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La clemenza di Tito

Opera seria in zwei Akten (KV 621)
Libretto von Caterino Tommaso Mazzolà nach dem gleichnamigen Libretto von Pietro Metastasio (1734)
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Konzertante Aufführung am Samstag, 9. September 2017, 19.00 Uhr
Großer Saal im Konzerthaus Dortmund

 


(Homepage)

Der etwas andere Titus

Von Thomas Molke / Fotos: © Camilo Brau

Mozarts La clemenza di Tito hat lange Zeit ein Schattendasein im Schaffen des Ausnahme-Komponisten geführt. Nach seinen großen Erfolgen mit Le nozze di Figaro und Don Giovanni nahm man ihm bei diesem Werk, das anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten des künstlerisch nicht sehr interessierten neuen Kaisers Leopold II. am 6. September 1791 in Prag uraufgeführt worden war, den vermeintlichen Rückschritt zur Opera seria übel. Dass die Kaiserin das Stück als "porcheria tedesca" (deutsche Schweinerei) bezeichnet haben soll, haftete ihm lange Zeit ebenfalls als Makel an. Erst mit der Rückbesinnung auf die historische Aufführungspraxis haben sich Dirigenten wie René Jacobs und Alessandro De Marchi seit den 80er Jahren für die Rehabilitierung dieses zu Unrecht vernachlässigten Werkes eingesetzt. Auch Teodor Currentzis, der unter anderem mit seiner Interpretation der drei Da-Ponte Opern von Mozart Aufsehen erregte (dieser Zyklus war auch 2015 im Konzerthaus Dortmund zu erleben), hat sich nun mit dem Titus auseinandergesetzt und nach einer spektakulären szenischen Produktion bei den Salzburger Festspielen in der Regie von Peter Sellars (siehe auch unsere Rezension) tourt er nun mit einer konzertanten Fassung durch die Konzertsäle.

Der römische Kaiser Titus Vespasian (Tito) galt während seiner kurzen Herrschaft von 79 - 81 n. Chr. als idealer Kaiser, der sich im Gegensatz zu zahlreichen Vorgängern um ein gutes Verhältnis zum Senat bemühte und für die Belange des römischen Volkes einsetzte. Dies dürfte der Grund gewesen sein, weshalb Pietro Metastasio diese Figur für sein Libretto auswählte, das in der Folgezeit über 50 Mal vertont wurde, da die Geschichte als Huldigung für den jeweils herrschenden Monarchen hervorragend geeignet erschien. Caterino Tommaso Mazzolà verknappte die ursprünglich dreiaktige Fassung auf zwei Akte und strich fast ein Drittel der Arien. Im Mittelpunkt der Oper stehen die Intrigen gegen den römischen Kaiser. Vitellia, die Tochter des 10 Jahre zuvor entmachteten Kaisers Vitellius, fühlt sich von Titus zurückgesetzt, weil dieser Berenice heiraten will. Folglich stiftet sie ihren Verehrer Sesto, einen Freund des Kaisers, dazu an, einen Anschlag auf den Kaiser zu verüben. Sesto fühlt sich hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Vitellia und der Treue zum Kaiser, ist aber schließlich bereit, Vitellias Wunsch nachzugeben. Noch größer werden seine Gewissensbisse als der Kaiser Sestos Schwester Servilia als künftige Gemahlin auswählt. Diese wiederum liebt Sestos Freund Annio, woraufhin Tito bereit ist, auf Servilia zu verzichten und stattdessen Vitellia zu heiraten. Diese will nun die Verschwörung stoppen. Doch es ist zu spät. Der Anschlag auf den Kaiser wird durchgeführt aber misslingt. Sesto wird als Schuldiger überführt und soll hingerichtet werden. Tito verlangt eine Erklärung und will den Freund eigentlich begnadigen, doch Sesto schweigt aus Liebe zu Vitellia zu den Vorwürfen. Schließlich gesteht Vitellia ihre Schuld, aber Tito verzeiht allen großmütig, verzichtet auf Vitellia und überlässt sie seinem Freund Sesto.

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Teodor Currentzis

Currentzis nimmt auch bei der konzertanten Aufführung die Eingriffe in die musikalische Struktur vor, die in der szenischen Produktion bei den Salzburger Festspielen zu erleben waren. Die Rezitative, die größtenteils von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr stammen, werden drastisch gekürzt oder ganz gestrichen, und Currentzis legt großen Wert auf fließende Übergänge nach den einzelnen Arien, um Zwischenapplaus zu vermeiden. Schon bei der Ouvertüre wird deutlich, dass Currentzis Mozarts Musik auf eine ganz ungewohnte Art und Weise neu interpretiert. Etliche Zäsuren, Verzögerungen, Generalpausen und unerwartete Wechsel bei den Tempi führen dazu, dass man diese Musik ganz neu erlebt, und es ist wirklich unglaublich, welche Spannungsbögen Currentzis dabei aufbaut. Das Orchester MusicAeterna, das 2004 von Currentzis in Nowosibirsk mit dem Ziel gegründet wurde, barocke und klassische Werke im Originalklang aufzuführen, und seit der Spielzeit 2011/2012 mit dem MusicAeterna Chor am Staatlichen Operntheater Perm im Ural beheimatet ist, folgt ihm dabei punktgenau.

