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Alte Musik bei Kerzenschein
Cecilia Bartoli & Sol Gabetta
Dolce Duello

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Samstag, 25. November 2017, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Süße Duelle zwischen Stimme und Cello

Von Thomas Molke / Fotos: © Sven Lorenz

Cecilia Bartoli zählt nicht nur zu den derzeit erfolgreichsten Sängerinnen der Klassik, sondern ist vor allem auch für ihre außergewöhnlichen Programme bekannt, in denen sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, versunkene Schätze der Barockmusik dem Vergessen zu entreißen. Erinnert sei an dieser Stelle an ihre Programme Mission, in dem sie sich dem Opernschaffen Agostino Steffanis widmete, den sie selbst musikalisch als fehlendes Bindeglied zwischen Monteverdi und Händel betrachtet (siehe auch unsere Rezension), oder St. Petersburg, in dem sie Werke aufgespürt hat, die seit langer Zeit in den Archiven der Kaiserlichen Hofoper in St. Petersburg schlummern und denen in Russland seit Mitte des 19. Jahrhunderts kaum mehr Beachtung geschenkt worden ist (siehe auch unsere Rezension). Jetzt hat sie sich mit der Ausnahme-Cellistin Sol Gabetta zusammengetan und macht gemeinsam mit dem von Gabetta und ihrem Bruder Andrés im Dezember 2010 gegründeten Ensemble Cappella Gabetta einen Streifzug durch Arien der Barockmusik, in der die menschliche Stimme und das Cello als Solo-Instrument in einen spannenden Dialog treten. Um ein "Duell" handelt es sich dabei höchstens in dem Umfang, dass sowohl die Stimme als auch das Cello um die Gunst des Publikums buhlen. Da es allerdings keine Verlierer gibt, beschreibt das Wort "dolce" (= süß, angenehm) im Titel sehr treffend den musikalischen Genuss, den der Abend dem Publikum bereitet.

Der Teil vor der Pause ist in zwei Blöcke mit jeweils drei Gesangsnummern unterteilt, die von der Cappella Gabetta unter der Leitung von Andrés Gabetta jeweils mit einer Ouvertüre einer heute unbekannten Barockoper eingeleitet werden. Johann Adolf Hasse galt zwar als Meister der Opera seria in Dresden und Wien, geriet jedoch wie die Gattung Ende des 18. Jahrhunderts aus der Mode und wird erst in den letzten Jahren allmählich wiederentdeckt. Il Ciro riconosciuto erzählt von dem medischen König Kyros II., den sein Großvater, der Mederkönig Astyages, töten lassen wollte, da diesem im Traum verkündet worden war, dass Kyros ihn einst stürzen werde. Doch Kyros wurde von dem Hirten Mithradates in den Bergen ausgesetzt und überlebte. 15 Jahre später kehrt Kyros in die Heimat zurück und übernimmt dort die Herrschaft. Bei der zweiten Ouvertüre sind zwar der Titel der Oper und die Geschichte bekannt, nicht aber der Komponist Carlo Francesco Pollarolo. Ariodante war eine von 85 Opern, mit der der um 1653 in Brescia geborene Organist und Komponist in Italien, Deutschland und Österreich große Erfolge feierte. Die Cappella Gabetta findet auf historischen Instrumenten einen frischen Zugang zu beiden Ouvertüren.

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Cecilia Bartoli (links) und Sol Gabetta (rechts) im ersten Teil des Abends

Beinahe unbemerkt schleichen sich Gabetta und Bartoli zum ersten Auftritt auf die Bühne und erscheinen optisch im Gleichklang in einem wallenden schwarzen Rock mit schwarzer Korsage. Gabetta eröffnet die Arie aus Antonio Caldaras Oper Nitroci mit einem eindrucksvollen Cello-Solo, bevor Bartoli als Emirena das Leid der Schwester der letzten Pharaonenkönigin der sechsten Dynastie, Nitocris, besingt. Bartolis weich geführter Mezzo und Gabettas Cello klagen bei dieser Arie gewissermaßen um die Wette und machen das Unglück Emirenas regelrecht spürbar. Ganz anders geht es dann in der Arie des Zefiro aus der Oper Il nasciamento dell' Aurora von Tomaso Albinoni zu, den man heute hauptsächlich noch durch sein berühmtes Adagio kennt. In dem Stück, das zum Geburtstag von Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Gemahlin des späteren Kaisers Karl VI. uraufgeführt worden ist, bereitet Zefiro gemeinsam mit Apollo, Peneo, Dafne und Flora eine Huldigung für Aurora vor. In der präsentierten Arie schickt Zefiro die Winde los, um Aurora sanft zu umwehen. Mit halsbrecherischen Koloraturen und variablen Verzierungen beschreibt Bartoli den Flug der Winde, der von Gabetta am Cello großartig fortgesetzt wird. Um Winde geht es auch in der Arie der Inomenia aus dem unbekannten Oratorium San Sigismondo, re di Borgogna von Domenico Gabrielli über den von der katholischen Kirche als Heiligen verehrten Burgunderkönig Sigismund. Hier gebärden sich die Winde allerdings wesentlich ruhiger als in der zweiten Arie und greifen den klagenden Ton der Caldara-Arie wieder auf. Hier erhält neben dem Cello auch noch die Laute einen Solopart und begeistert im Zusammenspiel mit Bartolis zart angesetztem Mezzo.

