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Nach dem Prinzip der Steigerung Von Christoph Wurzel / Foto: Stephanie Schweigert Herbert Blomstedt, mit 91 Jahren neben Bernhard Haitink (89) Nestor der aktiven Dirigentenzunft, hat eine Mission. Musizieren bedeutet für ihn das tätige Plädoyer für Offenheit gegenüber Neuem, Toleranz und Demut gegenüber den Mitmenschen und das ständige Streben nach persönlicher Vervollkommnung. Ebenso humorvoll wie berührend sprach er jüngst in diesem Sinne über seine persönliche Musik-Ethik bei dem von ihm geleiteten (und im Rundfunk übertragenen) Solidaritätskonzert "Für ein friedliches Miteinander", das als Reaktion auf die Chemnitzer Ereignisse Ende August / Anfang September gemeinsam von der Dresdner Staatskapelle mit dem Gewandhausorchester (bei beiden war Blomstedt Chefdirigent) spontan in Leipzig veranstaltet wurde; scheinbar ganz unpolitisch, aber doch als wunderbares Beispiel für die Verantwortung eines Künstlers in unserer Zeit - Chapeau! Eine andere Mission führte ihn nun mit den Wiener Philharmonikern nach Baden-Baden. Seit Jahren macht er sich für Franz Berwald stark, seinen schwedischen Landsmann. Dessen dritte Sinfonie hatte Blomstedt mit Antonín Dvořáks Siebter zu einem Wunschprogramm zusammengestellt, zwei Werke, deren Bedeutung nach seiner Ansicht im Konzertleben zu gering geschätzt werden. Beim Konzert in Baden-Baden: Herbert Blomstedt, jovialer Nestor der Dirigentenzunft Tatsächlich, den Namen Berwald wird man hierzulande auf den Konzertprogrammen nur schwerlich finden und fraglich ist, welche seiner Sinfonien die Wiener Philharmoniker überhaupt schon aufgeführt haben. Mit der Sinfonie singulière, dem ersten Werk des Abends, jedenfalls schienen sie etwas zu fremdeln. Dabei ist Berwalds C-Dur-Sinfonie ein interessantes Stück, voller geistreicher Wendungen, sehr eigensinnig im Aufbau und handwerklich meisterhaft komponiert, eigentlich ein echtes Orchester-Schmankerl. Historisch zwar in der Romantik verortet, ist die Sinfonie im Ausdruck doch eher rein absolute Musik, dennoch aber nicht ohne Humor. Ungewöhnlich ist inmitten des zweiten Satzes, einem lyrischen Liedsatz, ein munter bewegtes Scherzo eingebettet. Wohl damit sich das Publikum in die liebliche Stimmung dieses Adagios nicht allzu sehr versenkt, soll es ein geschickt eingebauter Paukenschlag aus seligen Träumen reißen. Doch leider ging an diesem Abend der hier tätige Paukist seine Sache recht zögerlich an, so dass die Wirkung etwas verpuffte. Auch gleich zu Beginn des ersten Satzes (Allegro fuocoso) ließen sich die verspielten Streicherfiguren mit mehr Witz und Inspiration vorgetragen denken. Klangschön allerdings, aber - hier käme der Dirigent ins Spiel - auch gegenüber der Streichermacht etwas sehr zurückhaltend, setzten die Holzbläser ihre zahlreich aufblitzenden Akzente. Auch im Finalsatz gelang die Balance zwischen den je zweifach besetzten Holzbläsern und dem satten Streicherapparat nicht immer optimal. Das Wiener Blech, vor allem die Hörner, dagegen entwickelte seinen gewohnten Glanz. Ist Berwalds Sinfonie singulière zwar dem Gehalt nach auch eher leicht gewichtig, so kam sie in ihrem Charme leider nicht ganz zu ihrem Recht. Anders Dvořáks siebente Sinfonie, deren tragischer Charakter an diesem Abend zu voller Wirkung kam. Sich der vollen Romantik dieser Musik auszusetzen, waren die Philharmoniker nun wesentlich entschlossener und auch die inneren Spannungen, die heftige Dramatik vor allem des Schlusssatzes ließen sie intensiv hören. Die großen Kontraste des ersten Satzes, allegro maestoso, spielten sie plastisch heraus, die dunkle Stimmung des ersten gegen das schwebende, fast mystische Seitenthema. Das elegische Adagio des zweiten Satzes gelang mit einem Hauch folkloristischen Kolorits, das Scherzo wurde animiert durch den Kontrast zwischen dem wiegenden Rhythmus aus kunstvoll verwobenen Synkopen und seiner teils herben Instrumentation. Die innere Aufgewühltheit des Schlusssatzes packte das Orchester abschließend fesselnd an. So gelang diese Interpretation weit zwingender als die aus dem ersten Teil des Programms. Vollends aber beglücken konnten die Philharmoniker mit ihrem speziellen Wiener Geschenk, das sie dem Programm als Sahnehäubchen aufsetzten, dem Kaiserwalzer von Johann Strauß Sohn. Hier zeigten sie alle Finessen ihrer Orchesterkunst, eine dosierte Dynamik, zartfühlende Intonation, eleganten Schwung und beredt singende Melodik. FAZIT Wohl mal weniger, mal mehr beabsichtigt: Das Konzert lebte von seinen Kontrasten.
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Ausführende Wiener Philharmoniker Herbert Blomstedt, Dirigent
Programm Franz Berwald Antonín Dvořák Zugabe
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