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BOSY Sonderkonzerte
Eröffnungskonzert / Preview

Musik von Stefan Heucke und Gustav Mahler

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Donnerstag, 27.10.2016, 20.00 Uhr
Großer Saal, Anneliese Brost Musikforum Ruhr



Bochumer Symphoniker
(Homepage)

Ein neues Zuhause für die Bosys

Von Thomas Molke / Fotos: © Lutz Leitmann und Ingo Otto

Seit 22 Jahren ist Steven Sloane nun Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker. Seit 17 Jahren hat er fortwährend dafür gekämpft, dass die Musiker in ihrer Heimatstadt eine eigene Spielstätte bekommen und dabei auch zahlreiche Rückschläge hinnehmen müssen. Doch er hat es dennoch geschafft, dass in Zeiten klammer öffentlicher Kassen in den Neubau eines Musikzentrums in der Bochumer Innenstadt investiert worden ist. Nachdem die ersten Pläne, die Jahrhunderthalle in Bochum zu einem Konzertsaal umzubauen, gescheitert waren, kam man auf die marode neugotische, nicht denkmalgeschützte Marienkirche in der südlichen Innenstadt in unmittelbarer Nähe zum Gastronomieviertel und dem Schauspielhaus, in dem bis jetzt ein Großteil der Konzerte der Bochumer Symphoniker stattgefunden hat. Mit einer an die Kirche angrenzenden 4.000 mē umfassenden städtischen Brachfläche bot sich ein geeignetes Territorium, um ein Musikforum zu errichten, in dem nicht nur die Bochumer Symphoniker ein Zuhause und erstmals seit ihrem Bestehen eine eigene Spielstätte finden würden, sondern die auch der Musikschule Raum für kleinere Konzerte und Veranstaltungen bieten würde. Und so flossen neben den öffentlichen Geldern auch zahlreiche Spenden, so dass 2013 mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Und knapp dreieinhalb Jahre nach dem ersten Spatenstich ist das neue Gebäude nun für insgesamt 32,8 Millionen Euro fertiggestellt, und trägt den Namen "Anneliese Brost Musikforum Ruhr", benannt nach der WAZ-Gründerin, die mit einer nicht unbedeutenden Spende ebenfalls zum Bau dieses Hauses beigetragen hat und die Eröffnung aber leider nicht mehr erleben kann.

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Herbert Grönemeyer (am Tag der offiziellen Eröffnung) in der zum Foyer umgestalteten Marienkirche (© Lutz Leitmann)

Die Eröffnung wird natürlich im großen Stil gefeiert. Vier Tage lang wird das Musikforum mit den unterschiedlichsten musikalischen Veranstaltungen auf allen Bühnen eingeweiht und bietet ein regelrechtes Bürgerfest. Die Nähe zu den Bürgern zeigt sich darin, dass die gesamten Veranstaltungen an diesen vier Tagen kostenfrei sind und so jeder die Möglichkeit hat, das neue Haus für sich zu entdecken. Und zu staunen gibt es für die Bochumerinnen und Bochumer hier einiges. Zum einen erstrahlt die Marienkirche als Eingangsfoyer neu in strahlendem Weiß. Dabei sind die Fenster über der Apsis und eine Glocke genauso erhalten worden wie die gotischen Portale, durch die man vom Kleinen und Großen Saal das ehemalige Kirchenschiff betritt. Inmitten der Kirche befindet sich eine riesige quadratische Gastronomietheke, die für Konzerte entfernt werden kann. Die hohen restaurierten Säulen bieten eine überwältigende Optik, die für einen Konzertsaal einmalig ist. An den Decken und den erneuerten Kirchenfenstern sind geometrische Figuren zu sehen, die eine Brücke zur Moderne schlagen und auch im Großen Saal fortgesetzt werden. Natürlich mag man darüber schmunzeln, dass sich die Kasse auf dem ehemaligen Altar befindet oder unter sakralen Wandmalereien der Weg hinab zu den Toiletten führt. Aber das Gesamtbild wird dadurch nicht gestört. Während der Große Saal mit seinen 960 Plätzen durch einen geschickten Raumaufbau eine beinahe schon intime Atmosphäre mit einer großen Nähe zu den Musikern vermittelt, ist der Kleine Saal auf der anderen Seite äußerst wandelbar und bietet der Musikschule, die hierzu auch einen eigenen Eingang auf der Rückseite des Gebäudes erhält, zahlreiche Möglichkeiten für kleinere Veranstaltungen.

