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BOSY Symphonie 3
Unvollendet vollendet

Musik von Franz Schubert und Anton Bruckner

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Donnerstag, 10.01.2019, 20.00 Uhr
Großer Saal, Anneliese Brost Musikforum Ruhr



Bochumer Symphoniker
(Homepage)

Vollendet oder unvollendet?

Von Thomas Molke

Manche Symphonien sind zwar formal unvollendet, wirken musikalisch allerdings durchaus vollkommen. Bei anderen formal vollendeten Kompositionen wiederum ist fraglich, ob der Komponist sie vielleicht doch noch als unvollendet betrachtet hat. Im dritten Symphoniekonzert verbinden die Bochumer Symphoniker zwei Werke, bei denen man über eine fehlende Vollendung durchaus diskutieren kann. Franz Schubert erlebte die Uraufführung seiner Symphonie Nr. 7 h-Moll nicht, die sich mit ihren zwei Sätzen als Unvollendete großer Beliebtheit in den Konzertsälen erfreut, und auch Anton Bruckner präsentierte seine 1881 entstandene Symphonie Nr. 6 A-Dur zu seinen Lebzeiten nicht. Außerdem nahm er auch keinerlei Änderungen nach Abschluss der Komposition vor, was für Bruckner als ziemlich untypisch gilt. So ist es ein sehr interessantes Unterfangen, diese beiden Werke einander gegenüberzustellen. Als Dirigenten hat man Eliahu Inbal verpflichten können, der nicht nur als Erster die Urfassungen der Symphonien Bruckners einspielte, sondern auch mit seinen Mahler-Aufnahmen eine gewisse Affinität zu den Bochumer Symphonikern und ihrem Generalmusikdirektor Steven Sloane haben dürfte.

Der Abend beginnt mit Schuberts Unvollendeter. Wieso Schubert sie 1822 nicht vollendet und nach einer fragmentarischen Skizze des dritte Satzes ("Scherzo") abgebrochen hat, wird wohl ein Rätsel bleiben. Befand er sich in einer tiefen Krise, wie die häufig zitierte Frage "Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?" vermuten ließ, oder kamen ihm andere Aufträge dazwischen? Schließlich stellte die im November 1822 begonnene Wandererfantasie D 760 für Klavier ein wesentlich lukrativeres Auftragswerk für ihn dar. Auch existiert die Theorie, dass Schubert einen Schlusssatz für die Unvollendete entworfen habe, den er dann aber als Zwischenaktmusik für das romantische Schauspiel mit Musik Rosamunde, Fürstin von Zypern verwendet habe. 37 Jahre nach Schuberts Tod kamen die beiden Sätze der Unvollendeten am 17. Dezember 1865 in Wien zur Uraufführung und lösten eine Welle der Begeisterung aus. Damals wurde der Schlusssatz aus Schuberts Symphonie Nr. 3 D-Dur als "Ersatz-Finale" angefügt. Benjamin Gunnar Cohrs hat zuletzt 2015 den Versuch unternommen, die Unvollendete mit dem vollständig instrumentieren Scherzo und einem angehängten Entr'acte aus Rosamunde zu "vollenden". Die Regel ist aber bis heute geblieben, nur die beiden Sätze zu spielen, und vielleicht hat ja auch der Musikwissenschaftler Alfred Einstein Recht, der meinte, dass in diesen beiden Sätzen wirklich alles gesagt und die Symphonie deshalb gar nicht unvollendet sei.

