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In Residence: Collegium Vocale Gent · Alte Musik bei Kerzenschein

Capella Vocale Gent
Leitung: Philippe Herreweghe




6. Dezember 2018, Saalbau Essen, Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen
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Die Macht des gesungenen Wortes

Von Stefan Schmöe / Foto von Saad Hamza

Einen großen Saal füllt man mit dem Israelsbrünnlein von Johann Hermann Schein (1586 - 1630), einer 1623 veröffentlichten Sammlung von geistlichen Madrigalen, nicht, bedauerlicherweise, und so war denn auch der Alfried-Krupp-Saal nur gut zur Hälfte besetzt. Der falsche Ort für ein solches Konzert? Mitnichten. Selbst Dirigent Philippe Herreweghe ließ es sich nicht nehmen, am Ende der Aufführung seine Freude über die exzellente Akustik in Worte zu fassen. Und es mag ein spezielles, eben an "alter" Musik besonders interessiertes Publikum sein, jedenfalls ein außerordentlich konzentriertes, das die Gelegenheit nutzte, diesen Zyklus (fast) komplett zu hören.

Das Collegium Vocale Gent, in dieser Saison "Artist in Residence" in Essen, singt in solistischer Besetzung: Hana Blaziková (Sopran), Barbara Kabátkova (Sopran), Robert Getcheli (Altus), Thomas Hobbs (Tenor) und Wolf Matthias Friedrich (Bass), begleitet von einer Continuo-Gruppe (Ageet Zweistra, Violoncello; Joe Carver, Violone; Thomas Boysen, Laute; Françoise Guerrier, Orgelpositiv). Herreweghe interpretiert die Madrigale vom Wort her, gestaltet die Musik wie gesungene Rede, mit großer Agilität und durchdachter, sehr nuancierter Ausgestaltung des Wortklangs. Ein Beispiel: Werden die Konsonanten in der Regel unaufdringlich dezent zurückgenommen (was, das ist die Kehrseite, die Textverständlichkeit einschränkt), so wird in Nummer 12 Ist nicht Ephraim mein treuer Sohn im Vers "darum bricht mir mein Herz gegen ihn" das "r" bei "bricht" geräuschhaft wortmalerisch hervorgehoben, dass man das Herz tatsächlich brechen hören kann. Herreweghe setzt solche Effekte gezielt ein, aber mit Bedacht dosiert, was sie umso wirkungsvoller erklingen lässt.

Foto

Als Zuhörer benötigt man einige Zeit, um sich einzuhören in die Feinheiten dieser Musik, aber umgekehrt benötigte wohl auch das Ensemble eine Weile, um sich auf den Saal einzustellen oder einfach nur, um zu der hohen Kunst des aufeinander Eingehens zu gelangen, die aus einem guten Konzert ein herausragendes macht. Dominierte zu Beginn des Konzerts noch der hohe (mitunter trompetenhaft strahlende) Sopran von Hana Blaziková gegenüber dem etwas tieferen, weicheren von Barbara Kabátkova, blieb der Tenor von Thomas Hobbs etwas unscheinbar gegenüber dem samtenen Altus von Robert Getcheli und dem vom ersten Ton an ungmein präsenten, fast schelmischen Bass von Wolf Matthias Friedrich, so findet das Ensemble vor allem im Mittelblock des Programms zu außerordentlicher Homogenität, bei der aber immer auch die führende Stimme deutlich hervor tritt. Und dann entwickelt sich auch ein Feuerwerk von Rede und Gegenrede, bei allem Ernst von Text und Musik durchaus mit einer Prise Humor. Man kommt aus dem Staunen kaum heraus über die Vielfältigkeit und Farbigkeit dieser Kompositionen.

An zwei Stellen wird das Israelsbrünnlein unterbrochen durch Kompositionen für Laute und wird so zum klingenden Triptychon. Thomas Boysen spielt ebenso sensibel wie virtuos, und diese beiden Solostücke strukturieren nicht nur sinnvoll das Programm, sondern ermöglichen es, die Laute überhaupt einmal zu hören - denn im Gesamtklang der unauffällig begleitenden Continuo-Gruppe geht die Laute leider weitgehend unter. Ein kleines Manko, das den großartigen Gesamteindruck nicht allzu sehr trübt. Es ist ein Konzert, in dem das Wort an erster Stelle steht; eine gesungene musikalische Großpredigt, in jedem Takt musikalisch faszinierend. Ein berührender Abend.




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Ausführende

Collegium Vocale Gent:

Hana Blazíková, Sopran
Barbora Kabátková, Sopran
Robert Getchell, Alt
Thomas Hobbs, Tenor
Wolf Matthias Friedrich, Bass

Ageet Zweistra, Violoncello
Joe Carver, Violone
Thomas Boysen, Laute
Françoise Guerrier, Orgelpositiv

Leitung: Philippe Herreweghe


Werke

Johann Hermann Schein:
Israelsbrünnlein
Geistliche Madrigale zu fünf
Stimmen und Generalbass

Johann Hieronymus Kapsberger:
Toccata II Arpeggiata
aus Libro primo d'intavolatura
Toccata und Passacaglia
aus Libro quarto d'intavolatura



Weitere Informationen:

Philharmonie Essen



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