Bezeichnend ist ebenfalls, dass zum allerersten Konzert nicht etwa Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft eingeladen sind, sondern den Bochumer Bürgerinnen und Bürger das eigentliche Eröffnungskonzert als Preview geboten wird. Karten für diese Veranstaltung konnte man bei zahlreichen Verlosungen, beispielsweise bei der WAZ, gewinnen. Das Programm ist das gleiche, das auch am nächsten Tag für die Ehrengäste gegeben wird - nur ohne die zahlreichen Laudationes, wie der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch in seiner kurzen Ansprache erklärt.

Um die Eröffnung des neuen Hauses gebührend zu feiern, hat sich Sloane für eine Auftragskomposition und Mahlers Symphonie Nr. 1 D-Dur entschieden. Das Auftragswerk stammt von dem seit 1996 in Bochum lebenden Komponisten Stefan Heucke, dessen circa 30-minütige Kantate zum einen den Dank für die Vollendung dieses lang gehegten Projektes ausdrücken und zum anderen den Segen für die Zukunft des Hauses beinhalten soll. Dazu hat er einen hebräischen Segensspruch vertont, der im Judentum am ersten Abend des achttägigen Lichterfests Chanukka gesprochen wird, das an die Wiedereinweihung des jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 v. Chr. erinnert, wovon im ersten Makkabäerbuch des Alten Testaments berichtet wird. In insgesamt acht Variationen danken ein Bariton, drei Knabenstimmen, mehrere Chöre und das komplette Orchester dem Herrn, wobei die verschiedenen Konstellationen aufzeigen, wem dieses neue Haus offenstehen soll. Dazu wird die gesamte Kantate von allen Beteiligten in eine Performance eingebettet.

Zu Beginn trägt Sloane mit zwei Senioren, zwei Erwachsene und zwei kleinen Kindern das Dirigentenpult auf die ansonsten leere Bühne. Damit präsentiert sich Sloane nicht nur als einfacher Bürger der Stadt, sondern unterstreicht auch gleichzeitig die Generationen übergreifende Bedeutung des Hauses. Die kleinen Kinder tragen ihre Geige in einem Rucksack auf ihrem Rücken und führen mit den Erwachsenen und Senioren im weiteren Verlauf des Stückes die Musiker und Choristen auf die Bühne. Aus dem Zuschauerraum erklingt zunächst a cappella der Bariton Martijn Cornet, der den hebräischen Segensspruch "Baruch ata Adonaj" singt, der im weiteren Verlauf auf Hebräisch, Deutsch und Englisch wie von einer magischen Hand in einer Projektion auf die Wand über der Bühne geschrieben wird. Dem Bariton antworten, die drei Sängerknaben der Chorakademie ebenfalls a capella aus dem Zuschauerraum. Mittlerweile positionieren sich auf der rechten Seite ein Bläser-Septett und auf der linken Seite ein Streichquartett, die die Melodie in einer Variation aufgreifen. Währenddessen betritt ein gutes Drittel der Orchestermusiker die Bühne und führt das Thema in einer neuen Variation fort, bis schließlich die ganze Bühne mit dem kompletten Orchester und zwei Chören gefüllt ist. Der Bariton, die drei Chorknaben, das Bläser-Septett und das Streichquartett haben mittlerweile im Zuschauerraum die Position gewechselt, um den Klang des Raums in seiner ganzen Vielfalt von unterschiedlichen Positionen erfahrbar zu machen. Ob es nun nötig ist, einen kompletten Chor durch den Zuschauerraum laufen zu lassen, um zu demonstrieren, dass alle Türen im Zuschauerraum miteinander verbunden sind und man durch jede Tür theoretisch jeden Platz erreichen kann, ist fraglich, zumal die Wanderung des Chors ein wenig von der Musik ablenkt und der Chor nicht direkt die Bühne betritt, sondern den Raum durch die unteren Eingänge wieder verlässt, um dann erneut auf der Bühne aufzutreten. Um den gesamten Saal klanglich zu erforschen, erscheint dieses Auftragswerk allerdings prädestiniert und ruft beim Publikum am Ende große Begeisterung hervor.

