zwei Oboen, Fagott und Streicher, die Marcon mit dem auf Barockmusik spezialisierten Orchester mit feinsinniger Verve umsetzt. Francesco Geminiani, der wie Händel in England große Erfolge feierte, dürfte zumindest den Besuchern, die in der letzten Spielzeit im Mai das Konzert von Valer Sabadus mit dem Concerto Köln besucht haben, kein Unbekannter sein. Dort erklang nämlich ebenfalls das Concerto grosso Nr. 12 d-Moll "La follia" nach Arcangelo Corelli.

Wer glaubte, dass es nach diesem Konzert bei Fagioli keine Steigerung mehr geben könne, wurde in der Zugabe eines Besseren belehrt. Mit der Arie "Crude furie degli orridi abissi" des Serse aus Händels gleichnamiger Oper schoss Fagioli erneut ein regelrechtes Koloraturen-Feuerwerk ab und demonstrierte noch einmal, dass er mit diesen fließenden Registerwechseln ein absolutes Ausnahme-Talent ist. Allerdings beließ Fagioli es an diesem Abend bei einer Zugabe. Schließlich weiß er, was er seiner Stimme zumuten kann, und es dürfte im Interesse aller Fans sein, dass sie noch möglichst lange in dieser Qualität erhalten bleibt.


FAZIT

Franco Fagioli begeistert das Publikum mit seinem enormen Stimmumfang und dürfte einen Anteil daran haben, dass sich Barockmusik immer größerer Beliebtheit erfreut.



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Ausführende

Franco Fagioli, Countertenor

Venice Baroque Orchestra

Andrea Marcon, Dirigent


Werke

Antonio Vivaldi
Sinfonia C-Dur aus der Serenata
La Senna Festeggiante, RV 693
Allegro - Andante molto - Allegro molto

Cantata "Cessate, omai cessate", RV 684

Francesco Maria Veracini
Ouvertüre Nr. 6 g-Moll für zwei Oboen,
Fagott und Streicher
Allegro - Largo - Minuetto - Allegro

Antonio Vivaldi
"Mentre dormi, amor fomenti"
aus der Oper L'Olimpiade

"Nel profondo cieco mondo"
aus der Oper Orlando furioso

Georg Friedrich Händel
Concerto grosso B-Dur, op. 3 Nr. 2,
HWV 313
Vivace - Largo - Allegro - Menuet -
Gavotte

"Scherza infida"
aus der Oper Ariodante

Francesco Geminiani
Concerto grosso Nr. 12 d-Moll
"La follia" nach der Sonate g-Moll,
op. 5 Nr. 12 von Arcangelo Corelli
Adagio - Allegro - Adagio - Vivace -
Allegro - Andante - Allegro - Adagio -
Adagio - Allegro - Adagio - Allegro

Georg Friedrich Händel
"Dopo notte"
aus der Oper Ariodante


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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