Der zweite Block vor der Pause weist eine ähnliche Struktur auf. Bartoli beginnt ohne Gabetta mit einer berühmten Händel-Arie, die man eigentlich unter dem Titel "Lascia ch'io pianga" aus Händels erster Oper für London, Rinaldo, kennt, die aber bereits 1707 für das Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno in Rom komponiert wurde, in dem die allegorischen Figuren Schönheit (Belleza) und Vergnügen (Piacere) der Zeit (Tempo) und der Enttäuschung (Disinganno) in einem Diskurs unterliegen. Piacere warnt in dieser Arie vor den Dornen, die beim Pflücken der Rose die Hand verletzen können. Bartoli findet in ihrer Interpretation zu einer unter die Haut gehenden Wärme und kostet besonders die leisen Stellen durch intensives Gefühl aus. Ein Zuschauer ist von ihrer Darbietung so gerührt, dass er ihr direkt im Anschluss an diese Arie eine rote Rose überreicht. Es folgt ein Koloraturfeuerwerk, in dem Bartoli erneut ihr ganzes Können unter Beweis stellt. Als Laodice lässt sie in der Arie "O placido il mare" aus Hermann Raupachs für St. Petersburg komponierten Oper Siroe, re di Persia mit halsbrecherischen Verzierungen das Aufbrausen des Meeres vor dem geistigen Auge des Zuhörers entstehen und zieht dabei alle Register ihrer Vokalkunst. Wie variationsreich sie dabei die Koloraturen ansetzt und damit gewissermaßen Wellen unterschiedlicher Höhe entstehen lässt, ist atemberaubend und bringt das begeisterte Publikum zum Toben. Da bleibt der Feststellung aus Händels Ode for St. Cecilia's Day "What Passion cannot Music raise and quell!", mit der der erste Teil abgeschlossen wird, nichts mehr hinzuzufügen.

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Zweiter Teil: von links: Andrés Gabetta, Cecilia Bartoli und Sol Gabetta

Nach der Pause haben Bartoli und Gabetta nicht nur den schwarzen wallenden Rock gegen einen aufwendig weiten Rock mit farbenfrohem Blumenmuster getauscht, sondern auch den Ablauf geändert. Nun beginnt Gabetta gemeinsam mit ihrem Ensemble und präsentiert Luigi Boccherinis Konzert Nr. 10 D-Dur für Violoncello und Orchester. In dem dreisätzigen Konzert klettert Gabetta bis zum höchsten Register und stellt unter Beweis, dass das Cello vom Timbre im Ausdruck mit der menschlichen Stimme durchaus vergleichbar ist. Es folgt der berühmte "Tanz der Furien" aus Glucks Orpheus und Eurydike, der erst später in die Oper eingefügt worden ist. Ursprünglich wurde darin Don Juans Abstieg in die Hölle beschrieben. Erstmals erklang das Stück nämlich am 17. Oktober 1761 am Burgtheater in Wien bei der Uraufführung des Ballettes Don Juan ou le Festin de Pierre. Das Ensemble Cappella entfesselt unter Leitung von Andrés Gabetta mit schneidendem Spiel die Höllenmächte und lässt das Publikum lautmalerisch in eine von unheimlichen Schatten bedrohte Unterwelt taumeln. Zum Abschluss gibt es dann noch eine Arie von Boccherini, in der Cello und Stimme noch einmal kongenial zusammengeführt werden und im Dialog den Melodiebogen voneinander übernehmen.

Danach werden die beiden Solistinnen nicht nur vom Publikum mit frenetischem Jubel sondern auch mit Blumen überschüttet, so dass es insgesamt noch drei Zugaben gibt. Den Anfang macht die Seguidilla "Vendado es amor, no es ciego" von José de Nebra, bei der sowohl Bartoli und Gabetta erneut ihrem Temperament freien Lauf lassen können. Es folgt die Arie "Sovvente il sole" aus Antonio Vivaldis Andromeda liberata, in der Bartoli erneut mit halsbrecherischen Koloraturen glänzt und Gabetta auf dem Cello begeistert. Zum Abschluss bringen dann alle mit Rossinis Tarantella "La Danza" das Publikum noch einmal zum Toben.

FAZIT

Mit Cecilia Bartoli und Sol Gabetta haben sich zwei Künstlerinnen gefunden, die auf Augenhöhe mit einem abwechslungsreichen Programm durch die Schätze der Barockmusik das Publikum in der Essener Philharmonie regelrecht von den Sitzen reißen.



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Ausführende

Cecilia Bartoli, Mezzosopran

Sol Gabetta, Violoncello

Cappella Gabetta

Andrés Gabetta, Violine und Musikalische Leitung


Werke

Johann Adolf Hasse
Ouvertüre zu Il Ciro riconosciuto

Antonio Caldara
"Fortuna e speranza"
Arie der Emirena aus Nitroci

Tomaso Albinoni
"Aure andate e baciate"
Arie des Zefiro aus Il nasciamento dell' Aurora

Domenico Gabrielli
"Aure voi de' miei sospiri"
Arie der Inomenia
aus San Sigismondo, re di Borgogna

Carlo Francesco Pollarolo
Ouvertüre zu Ariodante

Georg Friedrich Händel
"Lascia la spina"
Arie des Piacere
aus Il trionfo del Tempo e del Disinganno, HWV 46

Hermann Raupach
"O placido il mare"
Arie der Laodice aus Siroe, re di Persia

Georg Friedrich Händel
"What Passion cannot Music raise and quell!"
Arie aus Ode for St. Cecilia's Day

Luigi Boccherini
Konzert Nr. 10 D-Dur
für Violoncello und Orchester, G 483

Christoph Willibald Gluck
"Tanz der Furien" aus Orpheus und Eurydike

Luigi Boccherini
"Se d' un amor tiranno"
Arie G 557


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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