Der erste Satz beginnt mit einem orakelhaft raunenden Unisono der Celli und Bässe, das in ein lyrisch-melancholisches Thema der Violinen übergeht. Die liedhaften Themen changieren zwischen unvermitteltem Innehalten in zarten Piani und Pianissimi und gewaltigen Ausbrüchen und Spannungsentladungen des vollen Orchesters. So erkennt man zwar die charakteristische Melodik Schuberts, empfindet aber dennoch stets etwas Fremdes und Verstörendes. Zwischen den beiden Sätzen gibt es nicht den sonst üblichen Tempokontrast. Nur die Grundtonart wechselt von einem dunklen h-Moll zu einem leuchtenden E-Dur. Die Musik scheint für Schubert eine Art Zufluchtsort vor der grauen Wirklichkeit darzustellen. Inbal gelingt es, mit den Bochumer Symphonikern den vielschichtigen Klang differenziert herauszuarbeiten, so dass der Funke auf die Zuhörer im Anneliese Brost Musikforum überspringt und die Interpretation große Begeisterung auslöst.

Nach der Pause folgt Anton Bruckners Symphonie Nr. 6 A-Dur, die zwischen 1879 und 1881 entstand und als einzige Symphonie von Bruckner später nicht mehr überarbeitet wurde. Bruckner erlebte allerdings auch keine vollständige Aufführung seiner Symphonie. Am 11. Februar 1883 spielten die Wiener Philharmoniker in einem Konzert nur die beiden Mittelsätze der Symphonie, die sie mit Beethovens Ouvertüre zu Leonore sowie einem vollständigen Cello-Konzert von Karl Anton Eckert und der fünften Symphonie von Louis Spohr kombinierten. Eine komplette Aufführung erfolgte erst drei Jahre nach Bruckners Tod durch Gustav Mahler, wobei dieser allerdings zahlreiche Änderungen und Kürzungen vornahm. Erst 1901 erklang die Symphonie in Stuttgart in ganzer Länge unter Karl Pohlig. Da aber auch Pohlig eine an einigen Stellen von Bruckners Handschrift abweichende Erstausgabe verwendete, wird häufig der 9. Oktober 1935 als wahres Uraufführungsdatum angesehen, als Paul van Kempen das Werk auf Grundlage einer textkritischen Edition in "Originalgestalt" herausbrachte. Heute ist Bruckners Symphonie Nr. 6 A-Dur relativ selten im Konzerthaus zu erleben.

Bruckner selbst bezeichnete seine sechste Symphonie in einem kleinen Wortspiel als "seine keckste", womit er wahrscheinlich auf die einprägsame Thematik anspielt. Inhaltlich wird sie als musikalische Erinnerung an eine mehrwöchige "Vergnügungsreise" gesehen, die den Komponisten im Sommer 1880 an mehrere Orte der Schweiz führte, wo er die Natur genoss und unter anderem das gewaltige Mont-Blanc-Massiv bestaunte. So meint man, in den sich wiederholenden Läufen der Geigen das Fahren eines Zuges zu hören, der den Komponisten durch die Schweiz transportiert. Im vollen Orchester blühen dann immer wieder die überwältigende Naturereignisse auf, die sich vor dem Fenster des Zuges vor dem Auge des Vorbeireisenden abspielen. Ruhe wird dem Zuhörer an keiner Stelle gegönnt. Zu verwirrend und fordernd sind die zahlreichen Eindrücke, die Bruckner in die Crescendi des Orchesters packt. Inbal arbeitet mit den einzelnen Gruppen des Orchesters diese Klangvielfalt präzise heraus, so dass in der fast einstündigen Symphonie vor dem inneren Auge des Zuhörers grandiose Bilder entstehen. Das Publikum dankt dem Orchester und Inbal mit verdientem und kräftigem Beifall.

FAZIT

Die Bochumer Symphoniker führen im 3. Symphoniekonzert vor, wie vollkommen auch "unvollendete" Werke klingen können.



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Ausführende

Bochumer Symphoniker

Eliahu Inbal, Dirigent

 


Werke

Franz Schubert
Symphonie h-Moll "Unvollendete"
1. Allegro moderato
2. Andante con moto

Anton Bruckner
Symphonie Nr. 6 A-Dur
1. Majestoso
2. Adagio. Sehr feierlich
3. Scherzo. Nicht schnell -
Trio. Langsam
4. Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den

Bochumer Symphonikern
(Homepage)



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