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Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker im Großen Saal nach Mahlers 1. Symphonie (© Ingo Otto)

Auch Mahlers Symphonie Nr. 1 D-Dur nach der Pause wird vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert. Dabei scheint es allerdings einem Großteil des Publikums nicht klar zu sein, dass es eigentlich unüblich ist, zwischen den einzelnen Sätzen zu klatschen. Aber Sloane und die Musiker lassen sich davon genauso wenig aus dem Konzept bringen wie von dem ständigen jahreszeitlich bedingten Husten, das aufgrund der guten Akustik leider auch überall zu hören ist. Dass Sloane sich im zweiten Teil des Konzertes für Mahlers erste Symphonie entschieden hat, mag mehrere Gründe haben. Zum einen bietet sie in der orchestralen Fülle dem kompletten Orchester die Möglichkeit zu einem nahezu gleichwertigen Einsatz, was Sloane nach eigenem Bekunden für das Eröffnungskonzert in beiden Teilen sehr wichtig gewesen ist. Zum anderen spielt sie mit dem Beinamen Titan auch ein wenig auf die Entstehungsgeschichte des Musikforums an, da der Bau des neuen Saales für Sloane in gewisser Weise ein "titanisches Unterfangen" gewesen sein mag. Außerdem soll auch in dieser Spielzeit erneut ein Mahler-Schwerpunkt gesetzt werden, so dass es naheliegt, dass bereits beim Eröffnungskonzert mit Mahlers erster Symphonie begonnen wird, die nach Arnold Schönberg musikalisch schon alles enthalte, was Mahlers Musik charakterisiere.

In den vier Sätzen arbeitet Sloane mit den Bochumer Symphonikern die ganze Vielfalt von pittoresken Naturbeschreibungen mit aus der Ferne klingenden Trompeten über scherzohafte Wandergesänge bis hin zu choralartigen Phrasen differenziert heraus. Dabei kommt die Walzerseligkeit im zweiten Satz genauso gut zur Geltung wie die nach Moll gewendete sehr leise angesetzte Melodie des Bruder-Jakob-Kanons im dritten Satz, bevor dann der vierte Satz mit einem regelrechten infernalischen Aufschrei beginnt und triumphal endet. Wer für das Konzert keine Karten bekommen hat, kann die Symphonie auch noch einmal im ersten Symphoniekonzert am 3., 4. oder 5. November 2016 erleben. Es ist zu hoffen, dass der Saal auch bei den weiteren Konzerten so gut gefüllt ist wie bei der Eröffnungsveranstaltung. Sloanes Engagement und die Qualität des Orchesters haben es verdient.


FAZIT

Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker bedanken sich mit einer grandiosen Auftaktveranstaltung dafür, dass sie nach langem Ringen im Musikforum endlich ein neues, würdiges Zuhause gefunden haben.



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Ausführende

Steven Sloane, Dirigent

Bochumer Symphoniker

Martijn Cornet, Bariton

Sängerknaben der Chorakademie Ruhr
Osho Thavarajasingam
Richard Nordheimer
Elijah Ansperger
(Einstudierung: Dietrich Bednarz)

ChorWerk Ruhr
(Einstudierung: Christian Meister)

Philharmonischer Chor Bochum
(Einstudierung: Susanne Blumenthal)

Schüler/innen der Musikschule Bochum


Werke

Stefan Heucke
Baruch ata Adonaj - Gesegnet seist du Herr
op. 77
(Kantate auf einen hebräischen Segenstext
für Bariton, drei Knabenstimmen, Chor
und Orchester)

Thema. Sehr ruhig und mystisch
Variation 1. Lebhaft
Variation 2. Ruhig und feierlich
Variation 3. Bewegt, etwas unruhig
Variation 4. Ziemlich langsam
Variation 5. Rasch und drängend
Variation 6. Sehr langsam
Variation 7. Sehr lebhaft, straff und rhythmisch
Variation 8. Fuge. In mäßigem Tempo

Gustav Mahler
Symphonie Nr. 1 D-Dur Titan
1. Langsam. Schleppend. - Immer gemächlich
2. Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell
3. Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen
4. Stürmisch bewegt


Weitere Informationen
erhalten Sie von den

Bochumer Symphonikern
(Homepage)



Da capo al Fine

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