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Ein Sommernachtstraum:
Offenbachs Erzählungen

Ein Abend mit Musik von Jacques Offenbach

Aufführungsdauer: ca. 4h 50' (zwei Pausen)

Sonntag, 23. Juni 2019, 18.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Geburtstagsfeier in drei Teilen

Von Thomas Molke / Fotos: © Sven Lorenz

Am 20. Juni 2019 wäre Jacques Offenbach 200 Jahre geworden. Das ist Grund genug für die Philharmonie Essen auch jenseits des von Köln unter dem Motto "Yes, We CanCan" ausgerufenen Offenbach-Jahres den diesjährigen Sommernachtstraum, das große Spektakel zum Ende der jeweiligen Spielzeit in der Philharmonie, ganz dem "Erfinder der Operette" zu widmen. Zwar feiert man den Geburtstag mit drei Tagen Verspätung, hat dafür aber ein dreiteiliges Programm auf die Beine gestellt, dass sich im Gesamtumfang durchaus mit einer Wagner-Oper messen kann. Auch in den beiden fast einstündigen Pausen ist dabei für Unterhaltung des Publikums gesorgt. So besteht zum einen die Möglichkeit, im Philharmonie-Club neben einem auserlesenen Dinner oder in der Wandelhalle französischer Salonmusik mit Werken von Erik Satie, Camille Saint-Saëns, Gabriel Fauré, Frédéric Chopin, Claude Debussy und natürlich Jacques Offenbach zu lauschen, die von Slava Atanasova an der Violine, Vladislav Trukhan am Violoncello und Shino Watanabe am Klavier präsentiert wird. Wer es neben dem Essen und Trinken in der Pause lieber aktiv mag, kann zum anderen an einem Can-Can- oder einem Gesangs-Workshop im Kleinen Saal teilnehmen. Armen Hakobyan erarbeitet mit Besuchern, unterstützt durch die Statisterie, eine kleine Choreographie zum berühmten Can-Can aus Orphée aux enfers. Christopher Bruckman studiert anschließend mit Freiwilligen eine kleine Chorpassage aus La vie parisienne ein, die im zweiten Teil des Abends im Saal auch wieder aufgegriffen wird. Zum Mitsingen nach der Pause im anschließenden Schauspiel Offenbachs Erzählungen reicht der Mut der Teilnehmer aber dann doch nicht. An anderen Orten in der Pausenhalle sind der Film Offenbachs Geheimnis von István Szabó und eine Plakatprojektion mit Motiven aus Offenbachs Zeit zu sehen.

Auch im Saal wird mit einem abwechslungsreichen Programm in drei jeweils gut einstündigen Teilen das umfangreiche Schaffen Offenbachs gefeiert. Der erste Teil ist ein ganz klassisches Konzert mit Auszügen aus Offenbachs berühmtesten Werken, die vom WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Enrico Delamboye, der russischen Sopranistin Olga Pudova und dem französischen Tenor Julien Behr dargeboten werden. Nach der schmissigen Ouvertüre zu Offenbachs La vie parisienne, die vom WDR Funkhausorchester mit viel Gespür für den frechen Charme des Wahlfranzosen präsentiert wird, gibt Delamboye eine kurze, witzige Einführung zu den folgenden Stücken. Viel wolle er gar nicht sagen. Die Stücke sprächen für sich selbst, und auch wenn man des französischen Sprache nicht mächtig sei, werde durch die Darbietung der Interpreten sehr deutlich, worum es jeweils gehe. Da hat er recht, da Pudova und Behr die einzelnen Nummern auch szenisch mit viel Witz umsetzen. Pudova beginnt mit der berühmten Arie der Olympia aus Offenbachs letzter und einziger Oper Les contes d'Hoffmann. Mit abgehackten Bewegungen stellt sie die Maschinerie dieser singenden Puppe dar, die in gewisser Weise seelenlos in den höchsten Höhen trällert. Pudova verfügt dafür über einen glockenklaren Sopran, der die Koloraturen nur so perlen lässt. Dann sackt die Puppe mit einem herrlichen Klagelaut zusammen und muss zunächst von Delamboye mit einem großen Schlüssel wieder aufgezogen werden, um zu neuen Koloraturhöhepunkten anzusetzen. Behr schließt sich mit einer eindringlichen Interpretation des berühmten "Chanson de Kleinzach" an. Besonders eindrucksvoll arbeitet Behr mit lyrischem Tenor heraus, wie Hoffmann in dieser Erzählung in seine eigene Welt abschweift. Etwas ungewohnt ist dann die berühmte Barcarole, da man sie normalerweise von einem Sopran und einem Mezzosopran kennt. Aber Behrs Tenor und Pudovas Sopran finden dabei wunderbar zueinander.

