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Véronique Gens
Orchestre des Champs-Élysées
Leitung: Philippe Herreweghe




17. November 2018, Saalbau Essen, Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen
(Homepage)
Mit Witz statt Pathos

Von Stefan Schmöe

Man ist geneigt, ihn einen Tausendsassa zu nennen, diesen Philippe Herreweghe - trotz seiner inzwischen 71 Jahre schwer beschäftigt, und das im Wechsel zwischen ganz unterschiedlichen musikalischen Welten. Mit dem Collegium Vocale Gent, derzeit artist in residence an der Essener Philharmonie, in Sachen Alte Musik, mit dem Orchestre des Champs-Elysées auf den Spuren der Romantik. Bruckner, so bekannte er in der halbstündigen Einführung vor dem eigentlichen Konzert (auch das lässt er sich nicht nehmen: Mit Witz und Ironie diesen Vortrag zur "Kunst des Hörens", wie es im Philharmoniejargon heißt, selbst zu halten), habe er bereits als Siebenjähriger lieben gelernt, und da gebe es (anders, man höre!, als bei Händel) bei jeder Aufführung Neues zu entdecken. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, was da (unter anderem) heißt: Darmsaiten für die Streicher, Querflöten aus Holz. Die Blechbläser haben es erfahrungsgemäß schwer damit, sprechen die Instrumente doch weniger sicher an. Nicht nur deshalb ist es phänomenal, mit welcher Sicherheit die Musiker die strapaziöse Symphonie Bruckners bewältigten, allen voran die phänomenale Solo-Hornistin Eliz Erkalp mit butterweichem, überaus sicherem Ansatz.

Soll Bruckner aber auf historischen Instrumenten gespielt werden? Unbedingt, muss man nach diesem Konzert sagen. Es klingt, um einen Vergleich aus der bildenden Kunst heranzuziehen, als habe Herreweghe mit seinem Orchester eine dicke Schicht Firnis von diesem ja doch recht häufig gespielten Werk gekratzt und eine ungeahnte Farbigkeit hervorgebracht. Bruckner klingt plötzlich nicht mehr flächig und statisch, sondern ungemein lebendig, voller Details, die in herkömmlichen Interpretationen vor allem zur Klangfarbe beitragen, hier aber zum Bestandteil einer Klangrede werden, in der man den barockerfahrenen Dirigenten spürt. Aber Herreweghe verliert sich nicht im Detail, die Musik drängt voran, und bei aller Plastizität - man hört wirklich jede Stimme, und plötzlich bekommen etwa die Pauken ungeahntes Gewicht - hat das große Wucht und gipfelt in strahlenden Ausbrüchen. Das erdenschwere Pathos bleibt dabei aus; stattdessen öffnet Herreweghe die Ohren für die, ja tatsächlich: witzigen Momente bei Bruckner, der plötzlich volkstümliche Melodiesprengsel einbaut. Da klingt plötzlich allerlei Mahler an. Man muss das gehört haben: So frisch und dabei vielschichtig hat Bruckner nie geklungen. (Vielleicht zur Entstehungszeit, bevor die Rezeptionsgeschichte ihn unter mitunter allzu viel weihevollem Tiefsinn begrub.)

Vor der Pause standen die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner auf dem Programm, eigentlich für Singstimme und Klavier komponiert, später von Felix Mottl für Orchester gesetzt. Allzu opernhaft dick, hat man oft gedacht, aber auch hier zaubern Herreweghe und das Orchester, bewegen sich überwiegend in Piano-Bereich, und so kann Sopranistin Véronique Gens mit schönem, leicht eingedunkelten Timbre mühelos liedhaft singen. Eine bessere Textverständlichkeit wäre allerdings gerade hier wünschenswert gewesen. Wie aber Herreweghe Wagners Musik gewichtig und doch leicht nimmt, das lässt einen Wunsch keimen: Er möge doch bitte bald mit diesem Orchester und einer kompletten Wagner-Oper, am liebsten natürlich Tristan und Isolde (die Lieder nehmen manches daraus vorweg) in die Essener Philharmonie mit ihrer exzellenten Akustik zurückkehren. Da wird er übrigens schon in drei Wochen wieder zu hören sein, dann aber mit geistlichen Madrigalen (und dem Collegium Vocale Gent). Er ist eben doch ein Tausendsassa, und zwar ein ganz genialer.




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Ausführende

Véronique Gens, Sopran

Orchestre des Champs-Élysées

Leitung: Philippe Herreweghe


Werke

Richard Wagner:
Fünf Lieder für Frauenstimme und Klavier
nach Gedichten von Mathilde Wesendock
(Fassung für Orchester von Felix Mottl)

--- Pause ---

Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 4 Es-Dur "Romantische"
(Zweite Fassung 1878/1880; Nowak 1953)





Weitere Informationen:

Philharmonie Essen



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