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BOSY Symphonie 1
Glückwunsch Lenny!

Musik von Noam Sheriff, Leonard Bernstein, Charles Ives und Aaron Copland

Aufführungsdauer: ca. 2h 5' (eine Pause)

Donnerstag, 27.09.2018, 20.00 Uhr
Großer Saal, Anneliese Brost Musikforum Ruhr



Bochumer Symphoniker
(Homepage)

Hommage an Leonard Bernstein

Von Thomas Molke

Am 25. August 2018 wäre Leonard Bernstein 100 Jahre alt geworden. Das ist Grund genug für Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker, das erste Symphoniekonzert der Spielzeit diesem bedeutenden Dirigenten, Komponisten und Pianisten des 20. Jahrhunderts zu widmen, dessen West Side Story zum Standardrepertoire im Musiktheater gehört und der mit seinen stilistisch breit gefächerten Kompositionen für viele als Sprachrohr in Sachen Musik galt. Dabei beschränkt man sich allerdings nicht auf Kompositionen von Bernstein, sondern hat auch Werke von anderen Komponisten ausgewählt, die im Zusammenhang mit "Lenny" stehen. Es gibt sogar ein Ballett von Aaron Copland, das die taiwanesische Choreographin Fang-Yu Shen mit Studierenden des Instituts für Zeitgenössischen Tanz der Folkwang Universität der Künste in Tanz umgesetzt hat.

Der Abend beginnt mit einem "Geburtstagsständchen" des israelischen Komponisten Noam Sheriff, das am 22. Februar 2018 unter dem Titel Lenny in Regensburg uraufgeführt worden ist. Sheriff wurde 1957 bei einem Wettbewerb des Israel Philharmonic Orchestra mit seiner Komposition Festival Prelude von Bernstein entdeckt und zum Sieger des Wettbewerbs erklärt. Anschließend verband ihn bis zu Bernsteins Tod eine lange Freundschaft mit seinem ehemaligen Förderer, so dass er ihm 60 Jahre später eine musikalische Widmung komponierte. Die Uraufführung konnte Sheriff in Regensburg noch erleben, verstarb aber am 25. August, genau an Bernsteins 100. Geburtstag, was ein weiterer Grund für Sloane gewesen sein dürfte, dieses Werk in das Konzert mit aufzunehmen, zumal es auch noch keine Tonaufnahme dieses rund elfminütigen Stückes gibt. Die musikalische Vielfalt, die zahlreiche Strömungen des US-amerikanischen Musikstils des 20. Jahrhunderts einfängt, wirkt mit den Jazz-Anklängen und der Orchestervielfalt gerade im Schlagbereich wie eine Reminiszenz an Bernstein, nimmt in manchen Momenten aber auch Motive von George Gershwin auf. So erinnert ein Lauf beispielsweise an das berühmte "Summertime" aus Porgy and Bess.

Es folgt Bernsteins 2. Symphonie, die auf dem epischen Gedicht The Age of Anxiety von W. H. Auden aus dem Jahr 1947 basiert. Darin zeichnet Auden ein Bild von vier Personen, drei Männern und einer Frau, die sich in einer New Yorker Bar treffen und über die im Rundfunk übertragene Kriegsberichterstattung so erschüttert sind, dass sie zu der Frau nach Hause fahren und dort eine wilde ausgelassene Party feiern, um mit verzweifelter Fröhlichkeit und hohlem Vergnügen wieder Halt und Glauben in einer ihrer Ideale beraubten Welt zu finden. Eine besondere Rolle übernimmt in Bernsteins Komposition das Klavier, das fast als persönliche, kommentierende Stimme des Komponisten verstanden werden kann und bei der Uraufführung am 8. April 1949 in Boston von Bernstein persönlich gespielt wurde. Ein Jahr später wurde das Stück von Jerome Robbins als Ballett choreographiert. Die Symphonie, die auch als Klavierkonzert betrachtet werden könnte, lässt sich grob in zwei Teile gliedern, wobei jeder einzelne Teil wieder aus drei Unterabschnitten besteht.

Der erste Teil beginnt mit einem Prolog in einer Bar. Zwei Klarinetten beginnen mit einem leisen, zerbrechlichen Duett. Das Klavier markiert im Anschluss daran den Beginn der Bargespräche, die zunächst ziellos von einem Thema zum nächsten springen, bevor sich die jungen Leute in alkoholisierte Fantasien hineinsteigern und in Variationen über "die sieben Zeitalter" ("The Seven Ages") und über "sieben Stadien" ("The Seven Stages") philosophieren. Der zweite Teil beginnt mit der Fahrt im Taxi ("The Dirge"), das die vier Personen zur Wohnung der Frau bringt. Der Tonfall ist nun ein wenig nüchterner und sentimentaler. In einem Zwölfton-Klagelied macht sich die Verzweiflung der Figuren breit, bevor dann die Party vom Schlagzeuger mit einem Jazzbesen eröffnet wird ("The Masque"). Das Klavier spielt nun in einer Art Piano-Jazz-Scherzo nahezu fröhlich auf und lässt die ausgelassene und vom Alkohol enthemmte Stimmung auf der Party spürbar werden, die dann jedoch in einem Moment der Entfremdung mündet, wenn das Piano aufhört zu spielen und im Hintergrund die Melodie von einem anderen Klavier wieder aufgenommen wird. Der Epilog wird dann von einer Trompete mit einem viertönigen Motiv eröffnet, das mehrfach wiederholt wird. Bernstein hat dieses Motiv als eine "buddhistische Antwort" verstanden, dass man in den kleinsten Dingen des Lebens Halt finden könne. Für den Klavierpart hat man die Pianistin Orli Shaham gewinnen können, die die Struktur des Werkes gekonnt herausarbeitet und die kommentierende Funktion sehr plastisch übernimmt. Mal tritt sie mit den Symphonikern in eine Art Dialog, dann verfolgt sie scheinbar ihren ganz eigenen Weg. Als Zugabe präsentiert sie im Anschluss ein kleines Geburtstagsständchen "Von Bernstein für Bernstein".