Ein weiterer szenischer Höhepunkt ist das Streit-Duett aus dem ersten Akt aus Orphée aux enfers. Wenn Pudova und Behr als Euridice und Orphée die Bühne betreten, liegt bereits Spannung in der Luft, da Pudova absolut lieblos Behrs Notenständer beiseite stößt und deutlich macht, dass sie auf jeden Fall Abstand von dem ungeliebten Gatten haben will. Im folgenden Duett braucht man wirklich kein Französisch zu verstehen, um den Streit des mythologischen Ehepaars nachvollziehen zu können. Behr legt sich als arroganter Orphée sogar mit dem Dirigenten an und stößt in zeitweise vom Pult, um selbst die musikalische Leitung zu übernehmen, verliert sich mit dem ersten Geiger in einem grandiosen Solo, während Pudova als Euridice diese Klänge kaum zu ertragen vermag und mit aggressivem Sopran dagegenhält. Dass die beiden auch ganz andere Saiten anschlagen können, beweisen sie am Ende des Konzertes in dem Duett zwischen Hélène und Pâris aus dem zweiten Akt aus La belle Hélène, in dem Pâris im Schlafgemach der spartanischen Königin auftaucht und ihr einredet, dass dieses heimliche Treffen doch nur ein süßer Traum sei, was die gelangweilte und in den schönen Hirten verliebte Ehefrau natürlich nur allzu gerne glaubt. Erwähnenswert ist auch noch die Ouvertüre aus Les fées du Rhin, einem relativ unbekannten 1864 für die Hofoper in Wien komponierten Werk, das erst 2002 in der ungestrichenen Originalfassung in vier Akten beim Festival de Radio France in Montpellier uraufgeführt wurde. Hier verwendet Offenbach bereits das Thema, das später durch die "Barcarole" im Venedig-Akt von Les contes d'Hoffmann große Berühmtheit erlangen sollte. Dabei beschreiben die wiegenden Klänge des Orchesters allerdings nicht die Gondeln von Venedig, sondern die schwimmenden Nixen im Rhein. Unterbrochen wird der friedliche Tonfall durch eine martialische Soldateska, in der die Nixen den Rhein über das Ufer treten lassen.

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Jacques Offenbach (Götz Alsmann) mit Hortense Schneider (Ingrid Domann)

Für den zweiten Teil des Abends hat man dann den berühmten Sänger, Musiker, Radio- und Fernsehmoderator Götz Alsmann gewinnen können, der mit angeklebtem Wangenbart in die Rolle des Jubilars schlüpft. Sascha Krohn hat dafür ein Szenario unter dem Titel Offenbachs Erzählungen entworfen, in dem in kleinen Auszügen mit musikalischer Untermalung von Christopher Bruckman das Leben des "Kölschen Jungen" gezeigt wird. Es beginnt mit einem Walzer, der Offenbach lange Zeit beschäftigt. Er erinnert sich daran, dass ihm seine Mutter dieses Lied immer vorgespielt habe, er aber spätestens nach dem achten Takt eingeschlafen sei. Nun versucht er krampfhaft, sich an die Melodie zu erinnern. Am Ende trifft er dann auf den Komponisten dieser Melodie, der sie ihm schließlich vermacht. Die Schauspielerin Ingrid Domann und der Schauspieler Carl Bruchhäuser schlüpfen in unterschiedliche Charaktere, die Offenbach auf seinem Lebensweg begleitet haben. Bruchhäuser fungiert dabei teilweise auch als Erzähler, wenn Alsmann nicht selbst als Offenbach in Erinnerungen schwelgt. Alsmann begeistert dabei mit der ihm ganz eigenen Komik und einem ungeheuren Sprachwitz. Großartig schäumt er vor Wut, wenn man ihm zur Gratulation eine Sängerin präsentiert, die die Frechheit besitzt, für ihn Lehárs "Vilja"-Lied anzustimmen. Schließlich habe Lehár die von ihm, Offenbach, entwickelte Operette damit in den Abgrund des triefenden Schmalzes geführt. Mit wunderbarer Arroganz rät er einer Sängerin (Bettina Ranch), die sich bei ihm mit übertriebenem Pathos mit der berühmten Arie aus Bizets Carmen vorstellt, ihr Glück doch lieber an der Opéra-comique zu versuchen, wenn sie nicht bereit sei, ihm ihre Beine zu zeigen. Domann schlüpft dann in die Rolle der Hortense Schneider, die vor allem als Großherzogin von Gerolstein bei Offenbach große Erfolge feiern konnte, obwohl sie niemals eine musikalische Ausbildung erhalten haben soll.

