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Philippe Jaroussky

Ensemble Artaserse
Musik von Francesco Cavalli und Biagio Marini

Aufführungsdauer: ca. 2h 05' (eine Pause)

Samstag, 13. April 2019, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Im Olymp der Barockmusik

Von Thomas Molke / Foto: © Josef Fischnaller (Promo Pictures Warner Classics)

Philippe Jaroussky zählt in der stetig wachsenden Riege der Countertenöre zu den besten. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete den mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Sänger sogar als "Strahlengott unter den Countertenören". Mit seiner glockenklaren Stimme verleiht er nicht nur immer wieder der emotionale Pracht des Barock neuen Glanz und setzt sich dafür ein, dass vergessene und verschollene Werke dieser Zeit wiederentdeckt werden, sondern hat auch die Komponistin Suzanne Giraud veranlasst, die Oper Caravaggio für ihn zu komponieren, die am 6. April 2012 in Metz ihre Uraufführung erlebte. Im Bereich der Oper arbeitet er auch immer wieder gern mit Cecilia Bartoli zusammen. So wird er in diesem Jahr bei den von ihr geleiteten Salzburger Pfingstfestspielen als Ruggiero an ihrer Seite in Händels Alcina zu erleben sein. 2002 hat er mit Christina Plubeau (Viola da Gamba), Claire Antonini (Theorbe) und Yoko Nakamura (Cembalo und Orgel) das Ensemble Artaserse gegründet, benannt nach einem antiken, persischen König, der als gutherzig und tolerant galt. Mit diesem Ensemble, das in wechselnden Besetzungen ohne Dirigent arbeitet, war er auch in der Philharmonie Essen 2012 zu Gast, als er gemeinsam mit der Altistin Marie-Nicole Lemieux Auszüge aus Opern von Caccini, Cavalli, Monteverdi u. a. präsentierte (siehe auch unsere Rezension). Nun widmet er sich auf seiner neuen Tour mit dem Ensemble Werken des venezianischen Meisters Francesco Cavalli.

Cavalli galt im 17. Jahrhundert als einer der wichtigsten und meistaufgeführten Opernkomponisten, dem in den letzten Jahren vor allem bei Barockfestivals wie beispielsweise den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Von seinen rund 40 meist für Venedig komponierten Opern sind insgesamt 27 überliefert. Er war ein Schüler Monteverdis, dem er bereits als 14-jähriger in San Marco begegnete, wo Monteverdi als Kapellmeister tätig war und sofort auf den neuen Sopranisten in der Sängerkapelle, damals nach unter dem Namen Pietro Francesco Caletti-Bruni, aufmerksam wurde. Den Namen Cavalli legte er sich erst nach seinem späteren venezianischen Gönner, Federico Cavalli, zu, als er 1639 seine Karriere als Opernkomponist mit Le nozze di Teti e di Peleo begann. Jaroussky macht nun mit dem Ensemble Artaserse einen Streifzug durch das Opernschaffen Cavallis mit meist nahtlosen Übergängen.

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Philippe Jaroussky

Den Anfang macht eine Arie, die man in anderer Form vor allem von einem anderen Komponisten: Georg Friedrich Händel. In "Ombra mai fù" besingt Xerxes seine Liebe zu einer Platane, und Händels Fassung trat kurz nach der Uraufführung als "Largo" einen Siegeszug durch ganz Europa an. Auch Cavalli hat fast 80 Jahre vor Händel dem Perserkönig eine Oper gewidmet, in der er ihn ebenfalls seine Gefühle für den Baum zum Ausdruck bringen lässt. Die Arie mag nicht so eingängig sein wie Händels Version, besticht aber in der spannenden Interpretation durch das Ensemble Artaserse und Jarousskys geschmeidigen Gesang. Es folgt ein weiterer Herrscher, der ebenfalls Persien regierte: Ciro. Aus der Oper Il Ciro präsentiert Jaroussky gleich zwei Arien der Titelfigur. In der ersten besingt er seine Beziehung zur Macht, die ihm mit Blick auf private Zufriedenheit relativ unbedeutend erscheint. Große Melancholie kommt dann in dem Klagelied "Negatemi respiri" zum Ausdruck, in dem Ciro in seiner Verzweiflung Abschied vom Leben nehmen will. Jaroussky gestaltet diese Trauer mit einer weichen Stimmführung, die das gebrochene Herz der Figur spürbar macht. Auch in der folgenden Arie des Orimeno aus der Oper L'Erismena geht es um verschmähte Liebe. Herzzerreißend gestaltet Jaroussky das Leid des Fürsten darüber, dass ihn die schöne Erismena nicht erhört.

Doch Jaroussky präsentiert auch die komische Seite Cavallis. Als Diener Nerillo lästert er in "Che città" aus der Oper L'Ormindo, während der Prinz sich inmitten seiner Liebeswirren verliert, über die verlotterten Sitten in der Stadt. Mit witzigem Spiel und großartiger Mimik macht er dem Unmut des Dieners Luft, der endlich wieder in seine Heimat zurück will, wo er die Menschen und deren Sitten versteht. Auch das Ensemble Artaserse unterstreicht mit expressivem Spiel die Wut des Dieners. Mit einigem Humor sinniert auch Xerses Diener Eumene in Il Xerse über die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit der Schönheit. Persifliert werden die eindringlichen Klagelieder der Liebe auch in der Arie des Vafrino aus L'Ipermestra, der sich über die Liebe und das, was sie aus den Menschen macht, amüsiert.

