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Klavierfestival Ruhr 2016

Philharmonie Essen, 28. und 29. Juni 2016



Hélène Grimaud, Klavier
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Paavo Järvi
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Klavierfestival Ruhr

Aufregend anders

Von Stefan Schmöe

Nichts als Brahms: Beide Klavierkonzerte haben Hélène Grimaud und die (jüngst von Deutschlandradio Kultur zum "Orchester des Jahres" gekürte) Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi auf das Programm gesetzt - an zwei aufeinander folgenden Abenden in der Essener Philharmonie, jeweils ergänzt um eine Symphonie, die 4. in e-Moll am ersten Abend in Kombination mit dem d-Moll-Konzert, die 1. Symphonie c-Moll als Pendant zum B-Dur-Konzert.

Das ist, vorsichtig gesagt, kein besonders gewagtes oder ausgefallenes Programm. Umso erstaunlicher, dass man bei diesen Konzerten immer wieder den Eindruck hat, die eigentlich vertrauten Werke völlig neu zu hören. Der Streicherklang ist trocken und schlank, und dadurch bekommen die Bläser großes Gewicht. Es entsteht aber kein Mischklang, sondern ein vielschichtig aufgespaltener, aufgerauter, mitunter beinahe schroffer Klang, mit einem knorrigen Fundament der extrem tiefen Instrumente, den Kontrabässen und dem Kontrafagott. Dazu setzen die Musiker sehr viele (oft ausgesprochen scharfe) Akzentuierungen, und dadurch erhält die Musik eine ungeheuer dynamische Struktur. Gleichzeitig spielen Solistin wie Orchestermusiker mit einer schier unglaublichen Intensität. Entspannt zurück lehnen kann man sich auch als Zuhörer nie - hier hat jede Note Gewicht, und selbst eine Phrase der Entspannung trägt bereits den Keim des kommenden Aufruhrs in sich.

Die einleitenden Triller-Kaskaden des d-Moll-Konzerts sind da von stechender Schärfe: Järvi und das Orchester führen eine zerklüftete Klanglandschaft vor, hochdramatisch und bis ins Extrem angespannt. Im Mittelsatz sehr breite, getragene Klangflächen von immenser Binnenspannung, im Finale eine gefährliche Fröhlichkeit, die bereits Schostakowitsch erahnen lässt. Pianistin Hélène Grimaud greift das kongenial auf. Sie kann sich im Klang an das Orchester anpassen, dass der Klavierpart wie aus dem Nichts erscheint (und verschwindet), aber sie entfaltet eine immense Kraft und Wucht. Oft betont sie die Nebenstimmen der linken Hand, und auch Järvi hebt immer wieder Nebenstimmen gleichberechtigt hervor. Ganz ähnlich die 4. Symphonie nach der Pause: Geprägt von extremer Nervosität und Unruhe, entsteht eine zerklüftete Klanglandschaft voller Abgründe. Die Ruhepunkte im Andante bleiben trügerisch, das scherzohafte Allegro giocoso ist von abgründigem Witz, auch da klingen bereits Strawinsky und Schostakowitsch hinein. Das Finale ist klar konturiert, betont bei aller Kleinteiligkeit die Großform. Ein düsterer, packender Abend.

Das träumerische B-Dur-Konzert ist da von ganz anderem, sanfterem Charakter. So recht traut Järvi der romantisch-poetischen Grundstimmung nicht, die Interpretation ist eher kraftvoll als elegisch. Hélène Grimaud präsentiert das gesamte pianistische Spektrum vom zartesten Pianissimo bis zum kraftvollen, im Vergleich zum d-Moll-Konzert nicht so harten Fortissimo. Bei aller Kunst aber, vielleicht ist das ein subjektiver Eindruck, ist das alles eine Spur zu glatt, zu perfekt, zu geplant und einstudiert, zu wenig aus dem Moment heraus empfunden. Das Wechselspiel zwischen Orchester und Solopart müsste wechselseitig mehr Impulse geben, kleine rhythmische Verschiebungen des einen Partners vom anderen fortgesponnen werden - mir blieb das zu routiniert, auch allzu vorhersehbar, dadurch zu sehr sich in einzelnen Phrasen verlierend. Wie schon am Abend zuvor: Keine Zugabe der Pianistin. Im Mittelpunkt steht, das ist ja nicht unsympathisch, Brahms (und nicht die Interpretin.

Zum Abschluss dann die erste Symphonie in c-Moll, nicht ganz so schroff wie zuvor die vierte, aber doch auch sehr pointiert, mit großartigen Bläsern. Und das Orchester spielt auch an beiden Abenden eine Zugabe, Brahms natürlich, aus den Ungarischen Tänzen, die Nr. 3 F-Dur am ersten und die Nr. 10 (ebenfalls F-Dur) am zweiten Abend. Da zeigt das Orchester noch einmal seine Qualitäten: Details werden ungeheuer plastisch, fast überdeutlich herausgearbeitet, und dadurch erhält die Musik einen besonderen Witz. Großer Jubel nach beiden Aufführungen.




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Klavierfestival Ruhr 2016
Philharmonie Essen, Alfried-Krupp-Saal
28. und 29. Juni 2016


Ausführende

Hélène Grimaud, Klavier
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Dirigent: Paavo Järvi




Programm

28. Juni 2016:

Johannes Brahms:
Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op.15
Symphonie Nr. 4 e-Moll op.98

als Zugabe:
Ungarischer Tanz Nr. 3 F-Dur
(Orchesterfassung: J. Brahms)



29. Juni 2016:

Johannes Brahms:
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op.83
Symphonie Nr. 1 c-Moll op.68

als Zugabe:
Ungarischer Tanz Nr. 10 F-Dur
(Orchesterfassung: J. Brahms)



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Klavierfestival Ruhr
(Homepage)








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