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Götz Alsmann (Mitte) als Jacques Offenbach mit Carl Bruchhäuser (rechts) als Morny und Christopher Bruckman (links) als Monsieur Bruckman

So erfährt man in diesem zweiten Teil eine Menge über die Person Offenbach. Wieso sich die Reihen zum dritten Teil etwas gelichtet haben, ist fraglich. Vielleicht wird der Abend vielen Zuschauern für einen Sonntag dann doch zu lang. Im letzten Teil des Abends gibt es dann noch den Einakter Un mari à la porte, für den Sascha Krohn eine neue deutsche Textfassung erstellt hat. Während es im zweiten Teil durchaus sinnvoll erschien, die Schauspieler und Alsmann mit einem Mikroport auszustatten, fragt man sich, ob man bei der Opérette-bouffe nicht wenigstens während der Musik die Mikroports hätte ausschalten sollen, um einen natürlicheren Klang zu erhalten. Die Stimmen der Solisten hätten in den Gesangsnummern sicherlich auch ohne Verstärkung den Saal füllen können, zumal der Text in Übertiteln zu lesen ist.

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Suzanne (Bettina Ranch, rechts) hat mit ihrer Freundin Rosita (Giulia Montanari, links) ihren frisch geheirateten Gatten aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgesperrt.

Die Handlung ist reichlich abstrus. Suzanne beschließt an ihrem Hochzeitstag, ihren Ehemann Henri nach der Heirat aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auszuschließen, weil sie sich über ihn geärgert hat. Gemeinsam mit ihrer Freundin Rosita verbarrikadiert sie sich im Schlafzimmer, während ihr Mann noch im Haus mit den Gästen feiert. Leider hat sich der smarte Florestan Ducroquet auf der Flucht vor einem Gläubiger, der ihn in vertrauter Zweisamkeit mit der Ehefrau überrascht hat, in diesem Schlafzimmer versteckt. Wie er da hineingekommen ist, begreift man eigentlich nicht wirklich. Friederike Külpmann hat auf der Bühne ein riesiges Ofenrohr aufgebaut, durch das Florestan in das Schlafzimmer rutscht. Nun kann er aber nicht wieder durch das Rohr zurück, und Suzanne gerät in Erklärungsnot, weil sie nicht weiß, wie sie den geheimnisvollen Fremden aus dem Zimmer schmuggeln soll. Schließlich beschließt Rosita, den jungen Mann als ihren Geliebten auszugeben, zumal sie dem Charmeur gegenüber nicht abgeneigt ist. Suzanne söhnt sich mit ihrem Ehemann aus. Sascha Krohn findet in seiner Fassung ein etwas anderes Ende. Suzanne treibt einen Strick auf, mit dem Florestan sich aus dem Fenster hangelt. Am Ende rutschen die ganzen Hochzeitsgäste durch das Rohr in das Schlafzimmer und feiern in dem riesigen Bett auf der Bühne eine ausgelassene Party. Das verstehe, wer will. Vorher taucht auch noch Götz Alsmann auf, rutscht durch das Rohr ins Schlafzimmer und entschuldigt sich, weil er dachte, das sei der Weg in seine Garderobe.