Hat man bis zur Pause den Eindruck, trotz aller Neuerungen noch dem Stück zu folgen, ändert sich das nach der Pause schlagartig. So beginnt der zweite Akt, der am Morgen nach dem Anschlag auf den Kaiser spielt, mit dem flehentlichen "Kyrie" aus Mozarts c-moll-Messe KV 427. Zwar gelingt es dem Chor, der rechts und links hinter dem Orchester positioniert ist, mit eindringlicher Interpretation zu glänzen. Was der Einschub dieser Passage jedoch soll, erklärt sich nicht, zumal dieses "Crossover" kein Einzelfall bleibt. Nachdem der Chor berichtet hat, dass Tito den Anschlag überlebt hat, und in der Interpretation wie eine trauernde Masse bei einem Begräbnis klingt, folgen weitere Auszüge aus der c-moll-Messe. Auch der Schluss wird abgeändert. In der szenischen Umsetzung von Sellars in Salzburg erliegt Tito seinen Verletzungen und stirbt am Ende. Das wird bei der konzertanten Aufführung nicht klar, da Maximilian Schmitt in der Titelpartie ja zunächst allen in einer stimmgewaltigen Arie vergibt. An den allgemeinen Jubel über die Milde des Kaisers schließt sich dann aber für die konzertante Aufführung relativ unvermittelt Mozarts Maurerische Trauermusik in c-moll in einer Fassung für Männerchor und Orchester an, die den Abend düster ausklingen lässt. Lange ist es nach dem letzten Ton still im Publikum, während das Licht langsam verlischt, bevor sich ein gewaltiger Jubel über die Solisten, das Orchester und natürlich Currentzis ergießt.

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Schlussapplaus: von links: Annio (Jeanine de Bique), Servilia (Anna Lucia Richter), Vitellia (Karina Gauvin), Sesto (Stéphanie d'Oustrac), Teodor Currentzis, Tito (Maximilian Schmitt) und Publio (Sir Willard White)

Von den Solisten in Salzburg sind bei der konzertanten Tournee Jeanine de Bique als Annio und Sir Willard White als Publio dabei. De Bique begeistert wie bereits in Salzburg mit einem frischen Sopran, der eine klare Durchschlagskraft besitzt. Mit sauberer Stimmführung glänzt sie im Anschluss an den Chor mit dem Sopranpart im "Kyrie" der c-moll-Messe und punktet mit ihrer eindringlichen Interpretation bei der folgenden Arie "Torna di Tito a lato", in der sie Sesto überzeugt, sich nach dem missglückten Anschlag nicht der Verantwortung zu entziehen. White strahlt mit dunkel gefärbtem Bass als Publio Autorität aus. Anna Lucia Richter stattet die Servilia mit mädchenhaftem Sopran aus. Maximilian Schmitt verfügt in der Titelpartie über lyrischen Glanz in den Höhen und eine saubere Diktion. Karina Gauvin gestaltet die Partie der Vitellia mit einer enormen stimmlichen Bandbreite. So gelingen ihr die Höhen mit großer Strahlkraft, und auch in der Mittellage verfügt sie über großes Volumen. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre große Arie im zweiten Akt, "Non più di fiori", wenn sie sich schweren Herzens durchringt, dem Kaiser ihre Schuld einzugestehen. Stéphanie d'Oustrac begeistert als Sesto mit kräftigem Mezzosopran und spielt die Zerrissenheit des jungen Mannes wunderbar aus. Bei Sestos Glanzarie "Parto, parto, ma tu, ben mio", wenn Sesto beschließt, den Freund zu töten, ist das Publikum bei d'Oustracs eindringlicher Interpretation auch nicht mehr zu halten und spendet frenetischen Zwischenapplaus, den Currentzis auch nicht zu unterbinden versucht, zumal sich durch sein lebhaftes Dirigat zu diesem Zeitpunkt die Schleife seines rechten Schuhs gelöst hat und er die kurze Pause gut nutzen kann, um sie wieder zu binden.

FAZIT

Teodor Currentzis gelingt es, mit seiner Interpration deutlich zu machen, dass La clemenza di Tito musikalisch kein Rückschritt zur Opera seria sein muss. Ob man die musikalischen Einschübe aus der c-moll-Messe für das Stück wirklich benötigt, ist Geschmacksache.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Teodor Currentzis

Chor und Orchester MusicAeterna



Solisten

Tito Vespasiano
Maximilian Schmitt

Vitellia
Karina Gauvin

Sesto
Stéphanie d'Oustrac

Servilia
Anna Lucia Richter

Annio
Jeanine de Bique

Publio
Sir Willard White



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Konzerthaus Dortmund
(Homepage)



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