Neben den antiken Gestalten gibt es natürlich in Cavallis Opern auch mythologische Figuren, die im Spiel der Liebe für Verwirrung sorgen. Da ist zum Beispiel der Gott Apollo, der in einem bewegenden Klagelied die nicht erwiderte Liebe der Nymphe Dafne besingt. Besonders hervorzuheben ist hier das lautmalerische Spiel des Ensembles Artaserse, das hier Vogelgezwitscher und leises Rauschen eines Baches imitiert. Jarousskys klare hohe Stimme klingt in diesem Zusammenhang nahezu ätherisch. Relativ bekannt dürfte die Arie des Endimione aus La Calisto sein. Der Schäfer hat sich in die Göttin Diana verliebt und besingt seine Gefühle in einer sehnsuchtsvollen Serenade an den Mond. Auch hier besticht Jaroussky durch seine eindringliche Interpretation und seine großartige bruchlose Stimmführung. Die Zwischenstücke, mit denen das Ensemble Artaserse Jaroussky kleine Pausen zwischen den einzelnen Arien gewährt, sind in der Regel kurze Sinfonien von Cavalli. Nur am Schluss gibt es ein Stück eines Zeitgenossen Cavallis, Biagio Marini, der als Violinist unter Monteverdi in San Marco tätig war, bevor er für fast 30 Jahre in den Dienst des Herzogs und Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm nach Düsseldorf ging. In einem fulminanten Abschluss ruft Jaroussky dann mit der Arie des Brimonte aus Statira, Principessa di Persia das Volk zu den Waffen und zum Sieg auf, den Jaroussky über das Publikum ohne Zweifel errungen hat.

Natürlich lässt das Publikum Jaroussky mit dem offiziellen Abschluss noch nicht gehen und kommt noch in den Genuss von drei Zugaben. Als erstes präsentiert Jaroussky ein berühmtes Madrigal von Claudio Monteverdi: "Si dolce è'l tormento". Dabei rührt Jaroussky mit seiner eindringlichen Interpretation regelrecht zu Tränen. Bei den weiteren beiden Zugaben greift Jaroussky auf eine Oper Cavallis zurück, von der bereits im offiziellen Programm eine Arie zu hören war: La virtù de' strali d'Amore. Mit der ersten Arie beschreibt er sein eigenes Lebensgefühl dieses Abends: "Alcun più di me felice non è" ("Niemand ist glücklicher als ich"). Wer mag das bei diesem Jubel auch anzweifeln? Danach verabschiedet er sich mit einer Beschwerde des Liebesgottes, der zwar selbst andere gerne mit dem Liebespfeil verletzt, aber nicht begeistert davon ist, sich selbst zu verlieben: "Che pensi, mio core?" Wie der Liebesgott nach diesem Auftritt wieder in die Lüfte entschwebt, verabschiedet sich Jaroussky mit dem Ensemble Artaserse unter stehenden Ovationen von dem restlos begeisterten Publikum.

FAZIT

Jarousskys Stimme ist eine Offenbarung und geht unter die Haut. Das abwechslungsreiche Programm zeigt den Melodienreichtum bei Cavalli und belegt, dass diesem Komponisten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.



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Ausführende

Philippe Jaroussky, Countertenor

Ensemble Artaserse


Werke

Francesco Cavalli
Sinfonia prologue aus L'Ercole amante

"Ombra mai fu"
Arie des Xerse aus Il Xerse

"Corone ed honori"
Arie des Ciro aus Il Ciro

Sinfonia aus L'Ercole amante

"Negatemi respiri"
Klagelied des Ciro aus Il Ciro

"Perfida dove fuggi?... Amor, ti giuro amor"
Rezitativ und Arie des Orimeno aus L'Erismena

Sinfonia aus L'Eliogabalo

"Erme e solinghe Cime... Lucidissima face"
Rezitativ und Arie des Endimione aus La Calisto

Sinfonia aus Doriclea

"Che città"
Arie des Nerillo aus L'Ormindo

Sinfonia aus L'Orione

"Dove mi conducete...
Uscitemi dal cor, lagrime amare"
Rezitativ und Arie des Idraspe aus L'Erismena

Sinfonia aus L'Egisto

"Delizie contenti che l'alma béate"
Arie des Giasone aus Il Giasone

"Questo è un gran caso"
Arie des Vafrino aus L'Ipermestra

Sinfonia aus Il Giasone

"Ohimè, che miro?"
Klagelied des Apollo aus
Gli amori d'Apollo e di Dafne

"Il diletto interrotto... Desia la verginella"
Arie und Rezitativ des Erino aus
La virtù de' strali d'Amore

"La bellezza è und don fugace"
Arie der Eumene aus Il Xerse

Sinfonie aus L'Ercole amante

"Io resto solo?... Misero, così va?"
Rezitativ und Klagelied des Alessandro Cesare
aus Eliogabalo

Biagio Marini
Passacaglia a quattro, op. 22

Francesco Cavalli
"All' armi mio core"
Arie des Brimonte aus
Statira, Principessa di Persia


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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