Musikalisch erlebt man auch in diesem Teil frech-spritzigen Offenbach. Heribert Feckler, der die Musik für ein Kammerorchester arrangiert hat, trägt mit den Mitgliedern der Essener Philharmoniker mit einem flotten Sound zu guter musikalischer Unterhaltung bei. Bettina Ranch gestaltet die Partie der Suzanne mit einem satten Mezzosopran, der in der Mittellage über großes Volumen verfügt. Giulia Montanari stattet ihre Freundin Rosita mit strahlendem Sopran aus, der in den Höhen enormen Glanz versprüht. Auch die Koketterie der besten Freundin spielt Montanari überzeugend aus. Erik Slik spielt den Schwerenöter Florestan mit großer Innbrunst, bleibt stimmlich aber in den Höhen ein bisschen blass. Zhive Kremshovski gibt den leicht dümmlichen Ehemann mit dunklem Bariton, so dass es auch am Ende des letzten Teils großen Applaus für alle Beteiligten gilt.

FAZIT

Insgesamt gesehen widmet man in Essen dem Jubilar Offenbach eine gelungene Geburtstagsfeier. Über kleine Längen im zweiten Teil und einzelne Ungereimtheiten in dem Operetten-Einakter sieht man mit Blick auf die herrliche Musik gerne hinweg.



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Teil I

Ausführende

Olga Pudova, Sopran

Julien Behr, Tenor

WDR Funkhausorchester

Enrico Delamboye, Dirigent


Werke

Jacques Offenbach
Ouvertüre zu La vie parisienne

"Les oiseaux dans la charmille"
Arie der Olympia aus Les contes d'Hoffmann

"Chanson de Kleinzach"
Arie des Hoffmann aus Les contes d'Hoffmann

"Belle nuit"
Barcarole aus Les contes d'Hoffmann

"Les heures"
aus Orphée aux enfers

"Ah, quelle triste destinée"
(Air de regrets) Arie der Euridice aus
Orphée aux enfers

Ballet des mouches (Galop)
aus Orphée aux enfers

"Ah, c'est ainsi"
Duett Orphée und Euridice aus
Orphée aux enfers

Ouvertüre zu Les fées du Rhin

"J'entends, ma belle"
Valse tyrolienne der Rosita aus
Un mari à la porte

"Au mont Ida trois déesses"
Arie des Pâris aus La belle Hélène

"Ce n'est qu'un rêve"
Duett Hélène und Pâris aus La belle Hélène

 

Teil II

Offenbachs Erzählungen
von Sascha Krohn

Regie
Sascha Krohn

Ausstattung
Friederike Külpmann

Licht
Tim Waclawek

Inspizienz
Katrin Reichardt

 

Solisten

Jacques Offenbach
Götz Alsmann

Hortense Schneider / Debureau / Garderobiere /
Fauchery / Rudolph Zimmer
Ingrid Domann, Schauspielerin

Villemessant / Arzt / Morny / Hector / Bettler
Carl Bruchhäuser, Schauspieler

Zwei Sängerinnen
Giuliua Montanari, Sopran
Bettina Ranch, Mezzosopran

Zwei Sänger
Zhive Kremshovski, Bariton
Erik Slik, Tenor

Monsieur Bruckman, ein Pianist
Christopher Bruckman

Statisterie des Aalto-Theaters

 

Teil III

Un mari à la porte
Opérette-bouffe in einem Akt
Libretto von Alfred-Charlemagne Delacour und
Léon Morand
in deutscher Sprache mit Übertiteln
neue Textfassung von Sascha Krohn

Regie
Sascha Krohn

Ausstattung
Friederike Külpmann

Licht
Tim Waclawek

Inspizienz
Katrin Reichardt

Klavier, Arrangement und Musikalische Leitung
Heribert Feckler

Mitglieder der Essener Philharmoniker

 

Solisten

Henri Martel, Gerichtsvollzieher
Zhive Kremshovski, Bariton

Suzanne, seine Frau
Bettina Ranch, Mezzosopran

Rosita, ihre Freundin
Giulia Montanari, Sopran

Florestan Ducroquet
Erik Slik, Tenor

Statisterie des Aalto-Theaters

 

Pausenprogramm

Workshop mit Armen Hakobyan und
Christopher Bruckman

Französische Salonmusik mit
Slava Atanasova, Violine
Vladislav Trukhan, Violoncello
Shino Watanabe, Klavier


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

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