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Sensible Sachwalter im Mendelssohn'schen Kosmos
Von Stefan Schmöe / Fotos: Mark Wohlrab /Klavierfestival Ruhr
Mit gleich beiden Klavierkonzerten Felix Mendelssohn-Bartholdys im Gepäck reisen das Chamber Orchestra of Europe und András Schiff durch die Lande - mit einer Station beim Klavierfestival Ruhr in der Wuppertaler Stadthalle. Und dazu gibt es mit der HebridenOvertüre und der Schottischen Symphonie auch noch zwei Orchesterwerke Mendelssohns. Ob man, bei aller Wertschätzung, dem Komponisten damit wirklich einen Gefallen tut? Zumal die beiden Klavierkonzerte, beide dreisätzig mit einem düsteren Moll-Eingangssatz, einem lyrischen Adagio und einem mitreißendem Finale, formal und stimmungsmäßig ziemlich ähnlich sind. Ein wenig mehr musikalische Bandbreite wäre nicht zuletzt dieses allerdings exzellenten Orchesters wegen doch wünschenswert gewesen. Des Pianisten wegen natürlich auch.
Der zu britischen Adelsehren gelangte Ungar Sir András Schiff ist nicht nur für den Klavierpart zuständig, er dirigiert auch - wobei die Orchestermusiker hervorragend aufeinander eingestellt sind, sodass Schiff mit wenigen Zeichen völlig auskommt. Auch wenn Mendelssohn die beiden Konzerte durchaus als Bravourstücke für den Pianisten angelegt hat, überlässt Schiff die Akzente immer wieder dem ungemein präsenten Orchester, hebt in seinem Solopart sehr deutlich die Melodielinie hervor und nimmt die virtuosen Umspielungen als leichtes Beiwerk - da dient die Musik nicht als Bühne für den Solisten, sondern der reiht sich in die Orchesterinstrumente ein, an exponierter Position zwar, aber immer mit dem Sinn für ein homogenes Miteinander statt eines konzertierenden Wettstreits. Die Kopfsätze beider Konzerte geht Schiff mit durchaus großer, düsterer Geste an, die Finali haben trockenen Witz und unwiderstehlichen Schwung. Schiff und das Orchester harmonieren perfekt, da ist alles genau aufeinander abgestimmt. Trotzdem ist es ein wenig bedauerlich, dass Schiff im Rahmen dieses Klavierfestival Ruhr keinen Solo-Abend gibt - die pianistische Zugabe, das introvertierte Finale aus Robert Schumanns C-Dur-Fantasie op. 17, spielt er mit einer großen Bandbreite an warmen Farben (der im Gegensatz zum brillanten und "harten" Steinway von Schiff gespielte "weichere" Bösendorfer unterstützt das) und sehr fein nuanciert, genau ausgewogen zwischen verträumter Romantik und dennoch klarer Struktur. Da hätte man auch gerne mehr von gehört: Mendelssons etwas brave Konzerte bieten da weniger Möglichkeiten dieser Art.
In der Konzertovertüre Die Hebriden und, nach der Pause, in der a-Moll-Symphonie Nr. 3, der Schottischen, steht Schiff dann am Dirigentenpult, das real gar nicht vorhanden ist - er dirigiert auswendig und ohne Dirigentenstab, mit zurückhaltender Zeichengebung. Entgegen der Bezeichnung "Kammerorchester" ist da doch ein veritabler symphonischer Klangkörper, der da mit neun ersten und neun zweiten Geigen auf der Bühne sitzt, in der eher ungewöhnlichen "deutschen Aufstellung", also die 2. Violinen gegenüber den 1. Violinen, die Celli in der Mitte, wie das zu Zeiten Mendelssohns noch üblich war. Auch der Klang ist großformatig, dabei warm eingedunkelt und von den tiefen Streichern getragen - die vielgelobte, vergleichsweise hallige Akustik der Wuppertaler Stadthalle, einem imposanten Neorenaissance-Bau aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, unterstützt das noch. Die exzellenten Holzbläser spielen mit wenig Vibrato, sodass der Klang registerartig mit den Streichern verschmilzt. Die nicht minder guten Blechbläser (gab es da überhaupt einmal einen Kiekser?) sind weich im Einsatz und strahlend, aber nie grell in der Farbe. Dazu kommt eine ungeheure Präsenz: Das Chamber Orchestra of Europe darf man zur internationalen Spitzenklasse zählen.
Schiff immer sehr geschmackvolle, nie die Extreme suchende Interpretation hat immer einen drive, was gar nicht einmal an besonders zügigen Tempi liegt - aber er denkt in großen Bögen, und das verhindert, dass die Musik allzu kleinteilig in kurze Perioden zerfällt, was in der Musik Mendelssohns immer wieder droht - etwa im Adagio der Schottischen Symphonie, das hier sehr schön fließend gelang. Als Zugabe spielte das Orchester das Scherzo aus der Musik zum Sommernachtstraum, und nach rund zweieinhalb Stunden Spieldauer fehlte den Streichern in diesem filigranen Wunderwerk die letzte Präzision - dagegen konnten die Flöten noch einmal brillieren. Großer Jubel.
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Klavierfestival Ruhr 2016 Historische Stadthalle Wuppertal, Großer Saal 21. Mai 2016 AusführendeAndrás Schiff, Klavier und LeitungChamber Orchestra of Europe ProgrammFelix Mendelssohn-Bartholdy:Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 d-Moll op. 40 Konzertovertüre Die Hebriden op. 26 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 25 Symphonie Nr. 3 a-Moll Schottische op. 56 Zugaben: Robert Schumann: III. Langsam getragen. Durchweg leise zu halten aus der Fantasie C-Dur op. 17 für Klavier Felix Mendelssohn-Bartholdy: Scherzo Allegro Vivace aus der Schauspielmusik zu Ein Sommernachtstraum op. 61
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