Der Teil nach der Pause beginnt mit Charles Ives The Unanswered Question. Bernstein war von diesem 1908 entstandenen kurzen Werk so fasziniert, dass er danach seine berühmt gewordenen Vorlesungen zur Musik an der Harvard University 1973 benannte. Auf faszinierende Art prallen hier tonale und atonale Musikauffassungen aufeinander und finden nicht zueinander. Die Streicher bilden einen sanften harmonischen Hintergrund, der immer wieder von einer Trompete mit denselben fünf Tönen in einer atonalen Folge hinterfragt wird. Die Trompete ertönt in Bochum aus dem Off. Auf dem Rang ist eine Gruppe mit Flöten positioniert, die sich jeweils an einer komplexen, ebenfalls atonalen Antwort auf die Frage der Trompete versuchen, sich dabei aber in Dissonanzen verheddern. Unterdessen spielen die Streicher unberührt weiter und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen.

Zum Abschluss gibt es das Ballett Appalachian Spring von Aaron Copland in der neuen von David Newman vollendeten Orchesteredition aus dem Jahr 2016. Copland war für den 18 Jahre jüngeren Bernstein das, was Bernstein später für Noam Sheriff wurde. Nachdem Copland mit Billy the Kid und Rodeo zwei Ballettmusiken komponiert hatte, die vom ländlichen oder historischen Amerika inspiriert waren, bat ihn die große Modern-Dance-Revolutionärin Martha Graham um die Komposition einer weiteren Ballettmusik. Copland schuf für sie Appalachian Spring, ein Stück über die Siedlerpioniere im frühen 19. Jahrhundert, das 1944 zunächst aufgrund der beengten Platzverhältnisse mit einem Kammerorchester in der Library of Congress in Washington uraufgeführt wurde. Eine Fassung für großes Orchester entstand erst später. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau und ihres Verlobten, die sich nach dem Richtfest des Farmhauses ihr zukünftiges Leben in Pennsylvania vorstellen. In acht Sätzen konzentriert sich Copland auf das innere Leben der Figuren und verwendet einen Tonfall, der für das Landleben zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Amerika steht.

Fang-Yu Shen wählt mit den sieben Tänzerinnen und Tänzern auf der sehr beengten Bühne, die aus einem relativ schmalen Streifen vor dem Orchester und zwei beschränkt einsehbaren Podesten hinter dem Orchester besteht, einen sehr abstrakten Ansatz, der ohne Kenntnis der Geschichte die Handlung nur mit viel Fantasie erahnen lässt. Bereits zu Charles Ives sitzen die Tänzerinnen und Tänzer im Dunkeln auf der Bühne und lauschen dem musikalischen Wettstreit zwischen Tonalität und Atonalität. Zu dem sehr langsamen ersten Satz erheben sie sich dann in zeitlupenartigen Bewegungen und verharren lange in einzelnen Positionen, bevor sie sich dann im zweiten schnellen Satz daraus befreien. Teilweise nimmt der Tanz im Anschluss folkloristische Züge an, zeigt die Männer mit machohaftem Gehabe oder die Frauen im ausgelassenen Spiel. Die elf Studierenden verleihen dem Tanz dabei sehr individuelle Noten. Sloane bewegt sich mit den Bochumer Symphonikern souverän durch die vier Kompositionen, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Steven Sloane hat mit den Bochumer Symphonikern im ersten Symphoniekonzert Leonard Bernstein mit teilweise sehr unterschiedlichen Kompositionen ein würdiges Denkmal gesetzt.



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Ausführende

Orli Shaham, Klavier

Fang-Yu Shen, Choreographie

Studierende des Instituts für
Zeitgenössischen Tanz der
Folkwang Universität der Künste

Bochumer Symphoniker

Steven Sloane, Dirigent

 


Werke

Noam Sheriff
Lenny
Symphonic Sketch

Leonard Bernstein
Symphonie Nr. 2
The Age of Anxiety
Part One: Prologue, Lento moderato
Part Two: The Seven Ages, L'istesso tempo
Part Three: The Seven Stages,
Molto moderato, ma movendo
Part Four: The Dirge, Largo
Part Five: The Masque, Extremely fast
Part Six: Epilogue, L'istesso tempo

Charles Ives
The Unanswered Question

Aaron Copland
Appalachian Spring
Komplettes Ballett in der neuen
Orchesteredition von David Newman)
1. Sehr langsam.
2. Schnell.
3. Mäßig.
4. Ziemlich schnell.
5. Noch schneller.
6. Sehr langsam.
7. Ruhig und fließend.
8. Mäßig. Coda.

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den

Bochumer Symphonikern
(Homepage)



Da capo al Fine

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